Walter Sedlmayr spielte immer wieder den urbayerischen Grantler. Foto: imago images/United Archives

1990 wurde einer der beliebtesten deutschen TV-Stars ermordet. Die Doku „Walter Sedlmayr – Outing durch Mord“ beim Streamingdienst RTL+ rollt den Fall auf. Ist das gelungen?

Stuttgart - Am 14. Juli 1990 wird in München der Schauspieler Walter Sedlmayr in seiner Wohnung ermordet. Sedlmayr war nicht nur TV-Star, er war eine überlebensgroße Projektion der Volksseele: ein bayerisches Urvieh, grantig und kantig, bauernschlau-listig, derb, pragmatisch, trotzdem sentimental. Er war über alles Bajuwarische hinaus eine schillernde Symbolfigur deutschen Spießertums. Die einander sehr ähnlichen Typen, die er spielte, reizten das Unsympathische an sich so aus, dass sie einem sympathisch wurden. Aus ihrem völligen Verzicht auf Entgegenkommen erwuchs schon wieder Charme.

 

Ob die Millionen, die ihn als Kommissar Schöninger in der langlebigen Serie „Polizeiinspektion 1“ sehr mochten, je viel darüber nachdachten, ob er da wirklich als kaum verstellter Walter Sedlmayr vor die Kameras trat? Wahrscheinlich wären manche geschockt gewesen, hätten sie erfahren, dass der Mann, der auf Werbeplakaten den Maßkrug für eine Traditionsbrauerei schwang, Bier verabscheute. Noch viel geschockter waren einige, als infolge des Mordes Sedlmayrs Homosexualität öffentlich wurde.

Gefälschte Spuren

Die Boulevardpresse lief damals zu ihrer geifernden Tiefstform auf, sie trat breit, verzerrte, skandalisierte, was Sedlmayr zu Lebzeiten unbedingt hatte privat halten wollen. Die nun beim Streamingdienst RTL+ zu sehende True-Crime-Doku „Walter Sedlmayr – Outing durch Mord“ begibt sich also auf äußerst sumpfiges Gelände.

Aber die Macher widerstehen der Versuchung, mit dem Gestus der Empörung jeden Dreck noch einmal ins Scheinwerferlicht zu klatschen, der damals geschrieben wurde. Wir erfahren von Ex-Polizisten und Mitgliedern der schwulen Community Münchens, vieles sei von den Medien frei erfunden worden, darum werden hier die Boulevardschlagzeilen fast ganz ausgeblendet. Die Auffindesituation der malträtierten Leiche, die auf ein entgleistes sadomasochistisches Treffen mit einem Stricher oder Callboy schließen lassen konnte, wurde schon damals von der Polizei als grobe Inszenierung wahrgenommen. Der Verdacht sollte eventuell weggelenkt werden von verkrachten Geschäftspartnern Sedlmayrs.

Das Misstrauen gegen Schwule

„Walter Sedlmayr – Outing durch Mord“ vermeidet noch einen weiteren Fehltritt. Die im Fernsehen und bei Streamingdiensten in großer Zahl miteinander konkurrierenden True-Crime-Dokus wollen oft vermeintliche Justizirrtümer aufrollen, die „wahren Täter“ benennen. Zwei Männer aus Sedlmayrs Umfeld wurden für den Mord verurteilt – in einem Indizienprozess. Der Zweiteiler bei RTL+ gibt zu verstehen, dass jemand kleine Zweifel am Urteil hegen könnte, bläst die aber nicht zur Unschuldsbehauptung auf.

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Ab und an scheitert ein grober Kniff zur Spannungssteigerung, es gibt manche Wiederholung – aber immer wieder vermittelt einem diese Doku eine Ahnung, wie bedrängt sich Schwule noch in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts fühlten, wie misstrauisch und latent verachtungsvoll die Mehrheitsgesellschaft noch war. Da muss man nur auf den Unterton bei jenem Kriminalbeamten achten, der sagt, man habe nach dem Mord „die ganze Homoszene Münchens aufgerollt“.

Walter Sedlmayr – Outing durch Mord. RTL+, beide Folgen bereits abrufbar.