Elmar Bux sieht das Ende des Kinos noch nicht gekommen. Foto: Müssigmann Foto: Schwarzwälder Bote

Interview: Besitzer des Waldhornkinos fürchtet nicht um die Zukunft der Branche / Liveübertragungen könnten wichtiger werden

Rottenburg. Immer wieder gelobt und ausgezeichnet – und von den Besuchern wegen des nostalgischen Flairs geliebt: Wer ins Waldhornkino in Rottenburg kommt, steigt erst die knarzende Holztreppe hinauf und bekommt dann eine einfache Eintrittskarte von der Rolle. Doch das Programm ist nah am Puls der Zeit, die Technik modern. Wie sich Film- und Serienabonnements im Internet aufs Kino auswirken und warum die Menschen trotzdem noch gerne vor der Leinwand sitzen, erzählt der Macher des Waldhornkinos Elmar Bux (58) im Interview.

Herr Bux, zu Hause kann man im Monats-Abo über sogenannte Streamingdienste Filme und Serien ohne Ende schauen. Warum soll da noch jemand ins Kino kommen?

Ich schau auch gerne Netflix, das ist nicht das Problem. Ich bringe gerne den Vergleich: Jeder hat eine Küche daheim, die Leute gehen aber trotzdem ins Restaurant. Man will in Gesellschaft sein, was unternehmen. Das wird so bleiben. Einsamkeit wird immer eine Herausforderung für unser Dasein bleiben. Ich glaube deshalb nicht, dass Kino gefährdet ist. Streaming ist einfach eine neue Herausforderung.

Und die wird das Kino meistern?

Früher sah sich das Kino zuerst durchs Fernsehen, dann von DVD-, später Blue-Ray-Filmen bedroht – bisher hat man alle Angriffe abgewehrt. Die Filmförderungsanstalt hat außerdem eine Studie vorgestellt, wonach Leute, die viel streamen, auch viel ins Kino gehen. Ein Problem sehe ich eher darin, dass gute Drehbuchautoren und Schauspieler inzwischen lieber für Streamingdienste arbeiten und drehen als fürs kürzere Kinoformat. In Serien kann man ganz anders erzählen und die Autoren können sich dort total entfalten. Das große amerikanische Erzählkino wird deshalb auch nicht mehr so gepflegt.

Wie entwickeln sich denn die Besucherzahlen in den Kinos – und im Vergleich dazu bei Ihnen?

Insgesamt sind die Besucherzahlen stark zurückgegangen. Im Jahr 2017 waren bis Anfang Mai 42,3 Millionen Menschen im Kino, dieses Jahr waren es erst 34,4 Millionen. Das entspricht einem Rückgang von fast 19 Prozent. Im Sommer haben wir die Fußball-WM, da kommen vermutlich auch weniger Leute ins Kino als im Vorjahr. Bei uns sieht das noch mal anders aus. Wir hatten zuletzt nur einen Rückgang von rund vier Prozent – von 38 600 Besuchern 2016 auf 35 500 Besucher 2017.

Warum stehen Sie besser da als andere Kinos?

Unser Ambiente ist total wichtig. Es puffert Marktentwicklungen ab. Andererseits ist es auch normal, dass Besucherzahlen von Jahr zu Jahr um 10 bis 15 Prozent schwanken. Das hängt auch von den Filmen ab. Schön ist zum Beispiel, dass der Film "Weit" so gut lief, übrigens der beste Film seit jeher hier im Waldhorn mit über 45 000 Besuchern.

Die Dokumentation einer Weltreise, erzählt und gedreht von einem jungen Paar, das im Lauf der Reise sogar ein Kind bekommt. Warum kam der immerhin über zwei Stunden lange Film so gut an?

Der Film ist ein Phänomen. Er zeigt, wie gastfreundlich die Menschen auf der Welt sind. Wenn man ihn gesehen hat, glaubt man wieder an die Menschheit und an das Gute in der Welt.

In der Unterhaltungsindustrie jagt eine Entwicklung die andere. Welche Technik können Sie in ihrem nostalgischen Kino überhaupt umsetzen?

Wir haben moderne Technik, arbeiten nicht mehr mit Filmrollen, sondern mit Festplatten. Die Digitalisierung der Kinos ist weitgehend abgeschlossen. Man braucht diesen Standard. Was wir nicht bieten können, ist zum Beispiel Dolby Atmos – ein neues Beschallungssystem mit besserer Raumbeschallung. Wir haben ein denkmalgeschütztes Gebäude und können nicht überall Lautsprecher einbauen. Ich bin aber sowieso der Meinung, dass man Effekte nicht zu sehr ausnutzen sollte, das Wichtigste sind immer noch die Filminhalte.

Kino direkt auf der Nase: Könnten Virtual Reality Brillen das Kinoerlebnis in den nächsten Jahren verändern?

Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Das macht man eher, wenn man alleine ist.

Wer ist der typische Kinobesucher im Waldhorn?

Frauen zwischen 40 und 60 Jahre alt, die manchmal ihre Männer mitbringen.

Sterben Ihnen die Besucher dann in den nächsten Jahrzehnten nicht weg?

Ich denke nicht. Wie gesagt, die Menschen werden weiterhin Lust auf das gemeinsame Filmerlebnis haben.

Was wird sich am Kino in den nächsten Jahren aus Ihrer Sicht verändern?

Kinos erkennen immer mehr den Trend zur Live-Übertragung. In Freiburg zeigt ein Kollege Opern live, da kommen die Leute in Gala-Garderobe ins Kino und sehen für 30 Euro die Oper an. Für mein Programm wäre das im Moment zu viel, das könnte sich aber in der Branche etablieren.   Die Fragen stellte Lena Müssigmann