Kaum gefragt: Stromtankstelle im Esslinger Parkhaus am Pliensauturm Foto: Moritz

Modellregion für Elektromobilität: Die neue Technik ist noch nicht im Alltag angekommen.

Stuttgart - Leise surrende Elektroautos und mit Strom betriebene Cityroller sind auf den Straßen der Region nach wie vor eine Seltenheit. Obwohl Stuttgart seit über einem Jahr als Modellregion für Elektromobilität auf sich aufmerksam macht, ist die neue Technik noch längst nicht im Alltag angekommen.

Eigentlich hätte Parkhausbesitzer Eckhard Roleff schon bei der Einweihung seiner neuen Stromtankstelle am Esslinger Pliensauturm stutzig werden müssen: Weder bei Mercedes noch bei Audi oder BMW war zum Eröffnungstermin im August ein Elektroauto aufzutreiben. Nur weil Betreiber Jürgen Brixner nach mühevoller Suche im Smart-Center Neckar-Alb in Hechingen einen in Italien entworfenen Tazzari Zero organisieren konnte, geriet die Vorführung nicht zum Reinfall - unter großem Applaus wurde das Ladekabel des Elektro-Pioniers an die öffentliche Steckdose im Parkhaus angedockt.

"Das war nur rausgeschmissenes Geld"

Das Problem: Reguläre Kundschaft hat die Esslinger Stromtankstelle bisher nicht bedient. Obwohl der nur einen Katzensprung von der Innenstadt entfernten Anlage ein rascher Zulauf von energiehungrigen Elektromobilisten vorhergesagt worden war, scheint es kein allzu großes Interesse am Kraftstoff aus der Steckdose zu geben. Seit der Eröffnung vor zwei Monaten hat kein einziger Kunde am Pliensauturm auch Strom gezapft.

"Das war nur rausgeschmissenes Geld", ärgert sich Eckhard Roleff über die Flaute am Ladekabel. 5500 Euro hat der Parkhausbesitzer in seine Stromtankstelle investiert, weil die getankte Energie direkt mit dem Parkticket abgerechnet wird, gilt die Esslinger Anlage als bundesweit einmalig. Doch die elektrischen Versuchsfahrzeuge, die bisher über die Straßen der Region surren, nutzen eine öffentliche Stromtankstelle ebenso selten wie E-Mobile im Einsatz von Firmen oder Verwaltungen. Und: Auf Strom setzende Privatleute gibt es auch in der Modellregion Stuttgart noch viel zu wenige - im gesamten Kreis Esslingen sind gerade 51 Elektrofahrzeuge registriert.

Ludwigsburg will Modellkommune für E-Mobilität werden

Deshalb winkt auch der bei den Stadtwerken Nürtingen für die Stromsparte zuständige Michael Klesse ab: Obwohl die Rathaustochter an ihrer Stromtankstelle sogar zum Nulltarif zapfen lässt (die Abrechnung wäre teurer), wurde auch dort noch kein Elektroauto aufgetankt. Genutzt wird die Station nur von Fahrern, die einen E-Roller der Stadtwerke gekauft haben - seit Frühjahr gingen aber gerade mal zehn Exemplare weg. "Wir hätten uns mehr Resonanz gewünscht", räumt Michael Klesse ein.

Dabei sind Elektroautos für die Mehrheit der Deutschen durchaus eine Alternative. Laut einer aktuellen Umfrage geben 54 Prozent der Bundesbürger an, mit dem Kauf eines E-Mobils zu liebäugeln. Bei den bis zu 30-Jährigen stellt die vom Tüv in Auftrag gegebene Studie noch größeres Interesse fest - 62 Prozent der Befragten denken ernsthaft über ein Stromfahrzeug nach. Die Branche erwartet, dass das von der Bundesregierung ausgegebene Ziel, bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße zu bringen, weit übertroffen wird. Frank Müller, Geschäftsführer des Bundesverbands eMobilität, rechnet mit 4,5 Millionen Wagen - sobald strombetriebene Flitzer im Straßenbild auftauchen, werde ein Dominoeffekt weiteres Interesse nach sich ziehen.

Ludwigsburg will Modellkommune für E-Mobilität werden

Dagegen warnt Experte Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen-Geislingen, vor überzogenen Erwartungen. Durch Anstieg der Strompreise und exorbitante Batteriekosten drohe die Blase ums Elektroauto zu platzen - vor allem, wenn die Anschubfinanzierung des Staats auslaufe. "Für normale Autofahrer sind E-Autos noch nicht interessant", sagt Diez. Zudem seien Strommobile nur wirklich emissionsfrei, wenn die nötige Energie aus Sonne, Wind oder Wasser stamme.

Exakt aus diesem Grund rechnet sich die Stadt Ludwigsburg gute Chancen aus, eine von drei Modellkommunen für Elektromobilität im Land zu werden. Im 2009 eingeweihten Holzheizkraftwerk am Güterbahnhof haben die Stadtwerke mit der Produktion umweltfreundlicher Energie begonnen - eine Vorreiterrolle bei den neuen Antriebstechniken wäre für OB Werner Spec deshalb ein folgerichtiger Schritt: "Elektromobilität fängt hinter der Steckdose an", sagt der Rathauschef. Spec sieht in dem Pilotprojekt auch eine Chance für ortsansässige Autozulieferer, sich im Markt zu positionieren. Neben Getriebehersteller Getrag ist der Filterspezialist Mann + Hummel für eine Kooperation im Gespräch. Für den Projektkoordinator hat der Gemeinderat eine halbe Stelle bewilligt, 25.000 Euro sind als Startgeld vorgesehen. Allerdings ist unklar, welche konkreten Projekte es geben soll. Diskutiert werden mit Strom betriebene Stadtbusse und die Anschaffung von E-Mobilen für den Rathaus-Fuhrpark. Und: Auch die Schaffung von Stromtankstellen spielt eine Rolle.