Haben erst einmal die Lösung für Rohrdorfs Hausarztproblem gefunden (von links): Architekt Fabian Clausen, Rohrdorfs Bürgermeister Joachim Flik und der Nagolder Mediziner Joachim Kurth. Foto: Kunert

Mediziner Joachim Kurth plant Praxis-Außenstelle im Nachbarort. Bereits im Januar soll Neu-Eröffnung sein.

Rohrdorf/Nagold - Da dürfte Rohrdorfs Bürgermeister Joachim Flik ein mächtiger Stein vom Herzen gefallen sein: Nach Schließung der Hausarzt-Praxis von Wolfgang Schlecht im Juni dieses Jahres, für die sich kein Nachfolger fand, hat sich jetzt für die medizinische Versorgung im Ort eine ganz neue Lösung aufgetan.

Und zwar eine Lösung, die irgendwie aus einer gleich "doppelten Not" eine Tugend macht: Denn nicht nur Rohrdorf braucht dringend einen neuen Hausarzt, auch der Allgemeinmediziner Joachim Kurth steckt heuer in echten Schwierigkeiten - wegen absoluter Raumnot in seinem Nagolder Hausarztzentrum. Die Lösung, die beide Probleme mit einem Schlag jeweils deutlich entschärfen dürfte: die Einrichtung einer sogenannten "Nebenbetriebsstätte" des Hausarztzentrums von Kurth eben in Rohrdorf.

Schnell soll es jetzt gehen - mit den Planungen - mit den Genehmigungen - mit dem Start der Praxis-Zweigstelle in Rohrdorf. Architekt Fabian Clausen vom Rohrdorfer Büro Schneider hat die ersten Pläne gezeichnet, nachdem eine spontane Standort-Suche im Ort just genau gegenüber der alten Komturei / dem Rathaus fündig wurde - mit einer Adresse, die wie ein gutes Omen für dieses Projekt klingt: Johanniterplatz 1. Früher ein Friseur-Salon, stimmen hier Größe und die grobe Raumaufteilung für die künftigen Anforderungen als Arzt-Praxis.

Auf insgesamt 110 Quadratmetern sollen (barrierefrei zugänglich) in den nächsten Wochen dort zwei Behandlungsräume entstehen - plus einem "Funktionsraum" für EKG und Sonografie sowie Labor- und Nebenräume. Das reiche für eine geplante ärztliche Grundversorgung von vorerst vier halben Praxis-Tagen pro Woche, an denen je ein Allgemeinmediziner aus dem Pool von Kurths Nagolder Hausarztzentrum in Rohrdorf Sprechstunden anbieten werde. Für weitergehende, aufwendigere Diagnostik werde man auf das Nagolder Praxiszentrum zurückgreifen können. Allerdings sollen in den Rohrdorfer Praxisräumen daneben auch Fachärzte für Gastroenterologie (Magen-Darm plus Leber, Galle, Bauchspeicheldrüse) regelmäßig ihre Sprechstunden abhalten.

Soweit die Vision. Bis es soweit ist, wartet viel Arbeit auf alle Beteiligten. Die ausgesuchten Räume brauchen die Genehmigung für die geplante Umnutzung. Hausarzt Joachim Kurth braucht eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung, seinen Praxisbetrieb nach Rohrdorf hin auszuweiten. Die Praxis selbst braucht nachher eine Genehmigung vom Wirtschaftskontrolldienst, das alles den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Und natürlich braucht’s auch jede Menge guter Handwerker, die die Ideen der Planer und Wünsche der künftigen Praxisbetreiber in die Tat umsetzen - "und freie Handwerker zu finden, ist gerade eine große Kunst". Sagt Schultes Joachim Flik, der hier all sein organisatorisches Geschick aufzubieten verspricht, um den derzeit avisierten Eröffnungstermin im Januar 2020 auch tatsächlich realisieren zu können.

"Es braucht die medizinische Versorgung im eigenen Ort"

Denn Flik macht kein Hehl draus: Seit der Praxis-Schließung von Kollege Schlecht säßen ihm vor allem die Rohrdorfer Senioren im Nacken, die auf eine Hausarztpraxis im eigenen Ort wirklich angewiesen seien. Zwar hätten die Nagolder Praxen viele Patienten aus Rohrdorf "aufgefangen", aber für jene Senioren ohne eigenes Auto, ohne Fahrdienst aus der Familien oder Verwandtschaft, sei das nicht immer eine echte Alternative. Zudem konnten auch noch nicht alle Rohrdorfer Patienten in anderen Praxen untergebracht werden, da gebe es "Wartelisten". Flik: "Viele Senioren sind relativ verzweifelt." Weshalb für ihn klar ist: "Es braucht die medizinische Versorgung im eigenen Ort." Aber da Hausärzte hierzulande immer knapper werden, seien solche Modelle wie dieses jetzt mit einer Außenstelle eines großen Hausarztzentrums die wohl beste Möglichkeit, die entstehenden Versorgungslücken wieder zu schließen.

Für Joachim Kurth andererseits, der aktuell in seinem Nagolder Hausarztzentrum mit insgesamt fünf Hausarzt-Kollegen und -Kolleginnen auf nur 220 Quadratmetern arbeiten muss, steckt in seinem künftigen Rohrdorfer Praxis-Satelliten eine kurzfristig realisierbare Möglichkeit, die allergrößte Raumnot seiner Nagolder Praxis-Zentrale etwas abzumildern. Zumindest, bis das von Kurth geplante, ganz große Hausarztzentrum im künftigen Gesundheitszentrum am Nagolder Benz Carré fertig sein wird (wir berichteten). Anfang 2021 soll das soweit sein. 600 Quadratmeter wird Mediziner Kurth mit seinem Team dann dort beziehen, bis zu zehn Ärzte sollen in den neuen Räumen schließlich einmal ihre berufliche Heimat finden.

"Nagold gewinnt durch das Gesundheitszentrum auf ganzer Linie"

Bis dahin wird die künftige Rohrdorfer Außenstelle wahrscheinlich dazu beitragen, "die langen Warteschlangen vor unserer Nagolder Praxis" etwas in den Griff zu kriegen. In Nagold sei die hausärztliche Patientenversorgung zuletzt "durch die altersbedingte Praxisaufgabe von insgesamt vier Ärzten seit 2017 an einem kritischen Punkt" angelangt. Kurth: "Fast alle Hausarztpraxen in Nagold haben bereits jetzt ihre maximale Auslastung erreicht und können keine weiteren Neupatienten aufnehmen." Der Ausbau seiner eigenen Praxis zu einem Hausarztzentrum soll hier den drohenden Versorgungslücken entgegenwirken.

Allerdings laufe er mit diesen Plänen - anders als jetzt in Rohrdorf - nicht überall wie erwartet "offene Türen" ein. Kurth berichtet, dass es etwa seitens des Nagolder Gemeinderats "Vorbehalte" gegen das geplante Gesundheitszentrum - und damit auch gegen sein Hausarztzentrum - gebe. Die mögliche Ursache dafür sei wohl die Befürchtung, so Kurth, dass der künftige Neubau potentielle Kunden aus der Innenstadt abziehen könnte. Was Mediziner Kurth so nicht stehen lassen möchte: "Nagold gewinnt durch das Gesundheitszentrum auf ganzer Linie. Und ich wünsche mir deshalb die konstruktive Zusammenarbeit mit der Kommunalpolitik." Daher: "Gespräche können von meiner Seite her jederzeit stattfinden", bietet der Allgemeinmediziner an.