Gewerbestrategie: Intensive Diskussionen zum "Herdweg" und Fluggelände bei Baisingen im Ortschaftsrat Ergenzingen
Vor dem Bürgerentscheid am Sonntag zum Gewerbegebiet bei Kiebingen sind auch im Ortschaftsrat Ergenzingen die Emotionen noch einmal hochgekocht. Denn auch dort gibt es Befürworter und Gegner.
Rottenburg-Ergenzingen. In der Bürgerfragestunde monierte Marlene Fischer, dass im Wahlprospekt der Stadt, den sonntäglichen Bürgerentscheid betreffend, unter anderem stehe, dass man mit Nein stimmen solle, weil die die Landwirte vom Gäu auch Flächen für Gewerbegebiete abgegeben hätten.
Sie habe den Eindruck, man wolle den Ergenzingern vermitteln, wenn das Gewerbegebiet Herdweg in Rottenburg komme, dann hätten die Ergenzinger ihre Ruhe, so Fischer. Dem sei aber nicht so, denn gleichzeitig sehe die Strategie der Stadt auch vor, auf dem Flugplatzgelände bei Baisingen weitere 40 bis 60 Hektar (zusammen mit der Gemeinde Eutingen) zu erschließen. Das bedeute neben möglichen klimatischen Veränderungen für das neue Baugebiet "Öchsner" auch weitere Hochwassergefahr für die tieferen Lagen. Fischer ließ außerdem später noch durchblicken, dass sie in Sachen künftiges Gewerbegebiet auf dem Flugfeld bei Baisingen unter Umständen bereit sei, eine Bürgeraktion zu starten. Ihre abschließende Frage an den Ortsvorsteher lautete dann: "Was macht ihr Ortschaftsräte, um unseren Ort zu schützen?" Dazu der Ortsvorsteher: Die Gewerbestrategie Herdweg habe Gründe. Unter anderem auch, den Druck von weiterem Flächenverbrauch in Ergenzingen zu nehmen. Es könne nicht sein, dass Ergenzingen allein die Lasten künftiger Gewerbeansiedlungen trage. Was das Flugfeld bei Baisingen betreffe, so seien die Überlegungen, dort Gewerbe anzusiedeln, schon immer da gewesen, so Baur. Es sei auch noch nicht klar, ob dieses Gebiet im Regionalplan seinen Niederschlag finde. Der Ortschaftsrat in Baisingen habe für dieses Gebiet plädiert. Ergenzingen habe da keine Kompetenz. Der Ergenzinger Ortschaftsrat sehe eine Gewerbeansiedlung auf dem Flugfeld kritisch und befürworte diese auch nicht, so Baur. Was die Hochwassergeschichte im Göttelfinger Tal angehe, so habe es intensive Untersuchungen (bezüglich eines Jahrhunderthochwassers) gegeben. Das Ergebnis sei, dass selbst dieses mit dem bestehenden Becken aufgefangen werden könne.
Damit war die Debatte zur Gewerbestrategie nicht beendet. In die Kritik geriet in der Ortschaftsratsitzung Rätin Irmgard Kussauer (Bürger für Ergenzingen). Der Fraktionsvorsitzende von CDU und Unabhängigen, Rudolf Schäfer, warf ihr vor, für das Kiebinger Aktionsbündnis "Ja" tätig zu sein.
Er verwies auf eine gemeinsame Erklärung des Ortschaftsrats zum Thema Gewerbestrategie. Diese sei auf Antrag der BFE (Bürger für Ergenzingen) von beiden Fraktionen erarbeitet und nach eingehender Erörterung als gemeinsames Statement veröffentlicht worden. In diesem Statement habe man den Beschluss des Rottenburger Gemeinderats, die Aufnahme eines kernstadtnahen Gewerbegebiet in den Regionalplan zu beantragen, als positiv bewertet. Damit wurde gleichzeitig die Hoffnung verbunden, dass der Druck auf das Gewerbegebiet "Ergenzingen Ost" reduziert werde. Weiterhin solle es kernstädtischen Unternehmen möglich sein, sich dort weiterzuentwickeln oder anzusiedeln.
Seitens des Ortschaftsrats wurde zudem die Erwartung verbunden, dass sich andere Stadtteile von Rottenburg solidarisch mit Ergenzingen zeigen, zumal die gesamte Last der Gewerbeansiedlungen nicht allein von Ergenzingen getragen werden könne. Durch die Tatsache, dass Kussauer für das Aktionsbündnis tätig sei, könne man diese Erklärung nicht mehr als gemeinsames Statement sehen, so Schäfer: "Hätte Kussauer gleich offen ihre Meinung kund getan und sich positioniert, dann wäre uns einiges an Arbeit erspart geblieben." Er habe keinerlei Verständnis für Kussauers Verhalten: Bei einem Sieg des Kiebinger Aktionsbündnisses am Sonntag wäre eine Mehrbelastung für das Gewerbegebiet Ergenzingen Ost vorprogrammiert. Die in die Kritik geratene Rätin wehrte sich: "Ich habe mit vielen Bürgern gesprochen, die wissen ja gar nicht, was da abläuft." Sie äußerte sich nicht im Detail, meinte aber wohl eine künftige Gewerbeansiedlung auf dem Flugfeld bei Baisingen.
Allerdings dürfte der Rätin der Beschluss des Gemeinderates vom 20. März, der vorsieht, das Flugfeld Baisingen in den Regionalplan aufzunehmen, bekannt gewesen sein. Dazu Stephanie Dambacher (CDU und Unabhängige): "Die Fakten sind alle schon bei der Verfassung unseres Statements bekannt gewesen. Daran hat sich bis heute nichts geändert." Die Frage warum sie sich gegen ein Gewerbegebiet im Herdweg wehre, der ja gar nicht zu Kiebingen gehöre, konterte Kussauer mit der Antwort "der Herdweg ist für mich Kiebingen".
Mit ihrem Engagement vertrete sie auch die klare Meinung Ergenzinger Bürgerinnen und Bürger. Außerdem gebe es bei den BFE keinen Fraktionszwang. Diesen gebe es bei CDU und Unabhängigen auch nicht, so Hannelore Renz, die für ihre Liste ebenfalls in Anspruch nahm, sich für das Wohl der Ergenzinger Bevölkerung einzusetzen.
Cornelia Ziegler-Wegner (BFE) nahm dann letztlich Dampf aus dem Kessel. Sie bestätigte die Thesen des Ortschaftsrats und dessen gemeinsam ausgehandelte Positionen mit einer Ausnahme: "Wir haben uns gemeinsam für ein kernstadtnahes Gewerbegebiet ausgesprochen, aber nicht ausdrücklich für den Herdweg." Ansonsten dürfe in ihrer Fraktion jeder seine Meinung sagen, einen Zwang gebe es nicht. Bezüglich des Flugfeldes in Baisingen habe man allerdings noch kein gemeinsames Statement verfasst. Ziegler-Wegner verlieh der Hoffnung Ausdruck, dass nach dem sonntäglichen Bürgerentscheid die Emotionen herunter gefahren würden und wieder Friede sei.