Der Ludwigsburger Marc Lieb fährt in Daytona gemeinsam mit Schauspieler Patrick Dempsey.
Daytona Beach - Ein bisschen Sonderbehandlung darf sein. Der Mann ist immerhin Chefarzt, da kann er sich schon die Rosinen rauspicken. Doktor Derek Christopher Shepherd schläft während der 24 Stunden von Daytona in einem abgetrennten Abteil des Teambusses, die anderen Rennstall-Mitglieder liegen in Stockbetten im übrigen Teil des Fahrzeugs. Aber eigentlich heißt Dr. Shepherd anders, in Daytona ist er mit seinem echten Namen Patrick Dempsey eingeschrieben – die Rolle des Chefarztes spielt er nur in der TV-Serie „Grey’s Anatomy“.
„Es geht darum, das Rennen und den damit verbundenen Stress in den Griff zu bekommen“, verrät der 48 Jahre alte US-Amerikaner, „auf der Rennstrecke muss man mit dem Tempounterschied zu den schnellen Sportwagen-Prototypen fertig werden.“ Dempsey fährt einen Porsche 911 GT der kleineren GTD-Klasse, ist Teamchef und Pilot zugleich – und hat Porsche-Werkfahrer Marc Lieb in seiner schnellen Truppe. „Ich hatte Porsche gemeldet, dass ich gern fahren würde“, sagt der Ludwigsburger, „Dempsey suchte einen Fahrer.“
In Daytona schreibt der Weltstar Dempsey geduldig Autogramme und lächelt für Fotos mit den Fans in die Linsen der Smartphones. Ein Foto mit Patrick Dempsey, der schon zum „most sexiest man“ von Hollywood gewählt wurde, damit kann man bei der Freundin daheim Neid wecken. Das kennt er, das kann er, das ist sein Job als Schauspieler und als Werbegesicht für Körperpflege, Parfum und Sonnenbrillen. Doch wenn er in Daytona auf seine Karriere in Hollywood oder Filmprojekte angesprochen wird, zieht er fix die Handbremse, wird einsilbig und sucht nach einer Ausfahrt. In Daytona ist er mit Haut, Haaren und vor allem mit dem Herzen zu 100 Prozent Rennfahrer, da spielt er niemanden etwas vor – Dr. Shepherd ist in Los Angeles, auf dem International Speedway agiert Patrick Dempsey, der Racer. „Er genießt es, sich in dieser Welt zu befinden“, erzählt Marc Lieb, „und er nimmt seine Arbeit sehr ernst. Er studiert die Onboard-Aufnahmen und spricht sie mit uns durch. Für einen Amateur fährt er wirklich sehr gut.“
Der zweimalige Golden-Globe-Gewinner ist nicht der erste Mime, der sich vor der Kamera und hinter dem Lenkrad wohlfühlt. Steve McQueen startete bei den 12 Stunden von Sebring und drehte den Film „Le Mans“, Paul Newman nahm 1979 sogar in Le Mans teil und war 1995 Mitglied des Siegerteams bei den 24 Stunden von Daytona, James Garner pilotierte dreimal das Pace Car bei den Indy 500. Dempsey rast im International Speedway nicht zum ersten Mal durch die Steilkurven, bereits 2008 war er in Florida dabei, und in Le Mans kam er schon auf den Plätzen 29 (2013) und 30 (2009) ins Ziel. „Mit dem ersten Start in Le Mans wurde für mich ein Traum Wirklichkeit“, betont er. In Daytona 2014 belegt er mit Lieb nach einer langen Reparaturpause allerdings nur Platz 50.
Zu Beginn des Jahrtausends nahm Dempsey seine ersten Rennfahrstunden; der heutige Porsche-Werkpilot Patrick Long wurde als Fahrlehrer angeheuert, die US-Rennfahrer-Legende Hurley Haywood (fünf Triumphe in Daytona und drei in Le Mans) war sein Mentor. Nachdem der schauspielende Rennfahrer zunächst im Mazda und Ferrari über die Pisten bretterte, ist er seit 2013 stolzer Porsche-Besitzer. Was seinen Finanzberater vor veränderte Bedingungen stellte.
Bekam Dempsey als Promi die Autos der Japaner und Italiener mehr oder weniger gratis in die Garage gestellt, muss er bei den Schwaben aus Zuffenhausen seinen 911er und das nötige Renn-Zubehör bezahlen. Und doch ist der Serien-Arzt ein besonderer Kunde – einen Teil der Rechnung darf er abarbeiten. „Natürlich ist sein Prominenten-Status für uns ein positiver Aspekt, der unserem Image sehr guttut“, meint ein Porsche-Sprecher. In mehreren Werbespots für die Sportwagen-Marke, die im Internet über 200 000 Mal geklickt wurden, mischt der Hollywood-Star mit. In diesen kleinen emotionalen Filmchen verschmelzen die beiden Charaktere von Patrick Dempsey zu einer Person. Hier – und wirklich nur hier – ist er Schauspieler und Rennfahrer zugleich.