Detlev Buck über das Dorfleben in den 80ern, Til Schweiger, Hysterie und über seine Rolle in der TV-Serie zum Wacken-Festival.
In der Serie „Legend of Wacken“ verkörpert Detlev Buck den Bauern, auf dessen Acker das Heavy-Metal-Festival in Wacken gegründet wurde. Nicht weit von hier hat er selbst eine Kindheit auf dem Land erlebt. Wie sehr der Zeitgeist von damals sich vom heutigen unterscheidet, erzählt der 60-Jährige im Gespräch über schöne Dörfer und hässliche Schlagzeilen.
Herr Buck, ein Zitat aus der Serie „Legend of Wacken“ heißt: „Schleswig-Holstein in den 80ern – da ging gar nichts. Es gab einen Bus, der fuhr einmal am Tag. Und der einzige Lichtblick war die Klassenschönheit Anja Hansen.“ Wie waren Ihre 80er?
Vor der Digitalisierung herrschten eine größere Naivität und Leichtigkeit, auch ein anderes Tempo. Dadurch entstand Kreativität. Ein anderes Zitat aus der Serie heißt: „Wenn ich zu einer Party nicht eingeladen bin, dann feiere ich eben zu Hause.“ Aus dieser Einstellung heraus ist das Festival in Wacken entstanden. Man findet sein Glück nicht nur in Metropolen. Die Party ist zu Hause möglich. Vielleicht sogar nur da. In Hamburg könnte man so ein Festival gar nicht machen, weil sofort irgendwelche Leute Beschwerde einreichen. Man braucht die Lässigkeit der Einheimischen. Meine eigenen 80er kann ich nicht in einem Satz zusammenfassen. Aber bei uns fuhr der Bus zweimal. Nachmittags musste man ja wieder zurückkommen.
Stimmt es, dass Sie immer noch auf dem Hof Ihrer Kindheit wohnen, zumindest teilweise?
Ja, und das ändert sich auch nicht. Das ist dein Zuhause. Das kannst du auch verkaufen – aber es bleibt trotzdem der Ort, wo du aufgewachsen bist. Auf dem Land zu sein, relativiert vieles.
Früher gab’s den Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“; heute heißt das „Unser Dorf hat Zukunft“. Klingt verzweifelt, oder?
„Unser Dorf soll schöner werden“ – da war der Schönheitsbegriff natürlich auch schon dehnbar. Für mich hatte das nie was mit Blumen und gepflegtem Rasen zu tun. Was ich wichtig finde, ist die Lebendigkeit. Man kann das überhaupt nicht mehr vergleichen. Damals hatten wir 17 landwirtschaftliche Betriebe im Dorf. Überall waren Menschen. Man hat sich getroffen. Und als Kind lief man so mit. Hubschrauber-Eltern gab es nicht.
Sie und Til Schweiger kennen sich schon sehr lange. Finden Sie, dass in der Debatte um Machtmissbrauch fair mit ihm umgegangen wird?
Ich weiß es nicht; ich war bei seinen Dreharbeiten nicht dabei. Ich finde die Medien aber hysterisch – auch in Richtung Vorverurteilung. Natürlich soll alles auf den Tisch kommen, was falsch läuft. Kritik am Machtmissbrauch, die Metoo-Bewegung – das ist alles absolut richtig. Aber das braucht eine Sachlichkeit und die Medien verkaufen es nicht sachlich, die sozialen Medien schon gar nicht. Dadurch kommen wir in eine Hysterie, nicht nur beim Thema Machtmissbrauch.
Ihr Markenzeichen ist eine norddeutsche Lakonie, also genau das Gegenteil von Hysterie. Brauchen wir das nötiger denn je? Oder fühlen Sie sich aus der Zeit gefallen?
Eine gewisse Lässigkeit ist immer gut, auch als Schutz, dass man nicht sofort hochfährt. Unsere Zeit ist nicht lässig. Eine Gesellschaft, die souverän ist, kann über sich selber lachen. Und viele Leute können das nicht mehr, weil sie sich sofort angepisst fühlen. Viele haben Angst und wollen alles richtig machen. Das Schlimmste für mich sind die Auskenner, die Richtigmacher. So ist das Leben nicht. Kreativität entsteht nur, wenn man Fehler macht.
Haben wir vielleicht nur vergessen, dass die 80er mit ihren Friedensdemos auch sehr aufgeregt waren? Oder wurde damals in einem anderen Ton gestritten?
Wir haben uns über alle möglichen Probleme aufgeregt. Aber die Aufeinanderfolge scheint mir schneller zu sein. Und ich gucke skeptisch auf die Panik oder Unsicherheit, mit der auch die Jugend heute diskutiert.
Verunsichern Debatten über Machtmissbrauch am Set Sie selbst? Hinterfragen Sie, wie Sie in den letzten Jahrzehnten gearbeitet haben und wen Sie alles vor den Kopf gestoßen haben?
Du bist ja lustig. Was denkst du denn, was ich darauf sage? „Mann, Alter, ich habe mich da völlig falsch verhalten!“ Das wäre doch bescheuert. Natürlich habe ich – hundertpro – in all den Jahren Leute vor den Kopf gestoßen. Aber in erster Linie – und das ist auch bei Til so – steht der Film im Vordergrund und nicht die Machtposition. Vor allen Dingen, wenn du nicht nur Regie führst, sondern auch selbst produzierst. Da bist du nämlich für alles verantwortlich.
Geht die Debatte nach den Vorwürfen gegen Rammstein jetzt beim nächsten Wacken-Festival weiter?
Wacken ist eine ganz eigene Community. Ich habe mit dem Wacken-Gründer Holger Hübner darüber gesprochen. Rammstein waren ganz am Anfang bei ihm auf dem Festival, vor 80 Zuschauern. Ich kenne die Leute aus der Band ja auch alle, Paul, Flake, Till. Es tut mir auch ein bisschen weh, wie diese Weltgeschichte, die sich da aus einem Bandkeller in der DDR entwickelt hat, jetzt so zerbröselt. Aber auch in diesem Fall weiß ich nicht, was vorgefallen ist. Anscheinend sollte das wirklich aufgearbeitet werden. Seriös, bitte. Es ist aber schon was kaputtgegangen. Und dann die Medien – du fragst mich ja auch nicht zur Serie. Den Vorwurf mache ich auch dir: Du kommst von Til Schweiger zu Rammstein und schießt genau in dieselbe Richtung. Und das ist etwas, das ich nicht so schätze.
Ich habe noch musikalische Fragen auf dem Block: Täuscht mein Eindruck oder gehen Teenager, die vor 40 Jahren Metal gehört hätten, heute auf Helene-Fischer-Konzerte?
Am Ende ist es nur eine Frage der Freude, ob man „Atemlos durch die Nacht“ singt oder „Are you ready to kill each other“. Es geht immer um dasselbe: ums Loslassen, um das Sich-Auflösen in so einem Song. Das kann auch Techno sein, egal. Ich war auf einem Helene-Fischer-Konzert und freue mich, wenn die Fans sich freuen – auch wenn das nicht meins ist. Ich war in Wacken, und wenn Slipknot da rummacht und alle freuen sich, dann ist das auch okay. Ich urteile nicht über den Geschmack der Leute. Ich mochte auch immer die Echo-Verleihung, weil da alles so durchmischt war. Volksmusik, Pop, alle kamen zusammen. Und am Ende standen da die Rapper Kollegah und Farid Bang mit ihrer Songzeile „Mein Körper ist definierter als von Auschwitzinsassen“. Der Diskurs darüber war dann richtig und gut. Aber am Ende wurde gleich alles abgeschafft, der ganze Preis. Und jetzt vereinzelt das, jede Gruppe macht ihr Ding; meiner Meinung nach ist das ein Fehler.
Ihre „Bibi & Tina“-Filme sind voller Songs, die den musikalischen Geschmack von Grundschülern prägen. Mogeln sich da private Vorlieben ein?
Nein, da gebe ich nur die Themen vor, zum Beispiel bei „Mädchen auf dem Pferd“. Das kam, weil ich selbst mal in ein Pferdemädchen verknallt war und immer mit dem Rad nebenherfahren musste. Reiten konnte ich nicht. Die vergebliche Liebe zu einem Pferdemädchen sitzt mir in den Knochen; und anscheinend trifft das einen Nerv. Der Song ist gerade ein Tiktok-Hit. Über ungleichzeitige Liebe wird es immer Songs geben. Manche Sachen ändern sich nie. Die menschlichen Themen bleiben gleich.
Die menschlichen Themen?
Ich war gerade auf einer Veranstaltung zur Künstlichen Intelligenz; da hat ein Hirnforscher von den Milliarden und Abermilliarden Hirnzellen erzählt, die immerzu Zehntausende Signale senden und empfangen. Was er meinte: Die KI ist berechenbar; der Mensch ist es nicht und das macht seine Schönheit aus. Wenn wir uns selbst berechenbar machen wollen, dann werden wir unmenschlich.
Zur Person
Anfänge
Detlev Buck wird am 1. Dezember 1962 im schleswig-holsteinischen Bad Segeberg geboren und wächst in einem Dorf zwischen Lübeck und Hamburg auf. Im Alter von 21 Jahren, noch vor seiner Aufnahme an der Filmhochschule, dreht er den Provinzfilm „Erst die Arbeit und dann?“.
Durchbruch
Mit Werken wie „Wir können auch anders . . .“ (1993) und „Männerpension“ (1996) wird er zu einem Protagonisten des Komödien-Booms der 90er. „Knallhart“ (2006) bedeutet einen Wechsel ins Gangsterdrama, mit „Die Vermessung der Welt“ (2012) und „Felix Krull“ (2021) folgen Literaturverfilmungen. Die sechsteilige Serie „Legend of Wacken“ ist ab dem 7. Juli bei RTL+ zu sehen.