Volker Finke ist vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) als neunter Trainer mit dem Ehrenpreis "Lebenswerk" ausgezeichnet worden. Seine 16 Jahre beim SC Freiburg bedeuten immer noch die längste Amtszeit im deutschen Profi-Fußball. Foto: dpa/Gambarini

Ballorientierung, Überzahl, Kurzpassspiel: Volker Finke machte den SC Freiburg mit geringen Mitteln, aber modernem Fußball zum Erstliga-Club. Am Freitag feiert der Rekordtrainer seinen 75. Geburtstag.

Auch viele Jahre nach seinem Abschied vom damals noch kleinen SC Freiburg kann Volker Finke dem großen Kapital im Fußball offenbar nicht viel abgewinnen. Der Bundesliga jedenfalls rät er, an der 50+1-Regel festzuhalten. Laut dieser dürfen Investoren keine Stimmenmehrheit an den Kapitalgesellschaften von Proficlubs erwerben.

Geld ist nicht alles

"50+1 heißt ja nicht, dass man die Spieler nicht ordentlich bezahlen kann. Man kann auch trotzdem international konkurrenzfähig sein", sagt Finke der Deutschen Presse-Agentur kurz vor seinem 75. Geburtstag am Freitag. "Wäre das nicht so, würde das ja bedeuten, dass dort besser Fußball gespielt wird, wo mehr Geld ist. Das ist aber nicht so, zumindest nicht dauerhaft."

Rekordcoach im deutschen Profifußball

Da ist er wieder - der Kampf Klein gegen Groß, der auch Finkes Zeit im Breisgau prägte. Von 1991 bis 2007 trainierte er den Sport-Club, wurde zum Rekordcoach im deutschen Profifußball und machte Freiburg, wo er heute noch lebt, trotz überschaubarer finanzieller Mittel zum Erstliga-Standort. Immer noch glaubt er daran, dass man im Team viel erreichen kann. "Wichtig ist aber, dass man in den Vereinen verantwortlich und kontinuierlich arbeitet. Dass also die maßgeblichen Personen möglichst lange zusammenbleiben."

Extreme Kommerzialisierung

Mit Kritik an der extremen Kommerzialisierung und dem Bestreben, immer mehr Geld aus dem System Profifußball zu pressen, hält er sich dennoch zurück. Dass die Profigehälter in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren laut Angaben der Deutscher Fußball Liga (DFL) um 555 Prozent gestiegen seien, die der normalen Arbeitnehmer aber lediglich um 55, könne man "gut finden", meint er. "Man kann das aber auch obszön finden."

Globetrotter Finke

Es ist unschwer herauszuhören, welcher Meinung er anhängt, sagen will er es aber nicht. Schließlich hat der ansonsten auch gerne mal streitbare Finke selbst über die Jahre gut verdient in Freiburg. Oder später als Coach der Urawa Red Diamonds in Japan, als Sportdirektor des 1. FC Köln und als Nationaltrainer Kameruns, dessen Mannschaft er 2014 zur Weltmeisterschaft in Brasilien führte. Da kann man schnell als verlogen gelten, wenn man die aktuellen Summen kritisiert. Eines steht für ihn aber fest: "Es gibt einfach mehr Geld als Talent."

Die Anfänge beim Sportclub

In Freiburg war das früher eher umgekehrt - und das hatte vor allem mit Finke zu tun. Als 1991 der mittlerweile verstorbene SC-Präsident Achim Stocker den gebürtigen Norddeutschen und Gymnasiallehrer verpflichtete, dümpelte der Sport-Club mit einem kaum konkurrenzfähigen Stadion und ehrenamtlichen Verwaltungsstrukturen in der zweiten Liga herum.

Reformer und Trendsetter

Doch Finke führte eine Art von Fußball ein, die damals in Deutschland völlig neu war. Damit wurde er zum Reformer und Trendsetter. Die Ideen dafür hatte er in Südeuropa und speziell beim italienischen Kollegen Arrigo Sacchi gewonnen, der Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre die heute legendäre Elf des AC Milan trainierte. Die zentralen Begriffe in Freiburg waren nun nicht mehr Manndeckung oder Pärchenbildung, sondern: ballorientierte Raumdeckung, Überzahl schaffen, Kurzpassspiel.

"Die Gegner hatten schon Schwierigkeiten mit dem Zugriff auf uns", sagt Jörg Schmadtke, der von 1993 an vier Jahre im SC-Tor stand und später Fußballmanager wurde. Das Verschieben der gesamten Mannschaft in Richtung Ball und das offensive Verteidigen habe bei anderen Teams "auch für Verwirrung gesorgt".

Fans machen Wandel mit

Offenbar war das zunächst auch auf den Tribünen des Dreisamstadions so. "Da steht schon wieder einer frei, seht ihr das nicht. Den muss doch jemand decken", riefen manchmal Anhänger in Richtung Spielfeld, erzählt Finke gerne. Weil sie nicht verstanden, dass Überzahl schaffen bedeutet, dass irgendwo weit weg vom Ball jemand nicht gedeckt ist.

Nobodys werden zu Stars

Finke, der auch Spieler wie Jens Todt, Rodolfo Cardoso oder Sebastian Kehl nach Freiburg holte und zu Stars machte, gibt auch heute noch gerne eine Aussage von Dieter Hoeneß wieder, der 1993 als Sportdirektor des VfB Stuttgart sagte: Der SC Freiburg könne nicht den Klassenerhalt schaffen, sonst hätten die anderen Vereine in den 20 Jahren davor alles falsch gemacht. Falsch war es vielleicht nicht - aber eben nicht mehr modern. Der SC Freiburg dagegen erhielt Sympathien in der gesamten Republik und wegen seiner flotten Spielweise irgendwann den Namen "Breisgau-Brasilianer".

Drei Abstiege stehen zu Buche

Auch wenn Finke 2007 in der zweiten Liga gegen seinen Willen gehen musste und die Trennung vom Verein und dessen Chef Stocker nicht eben harmonisch verlief: Dem SC, mit dem er dreimal abstieg, den er aber auch zweimal in den UEFA-Cup führte, wünscht er, dass er auf der Führungsebene mit Sportvorstand Jochen Saier und Sportdirektor Klemens Hartenbach weiter auf Kontinuität setzt. Und mit Trainer Christian Streich den erfolgreichen Weg, der zuletzt ins obere Bundesliga-Drittel führte, fortsetzt. 

Streich könnte in einigen Jahren Finkes 16-Jahre-Rekord knacken, Frank Schmidt vom Zweitligisten 1. FC Heidenheim schon Mitte September. Finke, dem der Deutsche Fußball-Bund 2019 den Ehrenpreis für sein "Lebenswerk" verlieh, scheint das nichts auszumachen. Die Zahl sei ihm nicht wichtig, sagt er. Und wünscht den beiden Kollegen, dass sie "noch möglichst lange" im Amt bleiben.