Die aktuell hohen Infektionszahlen mit Ringelröteln – nicht zu verwechseln mit normalen Röteln – verunsichern werdende Mütter. Denn die Viren können unter Umständen auch dem ungeborenen Kind schaden. Was Schwangere jetzt tun können, erklärt Karl Prof. Oliver Kagan von der Uniklinik Tübingen.
Ringelröteln sind an sich eine relativ harmlose Kinderkrankheit. Doch was, wenn ein Kind erkrankt, das noch gar nicht auf der Welt ist? In der Uniklinik Tübingen haben Gynäkologen und Pränataldiagnostiker derzeit viele Schwangere zur Kontrolle und in Behandlung, die sich mit den Paroviren B angesteckt haben. „Die aktuelle Infektionswelle ist ungewöhnlich stark“, bestätigt Karl Oliver Kagan, der die Pränatale Medizin an der Uniklinik leitet. Viele Frauen, die schwanger sind, seien nun in Sorge um ihr ungeborenes Kind, so der Uniprofessor für Pränatale Medizin. Er erklärt, welche Gefahr von den Viren gerade bei werdenden Müttern ausgehen kann und was die Ärzte im Falle einer Infektion tun, um das Baby vor Schäden zu schützen.
Herr Kagan, wie können sich Schwangere in der derzeitigen Infektionswelle vor Ringelröteln schützen?
Das ist nicht so einfach. Die Infektionswelle zeichnet sich durch eine besondere Aggressivität aus. Das bedeutet, dass gerade sehr viele Menschen erkrankt sind. Hinzu kommt, dass man im Falle einer Infektion schon längst ansteckend ist, bevor sich die ersten Symptome zeigen. Gleichzeitig entwickelt ein erheblicher Anteil der erkrankten Erwachsenen gar keine Symptome und weiß unter Umständen gar nicht, dass er infiziert ist.
Gibt es denn einen Test, der besagt, ob man schon einmal an Ringelröteln erkrankt war – sodass man immun ist gegen die Viren?
Ja, das geht. Werdende Mütter können sich unter Umständen testen lassen, wenn sie beispielsweise Kontakt mit einem Infizierten gehabt haben. Bei diesem Test wird nach Antikörpern gegen die Paroviren B19 und gegebenenfalls nach der Virus-DNA im Blut geschaut. Liegt bei der Schwangeren die Infektion schon eine Weile zurück, haben sich IgG-Antikörper im Blutserum gebildet, IgM-Antikörper und Virus-DNA sind in diesem Fällen nicht mehr vorhanden. Das bedeutet: Die Schwangere ist immun gegen eine erneute Erkrankung. Ist das nicht der Fall, ist das Risiko einer Infektion für sie und das ungeborene Baby erhöht.
Wie schlimm ist eine Infektion mit Ringelröteln für ungeborene Babys?
Bei einer Infektion können die Viren über die Plazenta in den Blutkreislauf des Kindes gelangen und die blutbildende Zellen befallen. Die Folge kann eine Blutarmut beim ungeborenen Kind sein. Diese kann zu weiteren Problemen führen – etwa zu Wassereinlagerungen im kindlichen Körper. Im schlimmsten Fall droht eine Fehlgeburt, besonders in den ersten Schwangerschaftsmonaten. Aber nicht jedes ungeborene Kind, das sich infiziert, wird auch ein krankes Kind. Man geht davon aus, dass etwa zehn Prozent der ungeborenen Kinder erkranken – in den allermeisten Fällen vor der 20. Schwangerschaftswoche. Ob sich die Rate der Kinder mit einer durch Paroviren ausgelösten Blutarmut angesichts der derzeitigen aggressiven Infektionswelle vergrößert hat, lässt ich noch nicht sagen.
Wie therapiert man diese Embryonen im Mutterleib?
Kommt eine Schwangere zu uns, die sich in der ersten Hälfte ihrer Schwangerschaft mit Parvoviren B19 infiziert hat, wird kontrolliert, ob die Infektion eine kindliche Blutarmut verursacht hat. Dazu wird mittels Ultraschall die Durchblutungsgeschwindigkeit in einer Gehirnarterie gemessen – und zwar einmal wöchentlich, etwa zehn Wochen lang. Denn eine durch Paroviren B19 ausgelöste Blutarmut führt dazu, dass das Blut schneller fließt. Kommt es zu einer Anämie, also Blutarmut, braucht das Kind eine Blutkonserve. Dabei wird die Nabelschnur des Kindes punktiert und dem Kind etwa 10 bis 15 Milliliter Blut gegeben. Diese Therapieoption ist angesichts des Durchmessers der Nabelschnur durchaus herausfordernd und eigentlich erst ab der 16. Schwangerschaftswoche möglich.
Was bedeutet das alles für die Frauen, die vielleicht schon in der achten Woche erkrankt sind und nun wissen wollen, wie es ihrem Kind geht?
Es gibt in der Frühschwangerschaft leider keine Möglichkeit zu erkennen, ob ein Embryo infiziert oder erkrankt ist. Auch alternative Behandlungsoptionen zur Bluttransfusion gibt es nicht, und diese ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Insofern müssen diese Frauen leider warten und hoffen. Gegebenenfalls kann mithilfe des Ersttrimester-Screenings in der zwölften oder dreizehnten Schwangerschaftswoche eine Blutarmut erkannt werden, für eine Bluttransfusion ist es aber leider immer noch zu früh.
Wie riskant ist eine Infektion im späteren Verlauf der Schwangerschaft?
Den Frauen, die sich im letzten Drittel ihrer Schwangerschaft befinden, können wir Entwarnung geben. Selbst wenn eine Infektion des Kindes erfolgt, führt diese in aller Regel nicht zu einer Blutarmut und stellt für das Ungeborene keine lebensbedrohliche Gefahr dar.
Spezialist für Pränatalmedizin
Lehre
Karl Oliver Kagan (48) leitet nicht nur die Pränatale Medizin am Uniklinikum Tübingen, sondern ist auch Professor an der Medizinischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen. Zudem hat er verschiedene Ämter in Fachgesellschaften inne – unter anderem ist er bestelltes Mitglied der Gendiagnostik-Kommission am Robert-Koch-Institut.