Immer mehr Firmen erlauben Hunde im Büro – mit handfesten Vorteilen für alle Beteiligten. Foto: Kalaene

Bundesverband bringt Vierbeiner ins Büro. Studien sehen viele Vorteile. Bestes Mittel gegen Burn-out-Syndrom.

Villingen-Schwenningen - Markus Beyer und Martin Hoyer kennen sich nicht. Und doch nennt der Berliner Hundetrainer Beyer den Altenheimleiter aus Villingen-Schwenninngen einen "guten Mann". Denn Hoyer hat offensichtlich eine Nase dafür, was bundesweit immer intensiver diskutiert wird: Auch er ist auf den Büro-Hund gekommen.

Was verbindet ein Altenheim im Schwarzwald-Baar-Kreis, die HypoVerereinsbank in München und einen Hundetrainer aus Berlin? Der Geschäftsführer des Heimes und der Bankvorstand haben das umgesetzt, was Markus Beyer mit Leidenschaft und guten Argumenten seit ein paar Jahren fordert: Mitarbeiter soll es erlaubt sein, ihre Hunde mit zur Arbeit zu bringen. Während in Villingen-Schwenningen eine englische Bulldogge names Bailey erklärter Liebling von Senioren und Team ist, geht die HypoVereinsbank in München neue Wege und eröffnet den ersten Bürotrakt mit eigenen Hundebüros.

Interessierte Angestellte können sich online für einen der Hundearbeitsplätze registrieren. Denn, "zufriedene und motivierte Mitarbeiter sind unser wichtigstes Kapital. Deshalb bieten wir eine Vielzahl von Maßnahmen an, damit unsere Leute ihr Privat- und Berufsleben bestmöglich in Einklang bringen können", erklärt eine Pressesprecherin zum neuen Angebot. Und das Hunde-Pilotprojekt "ist eines davon". Drei Dinge sind fürs Registrieren wichtig: Der Nachweis einer Tierhaftpflichtversicherung, Impfpapiere und Hundeführerschein.

Methode erreicht die Chefetagen

"Mein Respekt": Für Hundetrainer Markus Beyer aus Berlin sind die beiden Beispiele aus Baden-Württemberg und Bayern nur der Anfang einer Entwicklung, die sich bundesweit abzeichne: Unternehmen suchen Fachkräfte und gehen auch unkonventionelle Wege dabei, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. "Und wir als Verband überlegen uns, was können Firmen tun, um Hunde von Mitarbeitern in die Unternehmensstruktur einzubinden". Eine Schnapsidee, ersonnen von Hundebegeisterten wie dem Berliner Markus Beyer? Der mittlerweile medienpopuläre Trainer winkt ab und verweist auf berufsorientierte Social Media Portale wie XING und den Kooperationspartner kununu, das größte Arbeitgeberbewertungsportal Deutschlands.

Immerhin, unterstreicht Beyer, spielt es für ein Drittel der Bewerber eine Rolle, ob der Hund mit ins Büro darf oder nicht. "Unternehmer, die Hunde zulassen", fängt er zu philosophieren an, "fressen ihre Mitarbeiter nicht." Starke Worte, um auf einen nicht mehr zu übersehenden Trend hinzuweisen: "Das Thema Vierbeiner ist in den Chefetagen angekommen." Mit einem solchen Angebot, meint Beyer, können sich Unternehmen von der Konkurrenz abheben. "Wer Hunde im Büro erlaubt, zeigt, dass er ein moderner Arbeitgeber ist, der neuen, flexiblen Arbeitswelten gegenüber aufgeschlossen ist.

Immer mehr Unternehmen setzen ihre Hundeaffinität bewusst bei Stellenausschreibungen ein, um ihre Attraktivität zu steigern. Wie beispielsweise das Hotelbuchungsportal HRS oder die Trusted Shop GmbH." Wie kommt ein Berliner Hundetrainer dazu, vor fünf Jahren den Bundesverband Bürohund zu gründen? Anfragen, viele Anfragen, antwortet der Experte: "Wie bringe ich meinem Hund bei, alleine zu Hause zu bleiben?" Beyer grübelt und rollt die Frage neu auf, "denn uns Menschen tut es nicht gut, das Tier über viele Stunden alleine zu lassen, und dem Hund tut’s auch nicht gut." So zentriert sich alles auf das Thema, wie kommt der Hund ins Büro.

"Dog Policy" bildet Basis bei Haftungsfragen

Der Startschuss für den Bundesverband ist gegeben. Seither hat sich für Beyer viel getan: Interviews mit renommierten Zeitungen, ein "rasant gestiegenes" Interesse am Bürohund und mittlerweile täglich mehr als 20 Anrufe. "Immer mehr Interessenten aus der Wirtschaft kommen auf mich und meine Mitarbeiter zu." Mit dabei auf der Liste sind kleine Betriebe mit gerade mal 20 Mitarbeitern ebenso wie die ganz Großen der Branche mit mehr als 4000 Mitarbeitern.

Wer jedoch einen Hund im Haus will, der sollte sich auf eine "dog policy" einlassen, eine Art schriftliche Vereinbarung, mit der auch Haftungsfragen fixiert werden sollten, rät Beyer. Zudem sollte vorab geklärt werden, ob es Mitarbeiter mit Hundeallergien oder Phobien gebe. Warum soll der Hund überhaupt ins Büro? Diese Frage hat Beyer schon zig Mal beantwortet. Er jongliert mit Zahlen, Werten, Studienergebnissen, die alle in einem Fazit zusammenlaufen: "Weil es dem Menschen gut bekommt."

Während er seinen ein Jahr alten Rüden Nando unter dem Schreibtisch krault, streicht 1000 Kilometer weiter südlich eine Wohnbereichsleiterin ihrem Bailey durch das Fell. Und schon ist Fachmann Beyer beim Thema Oxytocin, einem Hormon, das die Emotionalität des Menschen beeinflusst und damit die Fähigkeit, Liebe zu empfinden. Hund und Herrchen tun sich gut, denn bei beiden steigt der Spiegel. Mit segensreichen Folgen, entnimmt Beyer nicht nur einer aktuellen Studie aus Schweden: Oxycotin baut Stresshormone ab und bildet Abwehrkräfte gegen Burn-out-Syndrom und andere psychische Erkrankungen.

"Was macht man mit einem solchen Wissen?", stellt Beyer eine weitere zentrale Frage. "Wir müssen solche Kenntnisse nach außen tragen, auch in die Unternehmen, zumal Krankmeldungen aufgrund von Burn-out weiter zunehmen. Hundebesitzer sind psychisch stabiler, gesünder, das wirkt sich doch auch auf das Arbeitsleben aus", analysiert er. Auf der Guthabenseite stehen damit: Verminderung der Burn-out-Gefahr, weniger psychische Erkrankungen, geringere Gefahr von Depressionen, geringeres Stressempfinden, höhere soziale Kompetenz, besseres Betriebsklima, von den Segnungen für die Gesundheit (Stichwort Gassi gehen) ganz zu schweigen.

Hunde im Büro, gut gegen Stress?

Wer immer noch skeptisch ist, dem hält Beyer noch anderes unter die Nase. Der Hundetrainer beruft sich auf den Wissenschaftler Randolph Barker, Professor für Management an der Virginia Commonwealth University. Dieser fand heraus, dass der Stress-Level bei der Arbeit deutlich sinkt, wenn ein Hund im Büro ist. Und damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Der Grund dafür dürfte wieder das Hormon Oxytocin sein, das auch als "Kuschelhormon" bekannt ist.

Weniger Fehlzeiten – Krankenstand sinkt

Was vor allem Chefs interessieren dürfte. Es gebe nachweislich weniger Fehlzeiten. "Bei Unternehmen, in denen Hunde am Arbeitsplatz erlaubt sind, sinkt der Krankenstand. Gut für die Firma. Damit spart sie bares Geld." Der Hund sorgt zudem für ein angenehmes Arbeitsklima und für Bewegung. Statt die Mittagspause nur in der Kantine oder beim Italiener zu verbringen, fordert der Hund zu einem Spaziergang auf, an dem meist mehrere Kollegen teilnehmen. Das fördert zudem den Zusammenhalt der Mitarbeiter, meint er. Und noch eines fanden die Forscher heraus: "Ein Hund verbindet. Kollegen kommen einfacher ins Gespräch, tauschen sich aus. Der Hund dient als eine Art Kuppler. Er wird deshalb versuchen, andere Menschen, auch welche, die nicht von ihm überzeugt sind, zu integrieren", sagt Beyer. Und: Wer seinen "besten Freund" mit zur Arbeit nehmen darf, wird das als Benefit werten. Das steigert die Motivation und fördert das Engagement der Mitarbeiter. "Und führt zu größerer Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber."

Während es sich Retriever-Rüde Nando unter Beyers Schreibtisch gemütlich macht und die Streicheleinheiten genießt, schreitet Bulldogge Bailey wedelnd ein weiteres Mal die Seniorenreihen ab und genießt die Aufmerksamkeit der Altenheim-Bewohner. Wie das Hunde-Pilotprojekt in München ausgeht? "Rufen’S mal in einem Monat an", bemerkt die Pressesprecherin. Dann wird sich zeigen, wieviele Hunde bei der Hypo München "arbeiten", und ob alle vorgesehene zwölf "Hundearbeitsplätze" besetzt sind.