„Die Evangelische Kirche ist wirtschaftlich gut aufgestellt“, sagt Oberkrichenrat Martin Kastrup. Foto: StN

Die evangelische Landeskirche in Württemberg nimmt in diesem Jahr so viel Kirchensteuer ein wie nie zuvor. Sorge bereitet den Protestanten jedoch die massive Austrittswelle. In diesem Jahr verlieren sie rund 20.000 Mitglieder. Hauptgrund sei die Verwirrung um die Kirchensteuer auf Kapitalerträge.

Stuttgart - Die sprudelnden Steuereinnahmen der evangelischen Landeskirche in diesem und im kommenden Jahr können nicht über die massiven strukturellen Herausforderungen hinwegtäuschen, vor denen die Protestanten in Württemberg in den kommenden Jahren stehen. Durch den demografischen Wandel und durch Austritte verliert die Landeskirche jährlich rund 0,8 Prozent ihrer Mitglieder. In den vergangenen zehn Jahren haben rund 200 000 Mitglieder der evangelischen Landeskirche den Rücken gekehrt oder sind gestorben. Ende dieses werden noch gut 2,1 Millionen Menschen der württembergischen Landeskirche angehören ; die badische Landeskirche hat knapp 1,3 Millionen Mitglieder. Damit gehört rund ein Drittel der Einwohner Baden-Württembergs einer der beiden evangelischen Landeskirchen an.

In diesem Jahr schnellt die Zahl der Kirchenaustritte sprunghaft nach oben. „Wir werden 2014 wohl mehr als 20 000 Austritte haben“, prognostiziert Oberkirchenrat Martin Kastrup. Das sind 5000 mehr als im Vorjahr. Grund für die Austrittswelle, ist laut dem Finanzdezernenten der Landeskirche, der automatische Einzug der Kirchensteuer auf Kapitalerträge durch die Banken. Kastrup weist darauf hin, dass niemand durch das neue Verfahren mehr Kirchensteuer bezahlen müsse. Für 98 Prozent der Steuerzahler handele es sich lediglich um eine Vereinfachung. Die Kirche habe dieses Thema allerdings unterschätzt und „schlecht kommuniziert“. Die Verwirrung um die Steuer hat auch in anderen Bundesländern und in der katholischen Kirche zu vermehrten Austritten geführt.

Trotz der vielen Austritte kann sich die Landeskirche in diesem Jahr über einen neuen Einnahmerekord freuen: Rund 645 Millionen Euro an Kirchensteuer fließen den Protestanten in diesem Jahr zu, elf Millionen mehr als im Vorjahr. Für das kommende Jahr erwartet Kastrup mit rund 660 Millionen Euro noch einmal einen neuen Spitzenwert. Gründe seien die relativ stabile Konjunktur, die gute Beschäftigungslage und die in langfristigen Tarifverträgen bereits beschlossenen Lohnsteigerungen. Gleichwohl sieht Kastrup nun ein „Plateau“ erreicht: „Wir bewegen uns auf sehr hohem Niveau.“ Das Ende dieses Wachstums sei absehbar.

Landeskirche ist schuldenfrei

Dank der hohen Steuereinnahmen sei die Landeskirche jetzt schuldenfrei, stellt Kastrup zufrieden fest. Alle Pfarrer sind mittlerweile mit einem Dienst-Computer ausgestattet. Die Großprojekte, wie der Kirchentag 2015 in Stuttgart und das Reformationsjubiläum 2017 seien durchfinanziert. Zusätzliche Mittel fließen auch in die Flüchtlingshilfe. nach 1,4 Millionen Euro im Vorjahr sollen jetzt noch einmal 2,15 Millionen Euro folgen, sagt die Präsidentin der Landessynode – das Kirchenparlament –, Inge Schneider. Auch die Gemeinden bekommen im kommenden Jahr um drei Prozent höhere Zuweisungen der Landeskirche sowie eine Sonderzahlung von 20 Millionen Euro.

„Wir haben die komfortable Situation, dass wir gestalten können“, sagt der Vorsitzende des Finanzausschusses der Landessynode, Michael Fritz, warnt aber zugleich: „Die Spielräume werden kleiner, wir kommen in eine Phase stagnierender oder leicht zurückgehender Einnahmen.“ Darüber hinaus erwarte die Kirche ab dem Jahr 2020 große Ruhestandsjahrgänge insbesondere bei den Pfarrern. Finanzdezernent Kastrup räumt zudem ein, dass es in Zeiten niedriger oder gar negativer Zinsen zunehmend schwerer werde, Rücklagen so anzulegen, dass sie nicht von der Inflation aufgezehrt werden.