Die Zahl der Zwischenfälle mit gewalttätigen Patienten ist auch an Krankenhäusern in der Region angestiegen. Foto: Weigel/dpa

Zahl der Zwischenfälle mit gewalttätigen Patienten steigt. Nur ein Klinikum scheint davon verschont zu bleiben.

Oberndorf - Am frühen Morgen des vergangenen Samstags kommt es in der Notaufnahme des Klinikums Rottweil zu einer nicht alltäglichen, aber nicht ganz unbekannten Szene: Ein 25-Jähriger zeigte sich laut Polizeimeldung "äußerst aggressiv", beleidigte die Beamten, Rettungssanitäter und die diensthabende Ärztin.

Das ist jedoch kein Einzelfall: Aggressive Patienten machen nach Angaben der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) den Kliniken im Südwesten verstärkt zu schaffen. Die Gewalt gegen Mitarbeiter habe nach Berichten der Mitgliedskrankenhäuser in den vergangenen Jahren zugenommen, sagte eine BWKG-Sprecherin unserer Zeitung.

Klinikum Rottweil
Gewalt in der Notaufnahme sei immer wieder ein Thema, "das kann schon mal heftig werden", berichtet Klinik-Sprecherin Andrea Schmider auf Nachfrage. In schlimmen Fällen würde auch die Polizei gerufen. Oft hänge die Gewaltbereitschaft mit Alkohol- und Drogeneinfluss zusammen. Deeskalationstrainings für die Mitarbeiter sollen Linderung verschaffen.

Ortenauklinikum
"Wir haben wahrgenommen, dass es zu mehr Gewalt kommt", sagt Christian Eggersglüß, Sprecher des Ortenauklinikums. Gerade in den vergangenen Jahren sei die Zahl der Fälle verbaler und körperlicher Gewalt gestiegen. Im Ortenaukreis setzt man ebenso auf Schulungen für die Mitarbeiter. Zudem sei die Ausleuchtung verbessert worden, damit es keine dunklen Ecken mehr gibt. Auch "Ruheräume" wurden neu geschaffen.

Schwarzwald-Baar-Klinikum
"Die Tendenz ist da", berichtet Sandra Adams, Sprecherin des Schwarzwald-Baar-Klinikums in Villingen-Schwenningen (Schwarzwald-Baar-Kreis). Vor allem in der Notaufnahme komme es zu Zwischenfällen. "Wir haben den Eindruck, es wird mehr", sagt Adams. Die Einrichtung fährt dagegen schwere Geschütze auf: Ein eigens engagierter Sicherheitsdienst soll das Personal und unbeteiligte Patienten in der Notaufnahme schützen.

Klinikum Freudenstadt
Thomas Breidenbach, Chefarzt der Notaufnahme im Klinikum Freudenstadt, sagt dagegen: "Das ist nichts Neues", vor allem, wenn die Patienten stark alkoholisiert sind, könne es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen. Den Trend, dass die Fallzahlen steigen, gibt es nach seiner Einschätzung nicht.

Kliniken in Calw und Nagold
An den zwei Standorten des Klinikverbunds Südwest im Landkreis Calw werde zwar die Zunahme verbaler Ausschreitungen gegenüber des Personals beobachtet, aber Security muss die Notaufnahmen noch nicht bewachen. "Wir setzen auf Deeskalation", erklärt  Ingo Matheus, Sprecher des Klinikverbunds. Oft könne man die Patienten bereits mit wenigen Worten wieder zur Ruhe bringen. Die Aggressionen würden sich durch alle gesellschaftlichen und kulturellen Schichten. Außerdem: "Eine Refinanzierung einer Security findet in keiner Form statt", stellt Matheus klar, der auch für die Standorte im Landkreis Böblingen spricht. Calw und Nagold seigen die einzigen Kliniken des Klinikverbunds Südwest, in dem kein Sicherheitspersonal eingesetzt wird.

Zollernalb-Klinikum
Auch am Zollernalb-Klinikum in Balingen (Zollernalb-Kreis) setzen die Verantwortlichen auf die Kraft der Worte: Wie Lara Kaufmann auf Nachfrage berichtet, gebe es Fortbildungen für die Mitarbeiter. "Sie lernen hierbei Deeskalationsmaßnahmen kennen und bekommen eine Schulung um die eigene Sicherheit  gewährleisten zu können", sagt sie. Laut ihrer Auskunft gebe es nur "wenige Fälle", bei denen es zu einer "Form von Gewalt" komme. Sicherheitsfirmen würden nur engagiert, wenn einschlägige Veranstaltungen in der Umgebung aggressive Patienten erwarten ließen.

Als Lösungsansatz für das Gewalt-Problem in vielen Notaufnahmen hatte sich die Kassenärztliche Vereinigung bereits im vergangenen Jahr für eine Kostenbeteiligung der Patienten im Notfalldienst ausgesprochen. "Der Vorstand würde das nach wie vor begrüßen", sagte der Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung. "Es gibt aber keine Anzeichen dafür, dass so etwas kommt." Entlastung könne unter anderem jedoch auch das geplante Telemedizinprojekt "docdirekt" bieten, das derzeit in den Regionen Tuttlingen und Stuttgart getestet werde.

Für den CDU-Rechtsexperten Bernhard Lasotta sind Gesetzesverschärfungen das Mittel der Wahl gegen die Übergriffe. "Bislang sind bei Übergriffen auf Rettungs- und Feuerwehrkräfte sowie Vollstreckungsbeamte höhere Strafen möglich als bei Angriffen auf das Klinikpersonal. Dies müssen wir ändern", sagte Lasotta.