Veronika Nadj (links) und Angelika Holweger haben den Lyrikabend im Künstlerhaus gestaltet. Foto: Dillmann Foto: Schwarzwälder Bote

Lyrikabend: Haiku-Lesung mit Angelika Holweger im Rosenfelder Künstlerhaus Nadj&Rabsch

Rosenfeld. Am Lyrikabend im Künstlerhaus Nadj&Rabsch haben sich zahlreiche Zuhörer in die Wirkungswelt der Worte entführen lassen. Wie duftet Regen? "Dieser kurze Regenschauer duftet grün", so die poetische Antwort von Angelika Holweger. Sie ist Mitglied in der Deutschen Haiku-Gesellschaft. Haiku ist eine japanische Kunstform und benötigt nicht viel, um zu wirken: eine Strophe, drei Zeilen, 17 Lauteinheiten.

Holweger rezitiert ihre Zeilen und lässt sie nachklingen: "Abgemäht / Unser Liebesorakel von einst / Gänseblümchen." Sie lässt drei Sekunden verstreichen, bevor sie die Worte wiederholt. Es folgt eine Pause von fünf Sekunden, dann liest sie: "Abendlicht / Wie schnell sie verblüht / Die Wolkenrose." Erneut verstreichen ein paar Augenblicke, bevor die Wiederholung folgt.

Die Zuhörer werden eingebettet in vielfältige Stimmungen, von melancholisch bis alltäglich. Es eröffnet sich ein Raum, in dem die Eindrücke wirken und sich entfalten können.

Trotz zahlreicher Besucher ist jeder für sich. Durch die sensible Atmosphäre wird der eigene Atem und jede kleinste Bewegung bewusst. Das hohe Maß an Stille ermöglicht die Begegnung mit sich selbst – mitten in einer sonst so hektischen und lauten Welt.

Dennoch ist der Lauschende nicht sich selbst ausgeliefert. Er wird nicht zurückgelassen, sondern immer wieder mit neuen Eindrücken abgeholt wie: "Spät abends / Nichts als die Amsel / Lange in mir." Pause.

Die Kirsche auf der Sahnetorte zeigt sich in den "leisen Liedern" von Veronika Nadj. Durch sie wird der Lyrikabend erst vollkommen. Die Klänge in leidenschaftlichem Italienisch, Spanisch und Portugiesisch schenken dem Zuhörer den Grad der Selbstvergessenheit, den er durch das Haiku loslassen konnte. Nadjs authentische und volle Stimme lässt in jedem Ton eine eigene Geschichte mitschwingen. Ein Zuhörer zeigt sich jedes Mal so ergriffen, dass er die Hände erhebt, um sie dann wieder still sinken zu lassen.

Beifall darf erst nach der Lesung geben, damit die Atmosphäre nicht gebrochen wird. Um so begeisterter applaudieren die Zuhörer am Ende. Alle sind nach der Veranstaltung zu selbstgemachtem Gebäck von Holweger und angeregten Gesprächen eingeladen. Dazu gibt es Wasser und Wein.