Erzherzog Albrecht VI. von Österreich gründete 1457 die Universität Freiburg. Dass seine Gemahlin Mechthild von der Pfalz die treibende Kraft zur Gründung der Albertina gewesen sei, ist wohl ihrem Mythos geschuldet. Foto: Schwarzwälder Bote

Historie: Ihr Rottenburger Witwensitz galt einerseits als Musenhof andererseits als Lasterhöhle / Ausstellung im Sülchgau-Museum

Weil sich der Geburtstag der Mechthild von der Pfalz zum 600. Mal jährt, präsentiert das Hauptstaatsarchiv Stuttgart in diesem Jahr eine kulturhistorische Ausstellung, die an eine der außergewöhnlichsten Frauen des Spätmittelalters erinnert. Als zweite Station zeigt das Sülchgau-Museum diese Ausstellung vom 14. September bis 17. November in der Rottenburger Zehntscheuer.

Rottenburg. Mechthild wurde 1419 als zweites Kind des Kurfürsten Ludwig III. von der Pfalz und seiner Ehefrau Gräfin Matilda von Savoyen-Achaja in Heidelberg geboren und bereits mit acht Monaten dem siebenjährigen württembergischen Thronfolger Ludwig versprochen. 17 Jahre nach der Verlobung heiratete Mechthild in Stuttgart Graf Ludwig I. von Württemberg, der seit 1433 gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Ulrich V. Württemberg regierte. Nach der 1441 vereinbarten Teilung Württembergs schuf sich Ludwig in Urach eine neue Residenz für seinen im Süden und Westen gelegenen Landesteil.

Das Ehepaar bekam fünf Kinder unter denen sich mit Graf Eberhard im Barte, dem späteren Herzog Eberhard I., die Lichtgestalt Württembergs befand. Drei Jahre nach der Geburt des letzten Kindes Elisabeth starb Ludwig I. 1450 an der Pest. Der plötzliche Tod Ludwigs führte zwischen Mechthilds Bruder Pfalzgraf Friedrich dem Siegreichen und ihrem Schwager Graf Ulrich dem Vielgeliebten zu mehrjährigen Auseinandersetzungen um die Vormundschaft über ihre beiden Söhne.

Die einunddreißigjährige Mechthild zog auf ihren Witwensitz in das Schloss Böblingen, wo sie auf Vermittlung des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg Erzherzog Albrecht VI. von Österreich kennenlernte, der von seinem älteren Bruder Friedrich 1446 als Regent über die österreichischen Vorlande eingesetzt worden war. Die ziemlich komplizierte Heiratsverabredung mit Mechthild von der Pfalz erfolgte noch bevor Albrecht als oberster Marschall des Romzugs fungierte, bei dem sein Bruder Friedrich im Februar 1452 zum Kaiser gekrönt wurde.

Prachtvolle Eheschließung

Im August 1452 erfolgte auf Schloss Böblingen die prachtvolle Eheschließung, die Albrecht die Rückgewinnung der vorländischen Pfandschaften des Hauses Österreich ermöglichen und Mechthild einen Freiraum bezüglich der Vormundschaft ihrer Söhne gegenüber ihrem Schwager Ulrich V. von Württemberg-Stuttgart verschaffen sollte. Die Heirat machte Mechthild zur Erzherzogin von Österreich und als Schwägerin von Kaiser Friedrich III. galt sie nach Kaiserin Eleonora als ranghöchste Dame im ganzen Heiligen Römischen Reich.

Der Beziehung zwischen Mechthild und Albrecht wurde aufgrund der Kinderlosigkeit der Nimbus einer unglücklichen Ehe angedichtet. Die Tatsache, dass sich Albrecht nur anfänglich und später aber kaum mehr bei seiner Gemahlin aufhielt, deutet darauf hin, dass sich ihre Beziehung zueinander auf eine sachlich-materielle Ebene reduziert haben dürfte. Jedenfalls ließ sie sich nicht aus Abneigung gegen Albrecht neben ihrem ersten Gemahl in der Kartause Güterstein beisetzen. Ihr Totengedenken schien Mechthild wohl im Hause Württemberg besser aufgehoben zu sein als bei der angeheirateten habsburgischen Verwandtschaft, mit der sogar ihr Gemahl Albrecht sein Leben lang auf Kriegsfuß gestanden hatte.

Auch ihre Rolle als Erzherzogin von Österreich war nur vorübergehend. Nach elf Jahren starb Albrecht VI., der sich bereits 1457 im brüderlichen Kampf um das habsburgische Erbe endgültig nach Oberösterreich verabschiedet hatte. Mechthild war nun 44 Jahre alt und wieder gab es einen vertraglich vorbereiteten Witwensitz, der ihr von Albrechts Vetter, Erzherzog Siegmund von Tirol, streitig gemacht wurde. Mechthild residierte seit 1463 fast ausschließlich im Rottenburger Schloss. Dieser Herrschaftssitz war ihr samt der zugehörigen schwäbisch-österreichischen Grafschaft Hohenberg von Albrecht zum Witwensitz bestimmt worden.

Verklärte Hofhaltung

Laut der landeskundlich orientierten Literatur gelangte Rottenburg als Sitz des "Fräuleins von Österreich" zu einer bislang nicht gekannten und später nie wieder erreichten Blüte. Dabei unterschied sich der am Verwaltungs- und Herrschaftsmittelpunkt der Grafschaft Hohenberg archivalisch fassbare Hofstaat Mechthilds kaum von den Höfen benachbarter Herrschaften. Die Ämter, die teilweise auch in ihrem Testament aufgeführt sind, finden sich ebenso an anderen Herrschaftssitzen vergleichbarer Größe.

Neben der verklärten fürstlichen Hofhaltung ist auch das Bild von einem Musenhof in Rottenburg zu korrigieren, der einigen Literaturgeschichtsschreibungen zufolge die Neckarstadt zu einem kulturellen Zentrum im Südwesten Deutschlands erblühen ließ. Zum Kreis der Dichter und Gelehrten, die für oder über Mechthild schrieben, zählten Hermann von Sachsenheim, Niklas von Wyle, Antonius von Pforr und Jakob Püterich von Reichertshausen. Aber keiner dieser Literaten lebte für längere Zeit am Rottenburger Hof und teilweise hatten sie nicht einmal Kenntnis voneinander, sodass sich in Mechthilds Umgebung gar kein Musenhof bilden konnte.

Die der Erzherzogin von Österreich zugeeigneten Werke deuten auf ein Interesse an Literatur, das rein privaten Neigungen entsprang. In diesem Zusammenhang ist ihre für die damalige Zeit mehr als umfangreiche Bibliothek zu sehen, die aus 94 Handschriften oder Büchern bestand. Ihren Nachruhm bei folgenden Generationen sowie die etwas überschätzte literaturgeschichtliche Bedeutung Mechthilds verdankt sie einem ausgeprägten Gelegenheitsmäzenatentum, mit dem sie die neuen Ideen und Ideale der Frührenaissance und des Humanismus förderte.

Bösartige Schilderungen

Um Mechthild von der Pfalz entspann sich im Laufe der Zeit ein wahrer Mythos, dem unter anderem ihre angebliche Beteiligung an der Gründung der Universität Freiburg oder ihre vermeintliche Stiftung des Rottenburger Marktbrunnens geschuldet sind. Dieser Mythos rückte sie einerseits fast in die Nähe einer Heiligen, trug ihr andererseits ebenso einen höchst schlechten Ruf ein, sodass ihr Erscheinungsbild bis heute zugleich sowohl schillernd als auch zwielichtig geblieben ist.

Völlig unvereinbar mit der Achtung und Bewunderung für diese Fürstin sind die bösartigen Schilderungen Mechthilds in der "Zimmerischen Chronik", an der Graf Froben Christoph von Zimmern bis zu seinem Tode im Jahr 1566 schrieb. Der drastische Stil der Chronik wurde den ritterlichen Trinkstuben zur Last gelegt, die offenbar an der Selbstständigkeit und dem Selbstbewusstsein der Erzherzogin ihre Rache nehmen wollten. Eine von Herzog Albrecht von Sachsen 1480 ausgestellte Ehrenerklärung belegt allerdings, dass die Gerüchteküche schon zu Lebzeiten Mechthilds kochte.

Ton der Entrüstung

Froben Christoph von Zimmern charakterisierte Mechthild als "überflaischgiriges weib", das nach dem Tod ihres zweiten Gemahls so "mangierig" gewesen sei, dass sie jeden, der "mit aim langen und starken penicill begabt gewesen, zugelassen" habe. Besonders krachledern schilderte der Chronist eine Begebenheit, der die Rottenburger Fasnet ihre erste Erwähnung zu verdanken hat. Die Zimmerische Chronik berichtet im Tone der Entrüstung über den unmoralischen Lebenswandel einer Nymphomanin, die an ihrem Rottenburger Hof nicht einmal vor ihrem Ofenheizer Halt gemacht hätte. Dieser vermeintliche Tatbestand veranlasste den Chronisten, ein literarisches Werk aus dem Umfeld der Fürstin als eine Art Schlüsselroman zu bezeichnen, der das Treiben am Rottenburger Hof widerspiegelt. So ergab es sich, dass in der Literaturwissenschaft die "Mörin" des Hermann von Sachsenheim in Zusammenhang mit Mechthild von der Pfalz gebracht wurde, obwohl weder der Rottenburger Hof noch der mutmaßliche Lebenswandel von dessen Herrin dem Sachsenheimer Stoff für seine 6000 Verse umfassende Groteske lieferte.

Die frivolen Episoden über Mechthilds Hof dürften von Froben Christoph von Zimmern auch nicht aus der verloren gegangenen Chronik des Berthold Besenfeld entnommen worden sein. Vielmehr scheinen sie auf die zimmerische Familientradition zurückzugehen, die mit diesem Kapitel beabsichtigte, die Familienehre derer von Zimmern reinzuwaschen. Ein Ahnherr des Chronisten war nämlich in den Verdacht geraten, als verheirateter Mann ein Verhältnis mit Erzherzogin Mechthild gehabt zu haben.

Um den moralischen Ruf seines Urgroßvaters zu retten, scheint Froben Christoph von Zimmern den fraglichen Zeitraum des Verdachts einer intimen Beziehung nach dem Jahr 1478, dem Todesjahr seiner Urgroßmutter, datiert zu haben. Damit sprach nicht nur die Unstimmigkeit des fortgeschrittenen Alters gegen eine leidenschaftliche Affäre. Verortet man die im schwäbischen Hochadel bekannte Affäre aber auf den Zeitraum von 1460 bis 1462, dann kommt der Beziehung eine erheblich gesteigerte Sprengkraft zu, denn beide Liebespartner waren damals keineswegs schon verwitwet.

Gerüchte über Affäre

Graf Werner der Jüngere von Zimmern, der Urgroßvater des Chronisten, ehelichte 1444 Gräfin Anna von Kirchberg. Diese Heirat wurde als Sühneleistung gegenüber den Fürstenbergern verstanden, da Werner bei einem Turnier in Stockach Annas Gemahl, Graf Johann von Fürstenberg, ein Jahr zuvor tödlich verwundet hatte. Zwischen Mechthild von der Pfalz und Werner bestand bereits beim Tod ihres ersten Gemahls ein offenbar besonders intensives Verhältnis. Sie unterrichtete Werner nämlich umgehend vom Ableben Ludwigs I. und bat ihn unter strikter Geheimhaltung sogleich zu ihr zu kommen.

Die Einsetzung Werners von Zimmern als Landhofmeister von Württemberg-Urach im Jahre 1460 war wohl insbesondere auf den Einfluss Mechthilds zurückzuführen. Dass er dieses bedeutende Amt bereits nach einem Jahr wieder aufgab, könnte daher rühren, dass sich bereits Gerüchte über eine Affäre zwischen Werner und Mechthild verbreiteten. Werner bekleidete dann bis 1464 das Amt des Haushofmeisters von Württemberg-Urach. Zur Regelung von Angelegenheiten dürfte er sich sicher häufig am Uracher oder Rottenburger Hof aufgehalten haben.

Gestützt wird die Vermutung, dass Mechthild in eine leidenschaftliche Liebesaffäre zu Werner von Zimmern verstrickt war, unter anderem auch durch die literarischen Zeugnisse des Niklas von Wyle. In der dritten Translatze, die dieser Mechthild widmete, geht es um eine falsche, unvernünftige Liebe, die der verliebten Person zwar bewusst ist, die sie aber wegen der Intensität der Leidenschaft nicht aufgeben kann. Die erste sowie die zweite Translatze könnten bereits als Bilanz der gescheiterten Beziehung zwischen Werner und Mechthild gemeint sein, denn es handelt sich um trostreiche Erzählungen, die vom unausweichlichen und notwendigen Scheitern leidenschaftlicher aber illegitimer Liebe berichten.

Hinter dem Mythos Mechthild kommt eine Frau zum Vorschein, die nach jahrelanger Trennung von ihrem zweiten Ehemann, ihren Anspruch auf Nähe und Liebesglück mit einem ihr bereits aus früheren Zeiten vertrauten Mann leben will. Eine solch illegitime Liebesbeziehung zwischen zwei Verheirateten musste allerdings mit der Ablehnung und Empörung durch die adligen Standesgenossen rechnen.