Stuttgarts Ballettintendant Reid Anderson: Klare Worte zur Cranko-Schule Foto: PPFotodesign.com

Seit fast 15 Jahren ringt Reid Anderson um den Neubau der John-Cranko-Schule des Stuttgarter Balletts. Wie berichtet, gehen jüngste Analysen von 45 Millionen Euro Baukosten aus. Von der Landesbauverwaltung waren bisher 32 Millionen Euro genannt worden.

Stuttgart - Seit fast 15 Jahren ringt Reid Anderson um den Neubau der John-Cranko-Schule des Stuttgarter Balletts. Wie berichtet, gehen jüngste Analysen von 45 Millionen Euro Baukosten aus. Von der Landesbauverwaltung waren bisher 32 Millionen Euro genannt worden.


Herr Anderson, Sie werden das Stuttgarter Ballett zwei Jahre länger leiten – mit welchem Kernziel?
Das Stuttgarter Ballett steht besser da denn je. Wir sind stets ausverkauft hier zu Hause und erhalten ununterbrochen Einladungen zu Gastspielen aus der ganzen Welt. Wir werden unseren Kurs, Tänzertalente aus unserer Schule zu fördern und – wie es Cranko formulierte – zu Stars wachsen zu lassen, fortsetzen. Momentan sind fünf unserer Ersten Solisten Absolventen der Schule, und alle sind sie weltweit gefragt als Gasttänzer. Die choreografischen Talente aus der Schule bekommen inzwischen ebenfalls schon weltweit Aufträge.

Die Kompanie hat sich in den vergangenen zwei Jahren in der Spitze sehr verändert. Sehen Sie jetzt bereits wieder kommende Führungspersönlichkeiten?
Auf jeden Fall. Nicht nur unsere jungen Ersten Solisten Hyo-Jung Kang und Alexander Jones, sondern auch unsere Solistinnen Elisa Badenes oder Rachele Buriassi sowie Daniel Camargo sind jetzt schon Publikumslieblinge. Und dahinter steckt noch eine Menge Talent wie Alessandra Tognoloni, David Moore, Constantine Allen, Pablo von Sternenfels und Robert Robinson.

Sie haben Ihren neuen Vertrag nach unseren Informationen vor Bekanntwerden der jüngsten Zahlen zum Neubau der John-Cranko-Schule unterschrieben. Nicht mehr 32 Millionen Euro werden genannt, sondern 45 Millionen Euro. Glauben Sie weiter an das Projekt?
Ich habe von Anfang an daran geglaubt. Daran wird sich – egal, was passiert – nichts ändern. An dem Projekt hat sich eigentlich auch durch die neuen Zahlen nichts geändert: Dieser Neubau ist eine Notwendigkeit und kein Luxus – nicht nur für die Schule, sondern auch für die Kompanie. Im internationalen Vergleich liegen wir in beiden Bereichen weit hinter dem, was inzwischen anderswo zum Standard geworden ist.

In der Diskussion sind überraschende Untertöne hörbar. Kritisch wird nach dem „Gesundheitszentrum“ gefragt, und es fällt der Begriff „nice to have“. Enttäuscht Sie diese Haltung?
Absolut. In der Planung für den Neubau gab es von Anfang an keine „nice to haves“! Es war immer nur die Rede von den „Basics“. Wir haben nie nach dem, was wir gerne hätten, gefragt, sondern immer nur nach dem, was wir wirklich brauchen! Und noch mal: Im internationalen Vergleich fallen auch die 50 Millionen Euro gering aus. Die National Ballet School in Toronto hat 100 Millionen Dollar gekostet! Da sind wir mit unseren Forderungen noch „schwäbisch bescheiden“. Und: Dass Tänzer als Hochleistungssportler einen Physiotherapeuten und Reha-Möglichkeiten benötigen, ist doch kein Luxus. Das „Gesundheitszentrum“ ist unabdingbar. Unsere Tänzer arbeiten seit Jahren in unwürdigen Verhältnissen; unsere Schüler inzwischen auch.

In Zürich wird die Erweiterung des Kunsthauses mit mehr als 20 Millionen Euro von privater Seite aus mitfinanziert. Was glauben Sie – wie viel Begeisterung werden Sie bei den Freunden des Balletts noch entfachen können?
Die John-Cranko-Schule ist eine Staatliche Ballettschule – und zwar die erste in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist die Pflicht des Landes und der Stadt, diesen Neubau zu finanzieren. Die Diskussion um private Co-Finanzierung sollte erst gar nicht aufkommen! Ein privater Sponsor kann vielleicht für die sogenannten Extras gefragt werden. Aber nicht für den Bau an und für sich.

Die Spielzeitkonferenz ist nahe, Sie werden nichts verraten wollen. Aber gleichwohl die Frage nach Marco Goecke. Er musste aus gesundheitlichen Gründen etwas zurückstecken. Es müsste ihn und Sie doch eigentlich reizen, dies in den kommenden beiden Jahren wieder auszugleichen . . .
Seitdem Marco Goecke Hauschoreograf bei uns ist, haben wir den Plan, dass er mindestens einmal pro Spielzeit ein neues Stück für uns kreiert. An diesem Plan wird sich nichts ändern. Und – ja, Herr Goecke kreiert nächste Spielzeit wieder Neues für uns!