Derzeit erscheint es äußerst fraglich, ob in diesem Herbst solche Kulissen bei Ringkämpfen in der Halle möglich sind. Foto: Herzog

Ringen: Wettkämpfe ohne Zuschauer hätten für Sulgens Ringertrainer Semih Bosyan keinen Reiz. Mit Interview

Der Sport, vor allem Kontaktsportarten wie das Ringen, sind von der Corona-Pandemie besonders hart betroffen. Sämtliche Deutsche Meisterschaften wurden bis Ende Juni ausgesetzt. Man rechnet aber damit, dass sie in diesem Jahr ersatzlos ausfallen. Obwohl die Politik mit Lockerungen begonnen hat, bangt man im Ringerlager weiterhin, ob in diesem Jahr eine Mannschaftsrunde stattfinden kann, die für die Vereine überlebenswichtig ist.

Im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten gibt Semih Bosyan, Trainer des Athletenverein Sulgen, einen Einblick in die aktuelle und künftige Situation.

Seit Mitte März ruht der Trainingsbetrieb in der Halle. Wie halten sich deine Ringer seither fit, oder legen sie einfach nur die Füße hoch und warten ab?

Leider mussten wir abrupt mit unserem Training aufhören und durften nicht mehr weiter trainieren. Anfangs hat natürlich keiner gewusst, wie lange das dauern würde und deshalb habe ich mir da auch nicht so viele Gedanken gemacht. Grundsätzlich habe ich immer ab Mai mit der Grundlagen-Vorbereitung im Kraftausdauer-Bereich angefangen und meinen Ringern vermittelt, dass jeder einzeln zwei bis drei Mal die Woche 40 bis 50 Minuten joggen gehen und die Grundübungen Liegestütze, Klappmesser und Kniebeuge (je 100 Stück) ausführen soll, damit nicht jeder bei null anfängt, sobald es wieder los geht.

Die Deutsche Ringerliga (DRL) und der Landesverband Nordrheinwestfalen haben die Ringer-Mannschaftssaison abgesagt. Der Württembergische und Südbadische Ringerverband wollen abwarten und streben einen Rundenstart zum 5. September an. Wie realistisch ist dies, da Ringen ja ein Sport mit engem Körperkontakt ist?

Also ich befürworte das genauso wie der WRV, dass man noch abwarten und jetzt nicht gleich eine Entscheidung treffen sollte, die man später bereuen könnte. Man könnte ja eventuell die Saison auch später starten. Es gibt da verschiedene Optionen und die sollte man auf jeden Fall in Betracht ziehen.

Würde wegen der Corona-Pandemie ein Start der Verbandsrunde erst Ende Oktober und ein Abschluss im Februar 2021 ähnlich wie in der Ringer-Bundesliga deiner Ansicht nach Sinn machen?

Wie schon gesagt gibt es da die eine oder andere Option, dass man doch noch eine Saison ringen könnte. Drum sollte man auf jeden Fall an alle möglichen Szenarien denken. Die Situation mit dem Virus ist ja schon etwas Außergewöhnliches und es gibt jeden Tag neue Nachrichten. Jetzt eine Ferndiagnose zu machen oder zu entscheiden, finde ich nicht richtig.

Kannst du dir Ringkämpfe in einer Halle vorstellen ohne Zuschauer, etwa vergleichbar mit den angedachten "Geisterspielen" in der Fußball-Bundesliga?

Ringkämpfe ohne Zuschauer kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Aber man muss wahrscheinlich heutzutage mit allem rechnen. Die Frage ist nur: wollen das die Vereine oder die Ringer?!

Falls dies eine Option wäre: Hätten die Ringer allgemein ein Problem damit, sich beim Kampf nicht mehr die Hände zu schütteln, zumal dieses Ritual bisher einen sehr hohen Stellenwert hinsichtlich der Fairness gegenüber dem Gegner genießt?

Die Frage kam tatsächlich bei der Internen WRV CYBER SITZUNG auch. Wenn wir ringen dürfen, dann darf man und sollte man sich auch die Hand geben. Fairness hat bei uns Ringern einen sehr hohen Stellenwert. Von daher erübrigt sich das, finde ich.

Sportlich musste der AV Sulgen nach drei Jahren Zugehörigkeit in der Regionalliga Baden-Württemberg in die Oberliga Württemberg absteigen. Nun fehlen attraktive Derbys. Hat das Auswirkungen und wenn ja, welche?

Was die Saison 2019 angeht, hatten wir wirklich kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu. Ich denke, große Auswirkungen wird es nicht geben. Wir werden in der Oberliga, die nicht zu unterschätzen ist, genauso attraktive Kämpfe sehen. Von daher dürfen sich die Zuschauer auf interessante Duelle freuen.

Welche Ziele strebst du mit deiner Mannschaft für die neue Saison an, sofern sie natürlich überhaupt stattfindet?

Man sollte immer Ziele haben. Die Oberliga ist wirklich sehr stark und ich kenne sie sehr gut. Sie ist nicht wesentlich schwächer als die Regionalliga. Die Meisterschaft und der direkte Wiederaufstieg wäre natürlich mega super, aber schauen wir von Kampf zu Kampf.

Um die DRL, die seit drei Jahren eine Konkurrenzorganisation zum Deutschen Ringerbund (DRB) darstellt, ranken sich Spekulationen. Hat deren frühe Absage der Verbandsrunde, die ja erst im Oktober begonnen hätte, wirklich nur mit der Corona-Pandemie zu tun oder vermutest du da noch andere Gründe?

Die Absage kam wesentlich früh und das hatte nichts mit der Corona-Pandemie zu tun. DRL-Geschäftsführer Markus Scheu ist bekanntlich zurückgetreten und somit ist meiner Meinung nach keiner mehr da, der diese DRL führen will. Er war ja einer der wichtigsten Personen, die dieses Schiff gelenkt und geleitet hat. Offensichtlich hat er es eingesehen, dass die DRL so nicht funktionieren kann.

Von der Politik hört man wiederholt, dass sich das Leben durch Corona verändern wird. Wird sich auch der Ringkampfsport verändern?

Ob sich unser Leben durch diese Pandemie verändern wird, bezweifle ich. Wenn sich unser Leben nicht grundsätzlich verändert, dann verändert sich auch unser Ringkampfsport nicht. Der Mensch vergisst viel zu schnell und sobald alles wieder etwas Normalität erlangt, kommt jeder wieder in die Position, in der er vorher war.

Die Fragen stellte Lothar Herzog