Robbie Williams ist wieder da, „The Heavy Entertainment Show“ nennt er sein neues Album. Und der britische Megastar hält mit einem pompös instrumentierten Werk Wort.
Stuttgart - Kurz und schmerzlos bringt Robbie Williamsdas, von dem er vermutlich bisweilen tatsächlich felsenfest überzeugt ist, gleich in den allerersten Versen des ersten Songs auf den Nenner. „Kinderchen, ihr sucht einen Retter? Nun, da bin ich!“ singt er dort – und um die Hybris noch richtig zu befeuern, schickt er gleich in den nächsten Zeilen so etwas wie eine Feststellung hinterher: All die Guten seien jüngst in so rascher Abfolge viel zu früh gestorben (er meint wohl David Bowie und Prince) – doch er, Robbie Williams, er sei immer noch da.
Wie gesagt: Robbie Williams denkt sich diese Sätze nicht im stillen Kämmerlein, er schmettert sie gleich zum Auftakt eines Werks heraus, von dem man, ob man nun will oder nicht, angesichts seiner medialen Multipräsenz rund um die Welt Notiz nehmen wird, wann immer man ein Radio anschaltet. „The Heavy Entertainment Show“ hat er das Lied vieldeutig genannt, ebenso heißt auch das Titelstück des an diesem Freitag erschienenen Albums. Wir kämpfen hier nicht in der Leichtgewichtsklasse, will der Entertainer damit auch zum Ausdruck bringen, und deshalb muss der Superstar sich entsprechend in Szene setzen, will er den nächsten Rekord knacken, indem er das zehnte Album auf Platz Eins der britischen Charts hievt, also etwas hinterlässt, was vor ihm nur Elvis geschafft hat, noch so einer der viel zu früh Gegangenen.
Gute alte Bekannte helfen aus
Zu Hilfe hat sich Williams daher einen guten alten Bekannten genommen, mit dem er sich zwischenzeitlich nicht so grün war, nun aber wieder freudetrunken in den Armen liegt: den Komponisten und Arrangeur Guy Chambers. Dank Robbie Williams hat sich Chambers aus prekären Produzentenverhältnissen nach oben gebeamt, Chambers wiederum hat Williams Songs wie „Feel“ oder „Angels“ auf den Leib geschneidert, Megahits, die den Aufstieg vom Kneipierssohn zum Megastar endgültig zementierten.
Chambers, dessen Markenzeichen breitestmöglich getünchter Cinemascopebombastsound ist, hat abermals ordentlich zugelangt. Er serviert uns auf diesem Album ein paar Schmachtfetzen, die in Gestalt einer mit Zuckerguss glasierten Erdnusscreme-Sahnetorte auf Karamellsoßenspiegel daher kommen – recht schwere Kost, die allerdings oft nur auf und nicht immer in die Hüften geht. Es sind fette Klänge, die Chambers gefunden hat, aber ohne Hitpotenzial.
Damit das Album recht vielseitig klingt, hat sich Williams gleich noch ein paar neue Kumpels angelacht. Stuart Price, Johnny McDaid von Snow Patrol und Brandon Flowers wirken als Songschreiber mit an der „Heavy Entertainment Show“. Dazu gesellt sich Ed Sheeran, den Williams kurzerhand angehauen hat, weil er das Gefühl hatte, dem Album fehle ein richtiger Hit; was wiederum prompt zum stärksten Song des Albums geführt hat, dem bombigen „Pretty Woman“. Schließlich kommt noch der Musiker Rufus Wainwright dazu, der zumindest in Sachen Flamboyanz ein kongenialer Mitspieler ist und – auch singend – einen durchaus wesentlichen Part bei der Entstehung dieses Albums gespielt hat.
So hören wir also Songs, die Glam-Rock-Bands wie The Sweet entsprungen sein könnten („Bruce Lee“), Albernheiten wie „Party like a Russian“ inklusive Prokofjew-Samples, flächige Synthienummern („Time on Earth“), munter Losrockendes, wenngleich hässlich Betiteltes („Motherfucker“) oder ein Ausflug zum Dancefloor („Sensitive“). Von allem ein bisschen also.
Weiß der Mann, was er will?
Heraus kommt somit ein Album, das in seiner Unentschiedenheit Robbie Willams‘ janusquerköpfiges Wesen vielleicht perfekt spiegelt. Hier der kleine Bub, als der er sich manchmal gibt, der staunend und mit glänzenden Augen die Auslage des örtlichen Spielwarengeschäfts bestaunt – dort der ausgewachsene Crooner, dem die glitzernde Showtreppe gar nicht breit genug sein kann, die er hinabfedert, um ein ganzes Stadion binnen Minuten um die Finger zu wickeln. Hier der Unterhaltungsgigant, der aus dem Fenster seines Privatjets auf sein Anwesen hinabblickt, wo er soeben noch mit dem Champagnerkelch in der Hand in Eselsmilch gebadet hat, dort der stets von Selbstzweifeln zernagte Künstler, der auf diesem Album allen Ernstes bejammert, dass er zwar eine schöne Villa besitze, allerdings noch die Hypothek abzubezahlen habe.
Er ist halt Bub und Lausbub zugleich, der knuffige Teddy Williams, der permanent um Selbstvertrauen und vor allem Selbstvergewisserung ringt und der umgekehrt in überkandideltem Größenwahn davon schwärmt, dass er sein Album diesmal „mit großen Refrains, universellen Texten und universellen Melodien so groß wie nur irgend möglich“ machen wollte. Gelungen ist’s ihm nicht hundertprozentig, besonders wenn man als Gradmesser seine früheren Welterfolge anlegt. Umgekehrt hört man in keinem einzigen der 16 Songs irgendwelchen Boygroup-Schrott, sondern in seiner Las-Vegas-tauglichen Revuehaftigkeit buchstäblich Heavy Entertainment von einem echten Alleinunterhalter, der mühelos jegliches Register der zeitgenössischen Popmusik zieht.
Und selbst wenn’s alles lahme Songs wären (was sie ganz und gar nicht sind)? Drauf gepfiffen! Robbie Williams kuriert hier pompös einen akuten Fall von großspuriger Überfrachtung aus, er wird dies demnächst gewiss auch wieder auf einer überbordenden Welttournee tun und mit Album und Tour Millionen Menschen beglücken. „Über Charisma brauchen wir nicht diskutieren“, singt Robbie Williams auf diesem Album schließlich auch. Wo er Recht hat, hat er Recht.