Mit Plakaten und coronakonform maskiert: Bei der Einfahrt zum Balinger Schlachthof stehen Aktivisten von Rottenburg Animal Save. Foto: Ungureanu

An der Einfahrt zum Balinger Schlachthof brennt ein Grablicht, am Straßenrand stehen Menschen mit Plakaten. Marco Colicchio hält ein Schild hoch, darauf steht: "Es gibt kein Fleisch von glücklichen Tieren, nur von toten". Aktivisten von Rottenburg Animal Save hatten sich am Sonntagabend zu einer Mahnwache aufgestellt – zum ersten Mal in Balingen.

Balingen - Sie seien keine Tierschutzorganisation, sagt Colicchio, sondern Tierrechtler: "Tiere haben das Recht zu leben. Und die Tiere, die heute hier angeliefert werden, betrauern wir. Sie sind Opfer des Spezizismus." Es gehe um die moralische Diskriminierung von Lebewesen ausschließlich aufgrund ihrer Artzugehörigkeit. "Wenn die Schlachthäuser Glaswände hätten, wäre jeder vegan", heißt es auf einem Plakat. "Ich will leben, Fleisch ist Mord" auf einem anderen.

Seine Mitstreiter dokumentieren das Geschehen für die sozialen Netzwerke, filmen und fotografieren mit ihren Handys. Alle Menschen sollten verstehen, dass man auch ohne tierische Nahrung leben kann. Nämlich vegan. Das sei eine Lebenseinstellung, sagt Hanna, die ein kleines Schild mit den Worten "Rest in peace" hält – "Ruht in Frieden".

Ihnen gehe es nicht nur darum, auf Fleisch zu verzichten, sondern auch auf Leder, Tierversuche, Milch und Eier. Dabei müsse man keine Abstriche machen, "denn es gibt für alles einen Ersatz".

Und wie sieht es bei den Landwirten aus, die von der Tierzucht leben? "Man kann sein Leben auch ändern. Wir bieten Begleitung zur veganen Landwirtschaft an. Und Lebenshilfe." Zum Beispiel durch BeVeLa. Schon manch ein Betrieb sei erfolgreich umgestellt worden. Gleichzeitig betont Colicchio, dass seine Organisation "absolut friedlich" sei: "Wir sind zum Trauern da. Zum Abschiednehmen."

Gespräch kommt nicht zustande 

Am Sonntagabend wird in Balingen Schlachtvieh angeliefert, denn am Montag wird geschlachtet. Eins nach dem anderen rollen die Fahrzeuge mit den Tiertransport-Anhängern auf den Hof. Für manch ein Tier, sagt Hanna, sei es das einzige Mal, dass es Tageslicht sehe. Man habe versucht, mit den Landwirten ins Gespräch zu kommen. Erst habe es geheißen, dass manch einer bereit sei, mit ihnen zu reden. Aber dann habe man die Mitteilung bekommen, es gehe doch nicht.

Es gebe Parteien, sagt Marco Colicchio, die würden sich für den Umweltschutz stark machen. "Sie verstehen nicht, dass die Massentierhaltung zur Klimaveränderung beiträgt. Und zu den Pandemien. ›Tierwohl‹ ist ein Unwort."

Die Primaten, sagt er, von denen der Mensch abstamme, seien Vegetarier gewesen. Der Mensch könne Gemüse und Obst "super verdauen". Wenn man Milch trinke, sagt eine andere Demo-Teilnehmerin, vergesse man, dass die Kühe schwanger sein müssten, um Milch zu produzieren. Die Milch, die man trinke, nehme man den Kälbern weg. Von Hormonen und Antibiotika ganz zu schweigen.

Tierquälerei? Keineswegs

Es gelte Meinungsfreiheit, sagt Karl Binder. Und jeder habe in Deutschland das Recht, zu demonstrieren. "Aber es hat auch jeder das Recht, zu essen, was er will." 25 Jahre hat Karl Binder im Schlachthof in Rottweil gearbeitet, 20 Jahre in Balingen, wo er Geschäftsstellenleiter war. Heute ist er im Ruhestand. Sein Sohn führt die Einrichtung an der Hindenburgstraße 47, die vor drei Jahren von der Firma Färber übernommen worden ist. Tierquälerei? Keineswegs, versichert er. Gerade jetzt seien 150 Schweine im Stall. "Sie sind ruhig. Sie haben Futter da. Jetzt schlafen sie." Einen regionalen Schlachthof, sagt er, brauche man. Auch um Massentiertransporte über weite Distanzen zu vermeiden. Die Zukunft des städtischen Schlachthofs? Ungewiss, sagt er. Was er weiß: Die Firma Färber wäre bereit, den Schlachthof von der Stadt zu kaufen, "zu einem angemessenen Preis". Und den Schlachthof zusammen mit regionalen Metzgern zu betreiben.