Sehr zufrieden war Michael Jung dieses Jahr mit den Leistungen seines Pferdes fischerChelsea, hier beim Springturnier Mitte Januar in Basel. Foto: Eibner

Reitsport: Pferdebetrieb in Coronazeiten zwingt auch Vielseitigkeitsreiter Michael Jung zum Umdenken.

Die Auswirkungen rund um die Corona-Krise treffen die Reiter hart und machen auch nicht vor dem Reiterhof der Familie Jung in Horb-Altheim halt. Im Terminkalender von Vielseitigkeitsreiter Michael Jung ist natürlich die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio dick angestrichen. Mit einem Mal aber ist alles anders.

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Die Auswirkungen des Coronavirus erschüttern derzeit Vereine, Betriebe, Pferdehalter, -sportler und -züchter sowie Turnierveranstalter bis ins Mark und treffen sie mit besonderer Härte. "Die Situation um das Virus entwickelt sich sehr dynamisch und muss beinahe stündlich neu bewertet werden", sagt Joachim Jung. Relativ ruhig gehe es bei den Jungs derzeit zu. "Unser Büro ist sozusagen bei den Tieren, unser Homeoffice ist momentan der Stall", ergänzt Jung. Da gewöhnliche Bürotätigkeiten durch die Krise runtergefahren wurden, könne man sich noch intensiver mit den Tieren beschäftigen. "Und es ist gut, dass die Deutsche Reiterliche Vereinigung FN zeitig Gespräche geführt hat", so Jung.

"Das Coronavirus bringt uns in eine noch nie da gewesene Situation. Wir sind mit absolut berechtigten, aber scharfen und einschneidenden Maßnahmen der Behörden konfrontiert und wir sind aufgefordert, ihnen Rechnung zu tragen. Wir alle haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Als Pferdesportler haben wir allerdings noch eine Aufgabe: Unsere Pferde im Rahmen des absolut Notwendigen zu versorgen und zu bewegen. Wir setzen uns auf politischer Ebene dafür ein, dass das auch unter den Maßgaben zur Eindämmung des Virus möglich ist", erklärt FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach.

Ausnahmeregelung greift

"Es geht dabei nicht mehr darum, ob Reitunterricht stattfinden darf oder nicht, sondern allein darum, dass die notwendige Versorgung und Bewegung der Pferde sichergestellt wird." Das heißt, dass es bei den Reitern nicht zum kompletten Stillstand, zu einem generellen Reitverbot kommen muss. Es greift eine Ausnahmeregelung. "Die Pferde müssen ja weiter artgerecht gepflegt werden", sagt Jung. Die Jungs haben dafür acht Angestellte, die von außerhalb kommen, eine etwaige Ausgangssperre würde eigentlich auch sie treffen. Laut Jung gelte für sie aber eine Ausnahmeregelung, "sie dürfen dann trotzdem kommen. Ich hoffe aber, dass es keine Ausgangssperre geben wird".

Immer mehr Absagen

Worauf die Jungs keinen Einfluss haben, ist hingegen der Turnierkalender respektive das was davon übrig bleibt, und das ist nicht viel. Zuversichtlich ist Michael Jung ins sportliche Reitjahr gestartet, nahm an diversen Springturnieren teil, darunter mit fischerChelsea, die in ihrer ersten Weltcupsaison tolle Platzierungen erreichte, etwa in Helsinki, London und Leipzig. Jung zeigte sich ob der Leistung der Stute "sehr zufrieden", nun ist fischerChelsea in der wohlverdienten Ruhepause. Ab März trudelten dann die ersten Turnierabsagen ein, erst zögerlich, später zeitnah. Der baden-württembergische Verband strich alle Veranstaltungen, sogar bis in den Juli hinein, da etwa hätten in Albführen die Country Classics ausgetragen werden sollen. Namhafte Turniere in Wiesbaden oder Mannheim – gestrichen.

Optimistisch bleiben

"Wir hatten eigentlich die Hoffnung, dass es ab Mitte Mai weiterlaufen könnte. Wir versuchen optimistisch zu bleiben wie einige Turnierveranstalter auch. So stehen zum Beispiel noch folgende Reitturniere auf dem Plan: am 14. Juni das in Aachen, am 21. Juni in Luhmühlen, die Deutschen Meisterschaften am 10. Mai in Balve wurden auf den September verlegt und eben die Olympischen Spiele in Tokio Anfang August."

In der Warteposition

Überhaupt die Vielseitigkeit. Michael Jung und seine Tokioaspiranten fischerChipmunk oder fischerRocana stünden in der Warteposition, obwohl man nicht warten wolle. "Geplant war, Anfang April mit der Olympiavorbereitung zu starten", sagt Jung. Alles habe man auf das Großevent ausgerichtet, "und nun ist alles abgesagt. Das bedeutet für uns, dass wir zu Hause weitertrainieren müssen", ergänzt er. Man stelle sich darauf ein, dass es dabei auch bleibe, "alle Fachleute sind sich ja einig, dass die Situation momentan erst die Ruhe vor dem Sturm ist".

Für Michael Jung gelte es, die Pferde nicht auf Null herunterzufahren, sondern konditionell in Schuss zu halten, gerade weil sie keinen wirklichen Druck verspürten. Der Aufwand sei insgesamt derselbe wie sonst auch, das heißt, mehrmals täglich an der frischen Luft zu sein, bei gleichzeitig nicht ganz so intensiver Arbeit.

Versorgung gewährleistet

Zugute kommt den Jungs dabei die gute Witterung, das mache ein Arbeiten auf dem weitläufigen Gelände draußen möglich, "dort haben die Reiter ausreichend Abstand und wir können wie gefordert die Gruppenbildung vermeiden", sagt Jung. Die Reitstunden der Reitschule, die derweil ohnehin nur sporadisch gehalten wurden, sind auf Eis gelegt. Die Versorgung der Tiere und des ganzen Geländes sieht Joachim Jung bis auf weiteres gewährleistet. Das nötige Raufutter (Heu und Stroh) beziehe man aus der Nähe im Kreis, nur die Sägespäne und das Kraftfutter kämen von etwas weiter weg.

Zweite Saisonhälfte planen

"Wir versuchen weiterhin optimistisch in die Zukunft zu schauen und müssen abwarten wie sich die nächsten Tage und Wochen weiter entwickeln", sagt Jung. Wie die Zukunft aussehen könnte, damit beschäftigte man sich gestern Abend eingehend in einer Telefonkonferenz mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung FN und dem Deutschen Olympiade-Komitee der Reiterei DOKR. Dabei ging es darum, wie – nachdem die erste Saisonhälfte rum ist – nun die zweite Saisonhälfte geplant wird, soweit man überhaupt planen kann. Im Fokus standen dabei unter anderem Corona, die Vorbereitung auf Tokio, die EM für Ponys und weitere bevorstehende noch nicht abgesagte Veranstaltungen.