Die Angst vor Untoten, die sich aus ihren kalten Gräbern erheben und als Wiedergänger durch die Welt der Lebenden geistern, ist seit jeher tief im Unterbewusstsein der Menschen verwurzelt. Eine faszinierende Reise durch Religion, Ethnologie und Kulturgeschichte.
Von der Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit war Vorstellungen weit verbreitet, dass Untote aus der Gemeinschaft der Lebenden und Toten ausgeschlossen und dazu verdammt seien auf Erden umher zu wandeln. Der Glaube daran, dass Verstorbene nach ihrem Ableben keine ewige Ruhe finden, ist in vielen Kulturen überliefert. So treten Untote in nordischen Sagas als „Wiedergänger“, in Osteuropa als „Vampire“ und in der Karibik als „Zombies“ auf.
In mittelalterlichen Schriften aus verschiedenen Teilen Europas wird von Toten berichtet, die aus dem Grab auferstanden sind und die Lebenden heimsuchen. So soll auch die Tradition der Totenwache auf die Furcht vor dem Wiedererwachen des Verblichenen zurückgehen.
Makabre Faszination der Untoten
Bei den heute Lebenden wecken historische Funde, die mit der Bekämpfung von Untoten in Verbindung stehen könnten, großes Interesse. So schrieben polnische Medien vor einigen Jahren über Entdeckungen in Gliwice (Gleiwitz, Polen) von einem „Vampirfriedhof“. Dort waren Skelette gefunden worden, die mit ihren abgetrennten Schädeln zwischen den Knien oder Händen bestattet worden waren.
In der bulgarischen Hauptstadt Sofia wurde 2012 das Skelett eines angeblichen Vampirs samt ihn durchbohrenden Eisenpfahl im Nationalen Museum für Geschichte ausgestellt.
Voodoo-Kult und Zombie-Glaube auf Haiti
Der französische Ethnologe Michel Leiris beschreibt Wiedergänger in seinem Buch „L’Afrique Fantôme“ („Phantom Afrika“, 1934) als „Individuen, die man künstlich in einen Scheintodzustand versetzt, beerdigt, dann wieder ausgegraben und geweckt hat und die infolgedessen folgsam wie Lasttiere sind, da sie ja gutgläubig annehmen müssen, dass sie tot sind“.
Leiris fand Hinweise auf Untote im haitianischen Voodoo-Kult und in der Religion der Yoruba, einem Volk im Südwesten Nigerias. Im zwar christianisierten, aber immer noch von heidnischen Bräuchen durchtränkten Leben der Haitianer besitzen Voodoo-Hexer und Priesterinnen die geheimnisvolle Fähigkeit, Lebende mit einem Fluch zu belegen, so dass sie scheintot sind.
Nekrophobie: Angst vor den Untoten
Die Angst vor den Untoten lässt sich psychologisch erklären: Nekrophobie – das Gegenteil ist Nekrophilie, die Liebe zum Tod und zu Toten – ist eine spezielle Art der Phobie, die sich in einer krankhaft übersteigerten Angst vor Toten und toten Dingen wie Leichen, Kadavern oder Mumien ausdrückt.
Die Betroffenen haben eine regelrechte Höllenangst vor der Nähe von Sterbenden, Krankenhäusern, Leichenhallen und Friedhöfen.
Bizarre Begräbnisriten in der Geschichte
Im bulgarischen Sozopol am Schwarzen Meer fanden Archäologen vor einigen Jahren ein Skelett aus dem 13. Jahrhundert, dass mit Eisenpfählen und Nägeln in der Brust an den Sarg festgenagelt war. Ein anderer Knochenmann, der in einem bulgarischen Kloster entdeckt wurde, war an Händen und Füßen gefesselt.
Auch in anderen Gräbern in Südeuropa ist man Leichen gestoßen, denen die Glieder zertrümmert, die Sehnen durchtrennt, das Herz gepfählt, Erde in den offenen Mund geschoben oder Kreuze auf die Brust gelegt worden waren.
In der englischen Ortschaft Southwell fanden Archäologen 2012 ein Grab aus der Zeit 550 bis 700 n. Chr., das auf einen Wiedergänger-Begräbnisritus schließen lässt. Dem Toten waren Pfähle in die Schultern, das Herz und die Knöchel getrieben worden. Vermutlich in der Absicht, dass der so Fixierte seine Ruhestätte nicht mehr verlassen kann.
Weit verbreitete Angst vor Wiedergängern
Solche Funde deuten nach Ansicht von Anastasia Tsaliki auf bizarre Begräbnisriten hin, die von der Angst vor einer Wiederkehr der Toten angetrieben wurden. Die Archäologin, die an der englischen Durham University lehrt, hat sich intensiv mit dem Phänomen der Wiedergänger-Gräber beschäftigt.
Anastasia Tsaliki zufolge gibt es natürliche Erklärungen dafür, dass sich Tote im Grab regen. Der Leichnam kann sich durch bakterielle Fäulnisvorgänge in seinem Inneren aufblähen. Eilig zugescharrt kann es sein, dass plötzlich ein Hand aus dem Grab ragt. Die Verwesung kann dazu führen, dass sich im Magen- und Darmtrakt Gase bilden, die entweichen und wie schmatzende Geräusche klingen.
Wharram Percy: Dorf der lebenden Toten
Auch in einem anderen Grab könnten Brand- und Schneidespuren an Knochen auf mittelalterliche Rituale zur Abwehr von Wiedergängern hindeuten.
Die im verlassenen Ort Wharram Percy im Norden Englands vergrabenen Leichname seien wohl nach ihrem Tod verstümmelt worden, damit sie nicht als Untote wieder auftauchten, berichtete vor einiger Zeit der Archäologe Simon Mays von der staatlichen Denkmalpflegebehörde Historic England in Portsmouth.
Knochenspuren weisen auf Rituale gegen Untote hin
Im Fall von Wharram Percy geht es um insgesamt 137 Knochen aus drei Gruben jenseits des örtlichen Friedhofs. Die Knochen konnten mindestens zehn verschiedenen Menschen zugeordnet werden, darunter drei Frauen und zwei Kinder, so Simon Mays.
17 Knochen wiesen demnach Schnittspuren auf, 17 weitere verkohlte Stellen. Der Altersbestimmung einiger Knochen mit der Radiocarbon-Methode zufolge stammen die menschlichen Überreste vermutlich aus verschiedenen Jahrhunderten.
Einige mittelalterliche Autoren erwähnen Methoden, um Leichen daran zu hindern, als Untote zu erscheinen. Dazu gehören das Enthaupten und die Verstümmelung der Leiche sowie das Verbrennen von Körperteilen. Das Forscherteam um Simon Mays hatte eine Reihe von Hinweisen zusammengetragen, die darauf hindeuten, dass auch in Wharram Percy solche Methoden praktiziert wurden (mit dpa-Agenturmaterial).