Nach dem Jahrhunderterdbeben mit bis zu 200.000 Toten suchen Rettungskräfte in Haiti trotz rapide sinkender Chancen weiter verzweifelt nach Überlebenden in den Trümmern - mit Erfolg.

Port-au-Prince - Nach dem Jahrhunderterdbeben mit bis zu 200.000 Toten suchen tausende Rettungskräfte in Haiti trotz rapide sinkender Chancen weiter verzweifelt nach Überlebenden in den Trümmern - mit kleinen Erfolgen.

Mehr als eine Woche nach dem verheerenden Beben wurden immer noch vereinzelt Menschen lebend geborgen. "Das macht Mut und deshalb werden wir weitermachen. Solange es eine Chance gibt, Menschen zu retten, werden wir sie nutzen", sagte UN- Nothilfekoordinator John Holmes am Mittwoch in New York. Insgesamt seien bisher mehr als 120 Überlebende geborgen worden.

In der zu mehr als 50 Prozent zerstörten Hafenstadt Jacmel an Haitis Südküste wurde von Helfern aus Kolumbien und Frankreich ein erst 22 Tage altes Baby gerettet, wie die Feuerwehr in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá am Mittwoch mitteilte. Zuvor hatte sich die Mutter des Kindes aus den Trümmern befreien können. Sie führte die Helfer zu ihrem eingeschlossenen Kind.

Am Mittwoch um 6.03 Uhr (Ortszeit) wurde ein Nachbeben der Stärke 6,1 registriert. Das Zentrum lag in knapp zehn Kilometern Tiefe rund 60 Kilometer westsüdwestlich der Hauptstadt. Bei dem Beben sind nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa mehrere Menschen ums Leben gekommen. Etwa 20 Straßenhändler seien beim Einsturz eines bereits beschädigten Gebäudes unter den Trümmern begraben worden. Ein deutsches Rettungsteam suchte vorerst erfolglos nach den Verschütteten. Die Erdstöße überraschten viele Menschen im Schlaf. Diejenigen, deren Häuser noch standen, liefen verängstigt auf die Straßen gelaufen. Viele Menschen beteten aus Furcht vor einer weiteren Verschlimmerung der Katastrophe, obwohl dies nach Einschätzung vieler Rettungshelfer kaum noch möglich ist.

Auch am achten Tag nach dem Jahrhundertbeben herrschten in Port- au-Prince chaotische Zustände. Abertausende Menschen irrten noch immer durch die Trümmer, viele warten seit Tagen auf medizinische Erstversorgung. Die Notfallzentren sind überfüllt. Tausende flüchten aus der Hauptstadt.   

Ärzte, Krankenschwestern und Sanitäter aus aller Welt arbeiten rund um die Uhr bis zur völligen Erschöpfung. Die USA planen laut dem US-Sender CNN weitere 4000 US-Soldaten zu entsenden. Dies würde die Zahl der amerikanischen Soldaten, die in Haiti oder auf Schiffen vor der Küste sind, auf mehr als 15.000 erhöhen.

Nach Angaben des Auswärtigen Amts befinden sich unter den Toten mit allergrößter Wahrscheinlichkeit zwei weitere Deutsche. Damit erhöhe sich die Zahl deutscher Opfer auf drei. Allerdings sei eine abschließende Identifizierung nötig. Derzeit würden noch fünf weitere Deutsche vermisst, sagte eine Sprecherin am Mittwochabend.

Der Fokus der Helfer liege jetzt auf der Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln, sagte UN-Koordinator Holmes. "Das ist nach wie vor ein Problem, weil Kraftstoff für Tankwagen und andere Lastwagen fehlt und der Flughafen der Stadt völlig überlastet ist. Wir nutzen jetzt auch den Flughafen von Santo Domingo in der Dominikanischen Republik, aber auch da gibt es Grenzen." Das Ziel bleibe es, zwei Millionen Menschen sechs Monate lang versorgen zu können. "Das ist ein harter Weg und wir stehen noch ganz am Anfang", sagte der Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten.

Das neue Beben, dessen Zentrum rund 22 Kilometer nördlich von Jacmel lag, versetzte Helfer und Opfer der Katastrophe zum Teil in Angst und Schrecken. "Ich bin immer noch unter Schock und habe immer noch Gänsehaut", sagte Katja Lewinsky von der Johanniter-Unfall-Hilfe der dpa am Telefon. "Wir sind teilweise in Schlafsachen hinausgerannt." US-Journalisten berichteten von schwankenden Häusern. Nach anderen Angaben sollen in Port-au-Prince einige vom ersten Beben bereits beschädigte Häuser nun ganz eingestürzt sein.

Insgesamt wurden in Haiti nach Angaben der EU-Kommission bisher rund 80.000 bei dem Erdbeben getötete Menschen begraben. Die Zahl der Obdachlosen liege bei zwei Millionen, dringend Hilfe bräuchten 200.000 Menschen. Nach wie vor würden rund 1000 EU-Bürger in Haiti vermisst. 35 seien ums Leben gekommen. Derzeit habe die EU 683 Experten aus 23 Ländern im Einsatz. Die Regierung befürchtet, dass bei der Katastrophe bis zu 200.000 Menschen ums Leben kamen.

Am Mittwoch begannen Ärzte auf dem vor Port-au-Prince eingetroffenen US-Lazarettschiff "Comfort" die ersten Patienten zu behandeln. Der erste Patient sei ein kleiner Junge gewesen, dessen Haut zu 30 Prozent Verbrennungen aufwies, sagte der Chef des Operationsteams an Bord der "Comfort", Tim Donahue, dem US-Sender CNN. Der Junge sowie ein 20-Jähriger mit gebrochener Wirbelsäule und blutenden Wunden am Kopf wurden zu dem Lazarettschiff gebracht, noch bevor es eigentlich einsatzbereit war. Das US-Schiff bietet Platz für 1000 Patienten, in sechs OP-Sälen wird operiert.