In der Schluss-Szene schwingt sich die von Rache getriebene Armida in die Lüfte. In der Rolle der Protagonistin überzeugte Sopranistin Ruth Iniesta auf der Trinkhallen-Bühne. Foto: Ferenbach

Kämpfe um Ruhm und Ehre und die Rache einer zutiefst gekränkten Frau: Mit der umjubelten Premiere der Oper "Armida" startete das diesjährige Festival "Rossini in Wildbad" fulminant.

Bad Wildbad - Mit einer umjubelten konzertanten Aufführung der Oper "Armida" startete das Belcanto-Opera-Festival "Rossini in Wildbad" am Freitagabend in der nahezu ausverkauften Trinkhalle. Die Magierin und Thronfolgerin von Damaskus wird darin in ihrem Plan, das Jerusalem belagernde Franken-Heer zu schwächen, und in ihrer erwiderten Liebe zu Kreuzritter Rinaldo betrogen. Am Ende der Kämpfe um Ruhm, Ehre und Liebe lässt die zutiefst gekränkte Armida ihrer Rache freien Lauf.

Sieht man von Jacques Offenbachs Minioper "Monsieur Offenbach chez Rossini" einmal ab, kommen beim diesjährigen Opernfestival "Rossini in Wildbad" ausschließlich Opern Gioachino Rossinis zur Aufführung. Alle drei Werke haben als Titel den Namen jener Frauenfiguren, die darin auch die tragende Rolle spielen. Den Auftakt machte am Freitagabend in der Trinkhalle die ernste Oper "Armida", die unter der musikalischen Leitung von José Miguel Pérez Sierra konzertant aufgeführt wurde. Am Samstagabend folgte die Premiere von "Ermione", am Sonntagabend die Inszenierung der "Adina".

Drei Opern zu Beginn

Hintergrund sei, so Reto Müller in seiner Einführung zur "Armida"-Premiere, dass für eine Rossini-Gesamtausgabe des das Festival seit langem begleitenden Musikverlages Naxos diese drei Opern als Aufnahmen noch fehlen würden. Die besonderen Herausforderungen der diesjährigen Spielzeit sind die Verdichtung des Programms auf zehn Tage und die Besetzung der Opernrollen, in der die wenigen dominierenden Frauen von vielen Männern, insbesondere Tenören, umgeben werden. Letztere ist Intendant Jochen Schönleber in der 1817 im Teatro San Carlo in Neapel uraufgeführten Zauberoper mit ihren sechs Tenören und einer einzigen weiblichen Rolle meisterhaft gelungen.

Dank der jahrelangen Fokussierung auf hochkarätigen künstlerischen Nachwuchs, auch mit der Akademie BelCanto, kann der Intendant hier im Hinblick auf unterschiedliche Klangfarben und Charaktere aus dem Vollen schöpfen. Zum einen habe der seit 1815 am San Carlo verpflichtete Rossini die dreiaktige Oper für dessen bereits überaus berühmte Primadonna und spätere Frau des Maestros, Isabella Colbran, quasi auf den Leib beziehungsweise in deren Kehle geschrieben. Zum anderen sollten das sich – unter anderem in einen Zaubergarten – wandelnde Bühnenbild und die umfangreichen Ballettszenen der "Armida" zur Wiedereröffnung des 1816 abgebrannten und innerhalb von acht Monaten wieder aufgebauten Theatergebäudes dem Publikum dessen fortschrittliche Bühnenmaschinerie vor Augen führen, schilderte Müller vor zahlreichen Zuhörern im Forum König-Karls-Bad.

Herausragende Solisten

Die von märchenhafter Sensualität, atmosphärischer Dichte und dem Konflikt zwischen Amor und Rache geprägte Oper entfaltet auf eindrucksvolle Weise die vom Gesang getragene Dramatik in romantischen Tableaus und Utopien. Herausragend dabei die Sopranistin Ruth Iniesta in der Titelrolle sowie Tenor Michele Angelini als ihr Liebhaber Rinaldo, beides versierte und mit Preisen ausgezeichnete Rossini-Interpreten. Sie glänzen unter anderem in gleich drei Liebesduetten, was für Rossini eher ungewöhnlich war. Gefeiert wird Angelini jedoch vor allem im Terzett mit den Tenören César Arrieta (als Kreuzritter Ubaldo) und Chan Wang (als Kreuzritter Carlo) mit nicht enden wollendem Applaus und Bravo-Rufen. Mit seinem strahlenden, durchdringenden Tenor und großer physischer Präsenz schraubt er sich nicht nur stimmlich, sondern auch körperlich in die Höhe und unterstreicht dabei das Heldenhafte seiner Kreuzritter-Rolle.

Der herausragenden, stimmlich anspruchsvollen Primadonnen-Rolle wird Iniesta sowohl in den Monologen und Liebesduetten als auch in den Nummern mit Ensemble und Chor gerecht. Sie beherrscht mit ihrem äußerst beweglichen, glasklaren Sopran und einer die Verführungskünste der Armida widerspiegelnden Gestik und Mimik auf weiten Strecken die Szenerie. Bereits in ihrem ersten Auftritt durchbricht sie den deklamatorisch ihrem Befehlshaber folgenden Paladinen-Chor samt Tenor-Quartett mit ihren wunderschön modulierten Koloraturen. Diese steigern sich im letzten Finale zu einer düsteren Cabaletta einer von Rache erfüllten Zauberin.

Moisés Marin überzeugt als Goffredo, der auch stimmlich versucht, in seinen Entscheidungen als Truppenführer Kontrolle und Pflichtbewusstsein anstelle von Gefühlen walten zu lassen. Demgegenüber steht der auf seinen Rivalen Rinaldo in der Nachfolge des verstorbenen Heerführers Dudone neidische und diesen als Frauenheld verunglimpfende Gernando. Der vielseitige Tenor Patrick Kabongo gibt der dramatischen Figur mit mal innig-weich reflektierender, mal Zorn und Rache heraufbeschwörender Stimmführung die erforderliche Glaubwürdigkeit. Auch die kleineren Rollen sind mit Jusung Gabriel Park (Bassbariton) als Idraote, Magier und König von Damaskus, Manuel Amati als Kreuzritter Eustazio (Tenor) und Shi Zong (Bass) als Astarotte, Anführer der Dämonen, bestens besetzt.

Faszinierende Musik

Musikalisch faszinierte vor allem der zweite Teil nach der Pause, der vom Chor der Furien und der Nymphen sowie den zauberhaften, tänzerischen Melodiebögen des Balletts und den virtuosen "Armida-Variationen" geprägt ist. Die darin aufleuchtenden Soli von Violine, Cello, Horn, Flöte, Oboe und Harfe verstärken die Bilder einer verwunschenen Liebesinsel. Dirigent José Miguel Pérez-Sierra führt das philharmonische Orchester und den Chor aus Krakau zu Höchstleistungen und kostet mit Ausführenden und Publikum gleichermaßen die verblüffenden musikalischen Schöpfungen des die damaligen Konventionen sprengenden italienischen Komponisten aus.

Verdienter Applaus

Entgegen den Befürchtungen des Librettisten Giovanni Schmidt feiert sich hier die Musik selbst in einem perfekten Zusammenspiel und rückt den Genuss des Augenblicks in den Vordergrund. Diesen genießen die Künstler auch beim absolut verdienten Applaus, welchen sie sichtlich gerührt entgegennehmen. Noch einmal ist die szenische Aufführung der Oper "Armida" am Mittwoch, 20. Juli, ab 19 Uhr in der Trinkhalle zu erleben.