Ein Mann geht auf der weltgrößten Reisemesse, der ITB in Berlin, an einem Poster vorbei. In Ostafrkia fehlt es aber immer noch an Touristen. Foto: dpa

In Ostafrika warten Reiseanbieter sehnsüchtig auf Touristen – trotz Hauptreisezeit in Europa. Einige vermuten Ebola hinter der Flaute, obwohl das Epidemiegebiet tausende Kilometer entfernt ist. Einheimische kritisieren: Ausländer blicken zu undifferenziert auf Afrika.

Kigali - Ob die Affen froh sind, dass es endlich mal etwas ruhiger zu geht in ihrem Regenwald? Wie ein Schlaflied summt das Geräusch der malmenden Kieferknochen von rund zwanzig Gorillas durch den Dschungel: Die Mitglieder der „Amahoro“-Gorillafamilie im ruandischen Virunga-Nationalpark sitzen unter Bäumen und fressen gemächlich. Von den acht Weißnasen, die an diesem Vormittag im Juli plötzlich vor ihnen stehen und sie gebannt anstarren, lassen die Affen sich nicht aus dem Konzept bringen. Spielen, schlafen, Lauskontrolle: Dass heute weniger Touristen zu Besuch sind als gewöhnlich, scheint der Affenbande schnurzpiepegal zu sein.

Acht Gorillafamilien wie die „Amahoro“-Gruppe können Touristen in dem Nationalpark im äußersten Nordwesten Ruandas beobachten. Die wild lebenden Tiere gelten als einer der wichtigsten Touristenmagnete in Ruanda und der gesamten ostafrikanischen Region. „Besonders zwischen Juni und September sind oft Monate im Voraus alle Plätze ausgebucht“, hatte der Reiseführer der Reihe „Bradt“ gewarnt.

Kenia: Tourismus aus Deutschland sinkt um ein Viertel

Panikmache, wie sich bei der Ankunft in Ruanda schnell herausstellte: Nach nur vier Tagen Wartezeit waren zwei Tickets zu haben. Nur 64 Plätze gibt es pro Tag für den Gorilla-Treck im ganzen Land, der strengen Naturschutzregeln wegen. Aber trotz Touristenhochsaison: An diesem Freitag Mitte Juli bleiben einige Plätze frei. Die Affen kümmert es nicht – die Menschen, die mit Tourismus ihren Lebensunterhalt verdienen, dafür umso mehr.

Zwar sind die Einkünfte aus dem Tourismus in Ruanda 2014 erneut gewachsen: 304 Millionen US-Dollar betrugen sie im vergangenen Jahr. 2013 waren es 293 Millionen Dollar. Aber ohne die Ebola-Epidemie in Westafrika und den Irrglauben, auch Ruanda sei betroffen, „hätten wir noch viel stärker wachsen können“, sagt Linda Mutesi. Sie ist die Sprecherin der ruandischen Entwicklungsorganisation. Dort werden die Tickets für Gorillatouren verkauft.

In Kenia und Uganda – zwei weiteren beliebten Reiseländern Ostafrikas – sieht es schlechter aus: Rund 37 Prozent weniger deutsche Touristen als im Vorjahreszeitraum zählte Kenia im ersten Quartal 2015. 2014 waren es rund ein Viertel weniger als 2013.

Das Ebola-Gebiet liegt tausende Kilometer entfernt

Richard Tooro leitet ein kleines Büro für Touristentouren in Fort Portal, einer Stadt im Westen Ugandas. Auch er beklagt Besuchereinbußen. Normalerweise sei Fort Portal mit seinen berühmten Kraterseen und umliegenden Nationalparks eine Touristenhochburg. Der nahe gelegene Kibale-Nationalpark zum Beispiel geht nahtlos in einen weiteren Nationalpark über. Die beiden Parks sind die beliebteste Gegend für Safaris in Uganda. „Aber im Vergleich zu früheren Jahren kommen jetzt viel weniger Touristen. Unsere Arbeit und die Wirtschaft der ganzen Stadt leiden darunter“, sagt Tooro.

Warum meiden Touristen den Osten Afrikas? „Ebola“, äußern einige Menschen hier knapp ihre Vermutung. Die Ebola-Epidemie in Westafrika beherrschte seit dem Frühling 2014 die internationalen Schlagzeilen. Die Epidemie konzentrierte sich – bis auf vereinzelte Fälle in Nachbarländern – auf drei Länder in Westafrika: Sierra Leone, Guinea und Liberia. Dort sind inzwischen rund 11 200 Menschen an dem Virus gestorben, auch wenn die Verbreitung inzwischen stark gesenkt werden konnte. Nur noch drei bestätigte Fälle gab es laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Anfang August in allen drei betroffenen Ländern zusammen.

Deutscher Reiseverband: Veranstalter bemerkten deutliche Zurückhaltung

In Kenia, Ruanda und Uganda – drei beliebten Reiseländern Ostafrikas – gab es laut WHO bei der jüngsten Epidemie keinen einzigen Ebola-Fall. 4125 Kilometer liegen zwischen Ruandas westlichstem Zipfel und dem Epidemiegebiet. Von Ebola ist Ruanda also fast genauso weit entfernt wie von Stuttgart: 5998 Kilometer liegen zwischen Ruandas Hauptstadt Kigali und der Landeshauptstadt.

„Aber über die Geografie Afrikas wissen viele europäische Touristen nicht Bescheid“, sagt Birger Meierjohann vom kenianischen Fremdenverkehrsamt. „Oft sehen die Leute Afrika einfach als Ganzes. Es wird zu wenig differenziert.“

Sibylle Zeuch hat dasselbe beobachtet wie Meierjohann. Sie ist die Sprecherin des Deutschen Reiseverbands, bei dem sich der Großteil der deutschen Reiseveranstalter zusammengeschlossen hat. „Viele Veranstalter stellten aufgrund der Epidemie eine deutliche Zurückhaltung bei deutschen Gästen fest. Es entstand der Eindruck, dass die Kunden auf einmal ganz Afrika als unbereisbar ansahen“, sagt Zeuch. Dabei seien Liberia, Sierra Leone und Guinea – also die unmittelbar betroffenen Länder – auch vor der Epidemie keine typischen Reiseziele gewesen. Der Tourismus leidet also in Ländern, die selbst gar nicht betroffen waren.

Südostasien liegt bei Backpackern mehr im Trend als Ostafrika

Neben Ebola machen noch andere Trends Tourismusunternehmern in Ostafrika das Leben schwer. Bei jungen Rucksacktouristen liege seit einigen Jahren Südostasien hoch im Kurs. Das ginge zulasten Ostafrikas, beobachtet Mark Vine. Er bietet in Uganda Wildwasserrafting auf dem Nil an. In Kenia hingegen kommt die Angst vor Terroranschlägen der islamistischen Al-Shabaab-Miliz hinzu. „Im Prinzip ist das Problem dasselbe wie bei Ebola: Ein Mangel an Differenzierung“, sagt Kenia-Experte Birger Meierjohann. „Die Leute denken, in ganz Kenia herrsche Terrorgefahr. Dabei sind es nur ausgewählte Regionen.“ Allmählich erholten sich die Zahlen zwar jetzt. Insgesamt komme der Aufschwung aber nur langsam.

Die leeren Auftragsbücher in Ostafrika belasten nicht nur einzelne Reiseveranstalter. Denn in einigen afrikanischen Ländern ist der Tourismus eine wichtige Säule der gesamten Volkswirtschaft. In Kenia werden in der Tourismusbranche rund fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. In Uganda sind es rund drei und in Ruanda rund vier Prozent (Stand 2013). Das hat der World Travel and Tourism Council ermittelt, eine Londoner Organisation. Die Londoner Organisation erforscht, wie wichtig der Tourismus für die Weltwirtschaft ist. Einer von 20 Jobs in Afrika südlich der Sahara hängt laut der Weltbank am Tourismus – zum Beispiel der von Richard Tooro, dem Tourguide in Uganda.

Straßen werden repariert: Hoffnung auf mehr Besucher in der Zukunft

Nicht nur Tooro hofft deshalb, dass bald wieder mehr Touristen nach Ostafrika kommen. „Wir arbeiten hart daran, unsere Straßen zu verbessern, und haben eine stabile Regierung. Die Zukunft könnte rosig aussehen“, sagt Toroo. Nur daran, wie europäische Touristen über Afrika denken, können er und seine Landsleute wenig ändern. Erkannt haben sie das Problem längst. Das zeigt eine Power-Point-Präsentation der ostafrikanischen Staatengemeinschaft zu Investment-Chancen in Afrika. Beim Punkt „Große Herausforderung“ heißt es in der Präsentation: „Anderswo wird Afrika wie ein einziges Land gesehen, das voller Probleme und Krankheiten ist.“