Programmcode auf einem Computer. Foto: Zinken

"SallyIsG4y" aus Baden-Württemberg Nummer 17 im Adventskalender. Anzeige im Juni 2018 erstattet.

Region - Hätte der 20-jährige Hacker, der die Daten von rund 1000 Politikern und Prominenten ins Netz gestellt hat, schon vor seiner Tat gestoppt werden können? Darauf deutet einiges hin. Denn vor allem in der Youtube-Szene ist der junge Mann, der mal unter dem Pseudonym "G0d", mal unter dem Namen "0rbit" im Internet aufgetreten ist, offenbar keineswegs ein Unbekannter. Und schon seit Längerem dafür bekannt, Daten anderer Menschen zu veröffentlichen.

"SallyIsG4y", ein Youtuber aus Baden-Württemberg, ist eines seiner Opfer – und einer der Betroffenen des grotesken "Adventskalenders" des Hackers. Vom 1. bis zum 24. Dezember hat der 20-jährige Schüler aus Hessen bei Twitter täglich ein "Türchen" geöffnet. Der jeweilige Inhalt: ein Link, der zu anderen Internetseiten führt, auf denen Telefonnummern, Adressen oder auch Fotos von Politikern und Prominenten zu finden sind. "SallyIsG4y" ist die Nummer 17.

Dessen Daten stellt der Hacker aber bereits am 31. Mai erstmals ins Internet, berichtet der Youtuber unserer Zeitung. Mit gravierenden Folgen.

Geschädigter erhält Pizza-Bestellungen

Seit Monaten erhält er bis zu 50 Anrufe von unbekannten Telefonnummern pro Tag und bis zu 100 Textnachrichten in wenigen Minuten. An manchen Tagen mehr, an anderen weniger, manchmal herrscht auch wochenlang Funkstille. Mehrfach werden in seinem Namen Bestellungen für Pizza im Wert von mehr als 100 Euro aufgegeben; zwei Mal passiert das auch seiner Familie – denn auch deren Daten veröffentlicht der Hacker im Mai 2018. Unbekannte verschaffen sich zudem Zugriff auf ein altes Ebay-Konto von "SallyIsG4y", versuchen von dort aus Waren im Wert von rund 200 Euro zu bestellen. Auch das Bankkonto des Youtubers wird beinahe von Hackern gekapert. Einmal steht jemand vor seiner Haustür.

Aus all diesen Gründen will "SallyIsG4y" auch nicht namentlich genannt werden – um sich und seine Familie zu schützen. Was seine Daten angeht, ist er noch vorsichtiger geworden. Seine digitalen Konten durchsucht er auf Sicherheitslücken, deaktiviert alte Accounts, lässt E-MailAdressen bei Lieferdiensten sperren, um böse Überraschungen zu vermeiden. Und er erstattet bereits am 1. Juni 2018 Anzeige gegen unbekannt bei der Polizei – viele Monate bevor der massive Hackerangriff nun für Aufruhr sorgt.

Damals weiß aber offenbar niemand, wie man ihm helfen könnte. Einer der Polizisten habe gesagt, er wisse gar nicht, ob es überhaupt eine Straftat sei, persönliche Daten im Internet zu veröffentlichen. Und passiert sei entsprechend vorerst gar nichts.

Eine Unwissenheit, die der Youtuber als "krasses Defizit in der Ausbildung" der Beamten bezeichnet; einzelnen Polizisten will er dabei gar keine Schuld zuschieben. Für ihn ist aber auch klar, dass hier nachgebessert werden muss. Denn: "Solche Daten werden ja nicht ins Netz gestellt, damit freundliche Menschen deine Adresse kennen, um dir Kuchen vorbeizubringen", sagt "SallyIsG4y". Im Gegenteil: Wer Telefonnummer und Co. anderer Menschen veröffentliche, erhoffe sich davon wohl eher, dass diese in der Folge terrorisiert werden.

Er selbst ist vermutlich Opfer des Hackers geworden, weil dem 20-Jährigen die Inhalte seines Youtube-Kanals nicht passen. In seinen Videos beschäftigt sich "SallyIsG4y" mit gesellschaftlichen, politischen und philosophischen Themen, positioniert sich politisch klar gegen rechts – und lässt sich in sozialen Netzwerken auch immer wieder auf Diskussionen mit Vertretern des rechtsgerichteten Spektrums ein. Dafür ist er in der Vergangenheit im Internet immer wieder angefeindet worden, beleidigt und letztlich auch in den Fokus der Aufmerksamkeit jener Gemeinschaft gerückt, denen seine Standpunkte nicht gefallen. "SallyIsG4y" glaubt, dass er dadurch auch ins Visier des 20-Jährigen geraten sein könnte.

Inzwischen ist der junge Hacker bekanntermaßen von der Polizei ermittelt und zeitweise verhaftet worden. Er hat ein Geständnis abgelegt und wurde anschließend wieder freigelassen. Bei seiner Vernehmung gibt er an, er habe Menschen "bloßstellen" wollen, über deren öffentliche Äußerungen er sich geärgert habe. Laut einem "Bild"-Bericht soll der 20-Jährige die Passwörter übrigens nicht komplett allein erbeutet haben; einige der Daten stammten demnach aus dem Darknet, wo der Hacker diese erworben habe. Zunächst war berichtet worden, der junge Mann habe keine Hilfe bei seiner groß angelegten Aktion gehabt.

Beim zweiten Mal wird Anliegen ernster genommen

"SallyIsG4y" meldet sich zwischenzeitzeitlich indes nochmals bei der Polizei. Diesmal stößt er dabei auf deutlich größeres Interesse. Seine Daten sind jedoch noch immer im Netz. Und, so fürchtet er, werden dort wohl erst mal weiter bleiben.

Für den Youtuber sind Hackerangriffe dieser Art die Folge vergifteter Diskurse, wie sie vor allem in der Anonymität des Internets geführt werden. Wenn Einzelne für ihre Meinungen und Standpunkte öffentlich an den Pranger gestellt und beleidigt würden, genüge bereits ein Zuschauer oder Leser, der sich dem anschließe und vielleicht einen Schritt weiter gehe – was vom Veröffentlichen von Daten bis hin zu Aufrufen zur Gewalt oder sogar körperlichen Angriffen führen könnte.

"SallyIsG4y" hofft daher, dass der nun bekannt gewordene gewaltige Datendiebstahl eine Diskussion darüber anstößt, welche Folgen solche Taten für die Betroffenen nach sich ziehen können. Denn, meint der Youtuber, in Zeiten des Internets dürfe eines nicht vergessen werden: Es kann jeden treffen. Er selbst muss es am eigenen Leib erfahren.