Polio-Viren sind in Abwässern westlicher Metropolen gefunden worden. Davor schützt nur die Impfung, betonen die Mitglieder des Rotary-Clubs Ebingen-Zollernalb.
Albstadt-Ebingen - "Nur Impfen schützt" lautet der Slogan, mit dem der Rotary Club für eine Impfung gegen die Kinderlähmung wirbt. Aus gutem Grund: In Abwässern im US-Bundesstaat New York, in der Region London und in Israel sind Polio-Viren gefunden worden, aber nur in New York sei bisher ein Krankheitsfall bekannt, erklärt Hans Pfarr, Alt-Oberbürgermeister von Albstadt (Zollernalbkreis), der über viele Jahre Polio-Beauftragter des Rotary Clubs Deutschland war.
Kranke und ihre Kontakte zu isolieren, sei einfacher, mahnt Pfarr, und so gelingt es der Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit vielen Jahren immer wieder, den Ausbruch der Kinderlähmung lokal zu begrenzen. Woher und von wem die Viren im Abwasser stammten, sei jedoch nicht auszumachen, sagt Pfarr. Wer nicht geimpft sei und sich in einer der drei Regionen aufhalte, sei also potenziell gefährdet, sich mit Polio anzustecken. Und wer weiß, wo noch. Denn nicht überall werde Abwasser auf Polio-Viren untersucht – in Deutschland zum Beispiel nicht.
Grausam ist und bleibt die Kinderlähmung
Wie grausam die Kinderlähmung ist und dass sie eben nicht nur Kinder betrifft, wissen Pfarr, Axel Pflanz und der aktuelle Präsident Andreas Mebold vom Rotary Club Ebingen-Zollernalb von Betroffenen aus dem Zollernalbkreis. Bei ihnen komme im Alter oft das schmerzhafte Post-Polio-Syndrom hinzu.
"Baden-Württemberg ist Schlusslicht, was die Impfrate gegen Kinderlähmung angeht", mahnt Pfarr, der sich seit dem Rotary-Weltkongress 1987 intensiv mit dem Thema beschäftigt. Eine hohe Durchimpfungsrate aber sei wichtig, um die Krankheit endlich auszurotten.
Gates-Stiftung verdreifacht jeden Spenden-Dollar
Das ist seit 1987 das Ziel der Rotarier, bei dem die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung sie unterstützt: Mindestens 50 Millionen US-Dollar pro Jahr muss Rotary International an Spenden sammeln – dann legt die Gates-Stiftung 200 Prozent drauf, verdreifacht also jeden Spenden-Dollar.
Eingesetzt wird das Geld vor allem bei Impfaktionen in Ländern, die noch als polio-endemisch gelten: Afghanistan und Pakistan, wo es für die Impf-Teams schon aus topographischen und bürokratischen Gründen besonders schwierig ist, alle Menschen zu erreichen. Immerhin: "Die Taliban sind sogar für die Impfungen", sagt Pfarr. "5000 Frauen in Afghanistan transportieren das Thema dort jetzt ganz offiziell", und ohne Frauen funktioniere es nicht, Mütter vom Vorteil einer Impfung ihrer Kinder zu überzeugen. "Bei den Impf-Kampagnen im Zuge der Coronavirus-Pandemie konnte die WHO auf den Erfahrungen mit den Polio-Impfkampagnen aufbauen", betont Pflanz.
"Das nächste Polio-Virus lauert nur eine Flugreise entfernt"
In Ländern wie Indien und zuletzt in Nigeria war es in den vergangenen Jahren gelungen, Kinderlähmung auszurotten. Seit August 2020 gilt Afrika als Polio-frei – einen späteren Ausbruch konnte die WHO lokal begrenzen und stoppen. "Das nächste Polio-Virus lauert aber nur eine Flugreise entfernt", mahnt Pfarr. Sich in Europa – seit 2002 offiziell Polio-frei – sicher vor dem Virus zu fühlen, sei trügerisch. Was ihm Sorge bereitet: "Längst nicht mehr alle Hausärzte führen Buch über den Impfstatus ihrer Patienten. Deshalb liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, alle zehn Jahre die Impfung auffrischen zu lassen." Zum Welt-Polio-Tag am 28. Oktober bringt der Rotary-Club deshalb erneut Briefmarken heraus, die an die Wichtigkeit der Impfung erinnern, und von denen 55 Cent in den Kampf gegen die Kinderlähmung fließen – verdreifacht von der Gates-Stiftung.