Ein Regionalzug fährt durch den Bahnhof von Wendlingen Foto: Piechowski

Verband Region überweist an die Bahn in diesem Jahr nur rund 15 anstatt 17 Millionen Euro. 

Stuttgart - Es geht um mehr als zehn Millionen Fahrgäste jährlich im Ballungsraum, die mit einem VVS-Ticket in einen Regionalzug einsteigen. Als Ausgleich überwies die Region der Bahn zuletzt 17 Millionen Euro. Darüber tobt seit Jahren ein Streit, der jetzt beigelegt werden könnte.

Offenbar unter dem Eindruck der öffentlichen Diskussionen während der Haushaltsdebatte der Regionalversammlung im vergangenen Herbst ist die Bahn bereit, einen Abschlag in Höhe von zehn Prozent für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2012 zu akzeptieren. Unterm Strich bekommt das Unternehmen dann noch etwa 15 Millionen Euro für eine Leistung, die ihr sonst Jahr für Jahr mehr brachte.

"Mein Eindruck ist, dass die Bahn den Konflikt befrieden möchte", sagt der für den Nahverkehr zuständige Direktor Jürgen Wurmthaler vom Verband Region Stuttgart. Erstmals lasse das Unternehmen die Tendenz erkennen, die Regionalzüge nicht als Erfolgsgeschichte für sich, sondern als Teil des VVS-Netzes zu sehen, der von anderen Verkehrsmitteln wie den Bussen profitiert. "Das signalisiert einen gewissen Verhandlungstrend für die Zukunft", sagt Wurmthaler voraus. Bis spätestens Mitte 2012 soll der Vertrag über die sogenannten Schienenaußenstrecken Geschichte sein.

Seit dem 1. Oktober 1993 muss ein Mensch, der mit dem Interregio etwa von Vaihingen/Enz nach Stuttgart und weiter mit der Stadtbahn nach Möhringen fahren will, nicht mehr zwei separate Fahrscheine lösen. Er kommt mit dem günstigeren Ticket des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart (VVS) direkt ans Ziel. Damit die Bahn mitmacht, die so kein eigenes Bahnticket mehr verkaufen kann, haben die Verbundlandkreise damals den Vertrag über die Schienenaußenstrecken abgeschlossen. Dieser garantiert der Bahn, dass der Verband Region ihre Verluste jährlich ausgleicht. Diese Sorte Fahrgäste und die von ihnen zurückgelegten Zugkilometer werden ständig mehr: 1995 machten sie 126 Millionen sogenannter Personenkilometer, 2005 rund 214 Millionen. Deshalb stieg auch das Entgelt. 1995 gab es umgerechnet rund acht Millionen Euro, 2009 schon 16,9 Millionen Euro.

Feste Quote an Ticket-Einnahmen

Spätestens im Jahr 2005 zogen die vier Verbundlandkreise Böblingen, Esslingen, Ludwigsburg und Rems-Murr mit dem damaligen Böblinger Landrat und aktuellen Regionalrat Bernhard Maier (Freie Wähler) gegen das Papier zu Felde. "Hier gehen dem Verband jährlich Millionenbeträge verloren", polterte Maier nicht nur einmal. Da die Bahn auch knapp ein Drittel der jährlich rund 350 Millionen Euro Ticket-Erlöse im VVS erhält, witterten die Landkreise eine gewaltige Überbezahlung. Zumal gar nicht so genau erfasst wird, welche Strecken die mehr als eine Million Fahrgäste täglich zurücklegen und mit welchen Verkehrsmitteln sie das tun. Die Kreise tippten bei dem Plus an Fahrgästen eher auf die von ihnen bestellten Buslinien.

Vor drei Jahren legten die Landräte ein Gutachten vor, wonach die Region die Regionalzüge tatsächlich doppelt und dreifach bezahle und damit möglicherweise auch gegen geltendes EU-Recht verstoße. Der Verband Region hielt mit einem eigenen Gutachten dagegen, nahm sich aber vor, den umstrittenen Vertrag trotzdem abzuschaffen und der Bahn dafür einen höheren Anteil an den Ticket-Einnahmen zuzugestehen. Ein Vorgehen, das auch das Land bevorzugt.

Denn das Innenministerium will von 2013 an das baden-württembergische Schienennetz in 15 Tranchen öffentlich ausschreiben. Der Vertrag der Region, der über Fahrscheineinnahmen hinaus auch gut eine halbe Million Euro aus Steuermitteln enthält, könnte da im Weg sein. Zumal der Verkehrsclub Deutschland 2010 Beschwerde gegen die Zahlungen bei der EU-Wettbewerbskommission einreichte. Land und Region mussten sich beim Bundesverkehrsministerium erklären, momentan liegt das Verfahren wieder in Brüssel, wie aus Stuttgart zu hören ist.

Nach Jahren des Streits, in dessen Verlauf auch schon einmal ein Riss durch das bürgerliche Lager zwischen CDU und Freien Wählern ging, wendete sich im vergangenen Jahr das Blatt in der Regionalversammlung. Zunächst unterstützte Stuttgarts OB Wolfgang Schuster die Landräte, mit denen er sich sonst selten einig ist. Dann entschied sich die SPD erstmals gegen den Kurs der Regionalverwaltung, über die Regionalzüge nur im Verborgenen zu verhandeln, und beantragte im Rahmen der Haushaltsdebatte, die Summe für die Regionalzüge um zwei Millionen Euro geringer anzusetzen. Die Mehrheit folgte SPD und Freien Wählern gegen den Willen der Verwaltung.

Auch die Bahn bewegte sich 2010. Zunächst kam der Verband mit dem Unternehmen überein, den alten Vertrag aufzulösen und fürs Erste in eine feste Quote in Höhe von rund 4,4 Prozent an den Ticket-Einnahmen zu übersetzen. Damit werden auch für 2010 rund 17 Millionen Euro fällig.

Die 15 Millionen, die dann für 2011 überwiesen werden, sind nach Einschätzung des Verbands schon weniger als der VVS-Tarif. Die Freien Wähler glauben dagegen, dass die Bahn jedes Jahr drei Millionen Euro zu viel bekommt. Region und Bahn werden noch öfter über die Regionalzüge verhandeln.