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Das Fernsehen zeigt Afrika nur aus zwei Perspektiven: als Armutshölle oder Liebeshimmel.

Stuttgart - Das Fernsehen zeigt Afrika nur aus zwei Perspektiven: als Armutshölle oder Liebeshimmel. Romanzen wie "Meine Heimat Afrika" mit Christine Neubauer, die an diesem Dienstag in der ARD läuft, zeigen Deutsche meist als selbstlose Freunde folkloristischer Schwarzer.

Denkt er an Afrika in den Medien, bleibt Binyavanga Wainaina nur Galgenhumor: "Zeigen Sie niemals das Bild eines modernen Afrikaners", rät der kenianische Schriftsteller. "Verwenden Sie stattdessen eine Kalaschnikow, hervortretende Rippen, nackte Brüste." Und er hat ja recht: Westlern kommen bei Afrika meist nur Krankheit und Kriege, Rhythmus und Riten, Tiere und Tote in den Sinn. Oft wird der Kontinent auf ein einziges Land reduziert. 48 Einzelstaaten zum Trotz.

Wenn Schauspielerin Christine Neubauer also heute "Meine Heimat Afrika" besingt, meint sie eigentlich Namibia. Wo, denkt die Degeto, ist schon der Unterschied zu Nachbarländern? Dreimal verlor Neubauer als Ärztin in TV-Filmen bereits ihr Herz an den Erdteil. Wenn das ZDF ins alte Deutschsüdwest reist, ist die Soko Leipzig "Verloren in Afrika". Katja Flint erlebte bei der ARD "Stürme in Afrika" statt am Kap, wo Wolke Hegenbarth bald "Im Brautkleid durch Afrika" rennt. Verlorene Herzen im Sturm der Savanne. Das zieht immer.

Schließlich ist Afrika die ideale Projektionsfläche fürs Fernweh. So weit, so schön, so wild, dass ein Wettstreit um die meisten Drehs vor Ort entbrannt ist. Afrika steht eben für Abenteuer, Exotik - und leichten Schauder. Man fährt im ZDF-"Traumschiff" nach Botswana, folgt Sophie Schütt zum Liebefinden nach "Afrika - wohin mein Herz mich trägt" und wieder der Neubauer auf "Eine Farm in Afrika".

Dabei bedient diese Hinwendung nicht nur Stereotypen. Dass so viel in afrikanischen Ländern gedreht wird, hat auch mit Geld zu tun. Obwohl Team und Technik seines Zweiteilers "Gier" nur für ein paar wenige Szenen 10.000 Kilometer weit weg befördert wurden, "war die Arbeit in Südafrika am billigsten", sagt Dieter Wedel. Auch das ZDF lobt die günstigen Löhne am "Boom-Ort des deutschen Films". Mainzer Outsourcing könnte man das Ganze nennen. Die Resultate werden dann zur besten Sendezeit ausgestrahlt. Dahin schaffen es Dokumentarperlen wie "Befreien Sie Afrika!" oder klischeefreie Spielfilme wie "Hotel Ruanda" nie. Weil sich das Publikum nach Feierabend oder nach der Jobsuche lieber berieseln als belehren lässt, taugt Afrika nur dann zur Primetime, wenn seine Probleme ausgeblendet bleiben.

So lässt öffentlich-rechtliche Unterhaltung aufgeblähte Babybäuche ebenso außen vor wie Agrarprojekte äthiopischer Fraueninitiativen. Für Sachthemen gibt's ja den "Weltspiegel" und das Nachtprogramm. Obwohl es auch den 28 Korrespondenten deutscher Medien immer schwerer fällt, ein differenziertes Afrika-Bild zu zeichnen; schließlich sind sie oft für den ganzen Kontinent zuständig. Um 20.15 Uhr zählen weiße Identifikationsfiguren vom netten Farmer bis zum gütigen Kinderheimleiter, umrahmt von Sonnenuntergängen, Safaris und fröhlichen Buschkindern. Und wenn Krieg, Terror, Armut doch mal fiktionalisiert werden, dann auf der sicheren Seite: Der ZDF-Film "Afrika, mon Amour" mit Iris Berben etwa spielt zu einer Zeit, da Schwarze noch als Neger bezeichnet wurden, und macht es sich leicht: Fremdheit und Fernweh vor fast 100 Jahren zu schildern befreit die Filmemacher vom aktuellen Aufklärungsdruck. Wer hielt Schwarze damals nicht für Wilde?

Heute hält man sie eher für niedlich bis wundersam. In deutschen Filmen tauchen meist nur Ureinwohner auf, die akzentfrei Deutsch reden und lustige Bräuche pflegen. Während Tierhändler und Zoodirektor Carl Hagenbeck seine edlen Wilden als das zeigte, was sie vor 100 Jahren waren, als Ausstellungsstücke, verklärt die Romanze die Schwarzen zu Gleichberechtigten, auch wenn sie meist nur Tabletts halten oder Geister vertreiben. Für korrekte Kolonialgeschichte jedenfalls bleibt da so wenig Platz wie für Fortschritte der Gegenwart. Nicht nur das Fernsehen, auch andere Medien "würdigen die positiven Entwicklungen zu wenig", klagt Matthias Mülmenstedt, der Afrikabeauftragte im Auswärtigen Amt.

Um Investoren oder eben Zuschauer nicht zu erschrecken, gibt es Afrika nur als Ort der Extreme oder der Verliebten: im Film als Paradies mit Mängeln, im Feature als Mangel im Paradies.

  • ARD, Dienstag, 20.15 Uhr
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