Oberbürgermeister Stephan Neher und Bürgermeister Hendrik Bednarz (Zweiter und Dritter von links) verfolgen den Wahlausgang zum Bürgerentscheid über das kernstadtnahe Gewerbegebiet. Foto: Baum Foto: Schwarzwälder Bote

Bürgerentscheid: Mehr als zwei Drittel stimmen in Rottenburg gegen ein kernstadtnahes Gewerbegebiet Herdweg/Galgenfeld

Das Ergebnis beim Bürgerentscheid in Rottenburg fiel eindeutig aus: 69,6 Prozent der Stimmen waren gegen ein Gewerbegebiet Herdweg/Galgenfeld. Die Stadtverwaltung möchte trotzdem weiter nach einer Möglichkeit für ein kernstadtnahes Gewerbegebiet suchen.

Rottenburg. Feierlaune bei den einen, ernste und traurige Gesichter bei den anderen – der Bürgerentscheid am Sonntag und die Ablehnung des geplanten Gewerbegebietes Galgenfeld/Herdweg stießen nicht nur auf Zustimmung und spalteten die Gemüter.

Eine Mehrheit gegen das geplante Gewerbegebiet gab es in allen Wahlbezirken sowie Stadtteilen. Zwei Stadtteile hatten dabei auffällige Ergebnisse: Ergenzingen und Kiebingen.

In Ergenzingen stimmten lediglich 55 Prozent gegen das Gewerbegebiet, 45 dafür, bei einer Wahlbeteiligung von gerade mal 23 Prozent, weniger Berechtigte gingen nur in Hailfingen (20 Prozent) zur Wahl. Der Grund für dieses Ergebnis könnte sein, dass sich auf Gemarkung Ergenzingen bereits die beiden Gewerbegebiete Ergenzingen-Ost und Höllsteig befinden und einige Ergenzinger Bürger deshalb dafür sind, auch mal ein Gewerbegebiet auf anderer Gemarkung realisiert zu sehen.

Ganze 95 Prozent stimmten in Kiebingen mit Ja und damit gegen das geplante Gewerbegebiet. Die Wahlbeteiligung betrug in dem Stadtteil 54 Prozent – der höchste Wert aller Wahlbezirke und Stadtteile. Das Ergebnis ist wenig überraschend, war der Widerstand gegen das Gewerbegebiet Herdweg/Galgenfeld in Kiebingen doch mit am größten und lautesten.

In der Kernstadt stimmten 69 Prozent gegen das Gewerbegebiet, was in etwa dem Gesamtergebnis entspricht. In den restlichen Stadtteilen rangiert der Wert der Stimmen gegen Herdweg/Galgenfeld zwischen 59 Prozent (Frommenhaus) bis 78 Prozent (Bieringen). Bei der Briefwahl, die insgesamt rund ein Viertel der Gesamtanzahl an Stimmen ausmachte, waren es 67 Prozent, die mit Ja stimmten. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 42 Prozent.

Für Oberbürgermeister Stephan Neher war die Ausgangslage des Bürgerentscheids klar: "Wie es weitergehen wird, müssen wir in aller Ruhe überlegen und anschauen." Der Gemeinderat und die Verwaltungsspitze sei jetzt mit vernünftigen, überlegten Reaktionen am Zug.

Die Argumente pro Gewerbegebiet Galgenfeld und auch das positive Gutachten zur Gewerbestrategie seien mit dem Bürgerentscheid aber nicht aus der Welt geräumt. Man müsse jetzt trotzdem den Handwerkern und Gewerbebetrieben Möglichkeiten zur kernstadtnahen Erweiterung oder Ansiedlung geben. "Hier müssen wir als Gemeinderat Antworten haben", sagte Neher. Man könne auch nicht auf freie Flächen in Siebenlinden verweisen, einfach deshalb, weil sich dies nicht in städtischer Hand befinde: "Wir sind aber durch den Entscheid gebunden, die große Mehrheit sagt Nein zu einem Gewerbegebiet Herdweg/Galgenfeld." Jetzt müsse man in der Ähneshalde schauen, wie groß die Vor- und Nachteile für ein Gewerbegebiet an dieser Stelle sind. Eventuell könne man dort sinnvoll Gewerbeflächen entwickeln. Hier würde es nun erste Vorplanungen geben, die dem Gemeinderat zur Abstimmung vorgelegt würden.

In Höhe bauen geht nicht

2019 wird der Regionalverband Neckar/Alb seine eigene Gewerbestrategie beschließen, bis dahin wolle man als Stadt Rottenburg ebenfalls erste Planungen an den Regionalverband geben können. Neher betonte, dass die Diskussion um ein kernstadtnahes Gewerbegebiet demokratisch geführt werden müsse.

Zu dem Vorschlag von Volkmar Raidt, flächenschonend in die Höhe zu bauen, mit zehn bis zwölf Stockwerken, erklärte Neher, dass dies in Rottenburg nicht machbar sei: "Wir sind eine Kleinstadt und keine Metropole, hier gibt es in den Gewerbegebieten Höhenbegrenzungen und maximal zwei oder drei Geschosse." Das weitere Prozedere müsse demokratisch entschieden werden.

Anders hingegen sah es Kiebingens Ortsvorsteher Thomas Stopper. Über das Ergebnis der Wahl sei er sehr froh: "Wir freuen uns beim Aktionsbündnis, dass alle Wahlbezirke gegen das Gewerbegebiet Galgenfeld gestimmt haben." Dies zeige, dass die Bürger derselben Meinung wie die Vertreter des Aktionsbündnisses seien. Der Bürgerentscheid sei zu Recht erfolgt. Es zeige, dass man nicht über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden könne. Der Bürgerentscheid sei auch ein klares Votum gegen die Politik der Verwaltungsspitze: "Man muss die Bürger einfach mit ins Boot holen", meinte Stopper. Nun hoffe man auf eine Korrespondenz mit der Stadt. Man müsse Alternativen auch auf Kiebinger Gemarkungen prüfen, etwa im ehemaligen Queck-Areal, in der Nähe des Neckars oder an anderer Stelle in der Stadt. Die Frage sei auch, ob ein kernstadtnahes Gewerbegebiet wirklich so groß sein müsse. "25 Hektar müssten sicherlich nicht ausgewiesen werden", sagte Stopper.

Ähneshalde in Diskussion

Ergenzingens Ortsvorsteher Reinhold Baur zeigte sich erfreut, dass die Bürger mit entscheiden konnten, auch wenn die Entscheidung nicht so ausgefallen sei, wie es sich die CDU erhofft habe. In Ergenzingen rede der Ortschaftsrat in Sachen Gewerbegebiet Ergenzingen-Ost mit, er entscheide auch in Kooperation mit der Stadt. Bislang wurden in 20 Jahren Gewerbegebiet Ergenzingen-Ost rund 20 Anfragen abgelehnt, einfach weil zu wenig Arbeitsplätze entstanden wären oder aus anderen Gründen. In Ergenzingen seien nur Firmenwünsche berücksichtigt worden, die mehr als 50 Arbeitsplätze schaffen konnten, auch bei den Bergfreunden. Hier seien mittlerweile 105 Personen beschäftigt, davon arbeiten 95 in Vollzeit. Die Gewerbestrategie der Stadt sei die richtige Antwort auf Ansiedlungswünsche gewesen. Jetzt müsse sich der Gemeinderat Gedanken machen, wie es nun weitergeht. In der Diskussion seien ja noch die Ähneshalde und ein Gewerbegebiet Flugfeld in Baisingen.

Klares Ergebnis

Baisingens Ortsvorsteher Horst Schuh, der auch Fraktionssprecher der CDU ist, betonte, dass die Mehrheit klar gegen Herdweg/Galgenfeld gestimmt habe. Der Gemeinderatsbeschluss wurde gekippt. Bedauerlich sei die seiner Meinung nach durchweg niedrige Wahlbeteiligung gewesen – auch in Baisingen. Kiebingen habe "nur" 54 Prozent seiner Wähler mobilisieren können. Klare Aufgabe der Stadt sei es, trotz des Bürgerentscheids, für kernstadtnahe Arbeitsplätze in Gewerbebetrieben zu sorgen. Bei der Ähneshalde gebe es Vorbehalte aus Naturschutzgründen. "Die gibt es aber bei allen Vorhaben, auch bei Wohnbaugebieten", weiß Schuh aus Erfahrung. Die Gegner seien derzeit emotional sehr stark bei der Sache, daher hofft Schuh, "dass Diskussionen versachlicht werden können."

Margarete Nohr (SPDFraktionsvorsitzende) betonte anerkennend, dass das Votum ein "klarer Erfolg für das Aktionsbündnis" sei. Sie selbst sei froh über das klare Ergebnis, auch wenn es nicht ihrer Meinung entspreche. Man könne Betriebe sicherlich auch anderswo stadtnah unterbringen. Gräben seien aufgerissen worden, nun gelte es nicht zuletzt, "die Wogen zu glätten". Der in der vergangenen Zeit herrschende aggressive Ton der Diskussion wurde von Nohr stark kritisiert.

Volkmar Raidt als Stadtrat und betroffener Landwirt sagte, er sei froh, dass er nun aufgrund des aufgehobenen Baustopps in die Zukunft seines Betriebes investieren könne. Es habe eine Veränderungssperre auf den betroffenen Flächen gegeben, diese sei nun hinfällig. Auch bleibe die Naturfläche nun für kommende Generationen erhalten. Er sei froh, dass der Bürgerentscheid jetzt vorbei sei, da die Zeit eine psychische Belastung für ihn als Betroffenen gewesen sei. Er hofft, dass das Nein zum Galgenfeld/Herdweg ein Signal sei für die Stadt, dass es wie bisher nicht mehr weitergehen könne. Wenn die Verwaltung nun die Ähneshalde weiter forciere, habe sie nichts dazugelernt. Denn der Bürger lehne die Gewerbestrategie ab. Es dürfe kein "weiter so" geben. Die Bürger seien mit der Vorgehensweise der Stadt nicht einverstanden. Man müsse jetzt neue Wege beschreiten.