Michael Jung kann mit dem CHIO in Aachen zufrieden sein. Foto: Heimken

Reiten: Michael Jung nach abschließendem Geländeritt der Vielseitigkeit beim CHIO Aachen Zweiter. 

Der Olympiasieger Michael Jung aus Horb-Altheim und Nationalmannschaftskollegin Ingrid Klimke symbolisieren derzeit eindrucksvoll die Stärke der deutschen Vielseitigkeitsreiter. So auch am Wochenende beim CHIO Aachen.

Zehntausende Zuschauer hat der Gelände-Samstag an die Strecke gelockt – und sowohl Michael Jung als auch Ingrid Klimke lieferten einmal mehr eine grandiose Leistung ab.

Ganz genau in Augenschein genommen hatten die beiden Reiter die Strecke im Vorfeld. Zwar ging der Geländeritt "nur" über rund vier Kilometer, aber die Distanz hatte es in sich, kam anspruchsvoll und mit vielen Knackpunkten daher. Es war eine richtig große Aufgabe, die Kursdesigner Rüdiger Schwarz den Reitern der Vier-Sterne-Kurzprüfung gestellt hatte, hoch und technisch, mit vielen Klippen. Zunächst ist da die lange Galoppstrecke, auf der man im Tempo bleiben muss und die zum ersten Wasser führt. Danach geht es scharf links in Richtung Oxer. Zum Durchschnaufen bleibt kaum Zeit, für Reiter und Pferd wird es mitunter verwirrend.

"Das richtige Timing ist wichtig", sagte Michael Jung, nachdem er auf seinem Pferd Star Connection die Lichtschranke im Ziel durchritten hatte. Es ist kurz nach halb elf Uhr am Samstagvormittaeg, als Jung mit seinem Nachwuchspferd an den Start geht, und er legt einen famosen Ritt hin. 6:55 Minuten, das ist die vorgegebene Zeit, in der das Gelände durchritten sein muss. Jung gibt alles, bleibt perfekt in der Balance, galoppiert wie an der Schnur gezogen, meistert die Kombinationen wunderbar. Nach dem Zieldurchlauf sagt er: "Das war sehr gut. Es war klar, dass Star Connection nicht der Schnellste ist, aber das war auch seine erste schwere Prüfung, dafür hat er es gut gelöst." 13 Sekunden liegt er über der erlaubten Zeit, hält lange die Führung, am Ende wird er Siebter. "Star Connection hat sich im Gelände gestern selbst übertroffen, die Prüfung so easy gemeistert, dass ich während des gesamten Rittes unglaublich viel Spaß hatte. Mit dem siebten Platz konnten wir maßgeblich zum Sieg des Teams beitragen", sagte Jung.

Danach sattelt Jung um, er ist der einzige Reiter, der bei diesem Wettbewerb mit zwei Pferden an den Start geht. Während sich Jungs Mutter, seine Pferdepfleger und ein Tierarzt Star Connection annehmen, liegt der Fokus von Michael Jungs Gedanken schon wieder auf der Strecke. Mit fischerChipmunk FRH geht er als Viertletzter durch die Soers, keine Hundertstel Sekunde Unkonzentriertheit auch ob der starken Konkurrenz dürfen sie sich erlauben.

Jung und Chipmunk legen los wie die Feuerwehr, "das Pferd ist eine Geländemaschine", wird der Reiter nach dem Zieldurchlauf sagen. Es habe keine Zweifel aufkommen lassen, "dass alle Aufgaben ein leichtes sind und auch die Zeit zu schaffen ist".

Jung hält sich in der Einzelwertung mit Chipmunk schadlos. Mit dem Wallach, den er erst seit diesem Jahr reitet und der bei einer EM-Nominierung seine erste Wahl sein dürfte, kommt er eine Sekunde vor Ablauf der Zeit ins Ziel. Vielleicht hätte er sogar noch schneller sein können. Das nicht, weil er – mitunter als psychologische Anlehnungshilfe – immer wieder die Gerte von der linken in die rechte Hand wechselt, sondern vielmehr, weil Chipmunk mitten auf der Strecke vorne ein Hufeisen verliert.

Jung muss deswegen Tempo rausnehmen, Chipmunk darf nicht wegrutschen, wie es vielen anderen in der Soers passiert – und das mit allen Hufeisen. Aber Jung hat sein Pferd im Griff, auch wenn es ihn Zeit kostet. Mit Applaus der Zuschauer reitet er ins Stadion ein. Die spätere Siegerin Ingrid Klimke bekommt das alles haargenau mit, verfolgt Jungs Ritt auf dem Monitor, zieht den Hut vor ihrem Mannschaftskollegen: "Ich habe Michis Ritt gesehen, das war phänomenal. Danach hatte ich einen Plan", kommt die Kampfansage der Reitmeisterin aber prompt hinterher – und sie sollte Recht behalten.

"Mein Pferd Hale Bob war heute sehr selbstbewusst und schon beim Abreiten bestens aufgelegt. Er war auf der Strecke so schnell, dass ich mir bei den schwierigen Aufgaben genug Zeit nehmen konnte", strahlt sie nach ihrem Ritt. "Nach dem letzten Sprung war Bobby noch voller Energie, er ist wirklich fit – das gibt mir natürlich auch ein gutes Gefühl in Hinblick auf die Europameisterschaften."

Besser zusammenfassen kann man den diesjährigen Vielseitigkeitskrimi in Aachen nicht. Jung und Klimke stellten dabei nicht nur die vermeintlichen Medaillenpferde für die bevorstehende EM in Luhmühlen vor, sondern machten einmal mehr klar, wer die Eckpfeiler der deutschen Equipe sein werden – die Führungsrolle haben sie bei diesem letzten Test vor der EM jedenfalls eindrücklich unter Beweis gestellt.