Der Prospekt der Rensch-Orgel ist so schön wie ihr Klang. Vor 20 Jahren ist sie eingebaut worden. Foto: Schwarz

Mehr als sonst wird die Rensch-Orgel in diesem Jahr im Mittelpunkt stehen – nicht nur in der Marktmusik-Saison. Denn sie wird 20 Jahre alt. Ermöglicht hat ihren Bau einst der wohl größte Mäzen der Stadt.

Albstadt-Ebingen - "Sie hat tausend Besonderheiten", sagt Steffen Mark Schwarz, Kantor der Martinskirche, der jedes Mal ins Schwärmen gerät, wenn er über die Rensch-Orgel spricht. "Sie ist groß, schön, klangvoll und hat besonders schöne Flötenregister wie etwa das ›Flute harmonique 8’‹ oder die ›Traversflöte 4’‹ sowie den Untersatz 32’, der wie ein Subwoover fungiert." Bis nach Stuttgart, Schwarz’ Heimatstadt, müsse fahren, wer ein vergleichbares Instrument erleben wolle.

Was ist überhaupt finanzierbar?

"Was ist wünschenswert und sinnvoll, mach- und finanzierbar?" lautete die Frage vor mehr als 20 Jahren, als der evangelische Kirchengemeinderat den Orgelbau-Förderverein beauftragte, die Möglichkeiten auszuloten.

Orgelfahrten und Gespräche mit Fachleuten standen schon in den späten 1990er-Jahren auf dem Programm. Bei einer Million D-Mark lag die Kostenschätzung für eine neue Orgel – und so tauchte zunächst die Frage auf: "Sind Teile der alten Orgel noch verwendbar?" wie es in der Festschrift "Jubilamus! Die neue Orgel der Martinskirche in Albstadt-Ebingen" beschrieben ist. Als die Kirchengemeinderäte am 4. Mai 1998 für den Bau einer neuen Orgel votierten, stand der Umfang freilich noch nicht fest.

"Zeichen meines Glaubens und der Liebe zu meiner Kirche"

Einmal mehr in der Stadtgeschichte war es Walther Groz, der vormalige Ebinger Oberbürgermeister, Groz-Beckert-Chef und Kunstmäzen, der den Neubau möglich machte – ohne dass man ihn hätte "anbetteln" müssen, wie es deutlich heißt. Ein halbe Million D-Mark ließ er springen – als "Zeichen meines Glaubens und der Liebe zu meiner Kirche".

Steffen Mark Schwarz, der vor genau zehn Jahren nach Albstadt kam und Groz nicht mehr kennengelernt hat, ist ihm heute noch dankbar dafür, war die Rensch-Orgel doch der Hauptgrund unter mehreren, aus Ulm nach Ebingen zu wechseln.

Für den Klang ist auch der Raum bedeutsam

Weiter verbessert habe den Klang im Raum, dessen Dimension und Ausgestaltung für eine Orgel besonders wichtig sei, dann die Innenrenovierung der Martinskirche, bei der Bänke vorne entfernt und durch Stühle ersetzt worden waren. "Zu viel Holz und zu viele Bänke haben geschluckt und gedämmt", sagt Schwarz über den Schall. Dabei sei schon an der Decke viel Holz. "Wäre es eine Steindecke, wäre Holz unten wichtig."

Groz stellt Bedingungen: "Keine Abstriche an der Qualität!"

Ja, so eine Orgel ist eine Wissenschaft an sich. Nicht nur das Spiel auf den vier Manualen erfordert Meisterhände – vor allem der Bau ist es, und so machte sich der Fachausschuss und der Orgelbau-Förderverein 1999 an die konkrete Arbeit. Unter drei Orgelbauern – "Mühleisen" aus Leonberg hat auch das Instrument in der Stuttgarter Stiftskirche gebaut – waren auch "Gökel" aus Mühlhausen und "Rensch" aus Lauffen. Die Angebote der Drei überstiegen mit 1,2 bis 1,4 Millionen Euro jedoch das Preislimit, was Walther Groz veranlasste, weitere 160 000 D-Mark draufzulegen. Unter der Bedingung, "dass an der Qualität der Orgel keine Abstriche gemacht werden dürfen". So fiel am 21. Februar 2000 die Entscheidung für Rensch, die preislich auf Mühleisen-Niveau lag, den Prospekt der Orgel aber stark dem Stil der Martinskirche anpassen wollte – Jugendstil.

Die Bestellung eines zusätzlichen Schwellwerks und die Vorbereitung von weiteren vier Registern, die nachträglich eingebaut werden können, ließen den Preis noch auf 1,337 Millionen D-Mark – 683 600 Euro – klettern, doch es hat sich gelohnt, wie Besucher der Martinskirche allwöchentlich erleben dürfen.

Die Königin der Instrumente spielt eine zentrale Rolle im Gottesdienst

"Von vielen höre ich, dass die Orgel für sie eine zentrale Rolle im Gottesdienst spielt, wie sie die Dinge zum Schwingen bringt, im besten Fall kongenial mit den liturgischen Prozessen – im Idealfall ist der Organist der Zeremonienmeister der Liturgie", sagt Schwarz, seit dessen Amtsantritt die Rensch-Orgel an Bedeutung im Jahresprogramm "Musik Martinskirche Ebingen" gewonnen hat. "Musik gehört existenziell zur DNA unserer protestantischen Kirche", betont Schwarz mit Blick auf große Kirchenmusiker wie Johann Sebastian Bach. "Ich versuche den Menschen in der Liturgie über die Orgel nahe zu kommen." Gelingt ihm das? Schwarz schmunzelt und erzählt: "Vor Weihnachten sagte mir jemand, ich sei der ›Key Account Manager‹ der Kirchengemeinde."

Die Rechnung mit der Rensch-Orgel sei in jedem Fall aufgegangen, sagt er mit Blick auf den aufwendigen Prozess, den seine Vorgängerin Brigitte Wendeberg damals begleitete und den Walther Groz durch seine Großzügigkeit erst möglich machte. Bittere Ironie: Die Rensch-Orgel in der Martinskirche hat er nie gehört. Am 19. Juni 2000 ist Walther Groz gestorben, die Orgel ab Oktober 2001 gebaut und ab 19. August 2002 eingebaut worden. Am 1. Dezember 2002 ist die Rensch-Orgel eingeweiht worden. Es war der erste Advent, Beginn eines neuen Kirchenjahres, und der Beginn einer neuen Zeitrechnung an der Martinskirche Ebingen.