Porträts sind ein beliebtes Tattoo-Motiv. Allerdings stechen nur wenige Tätowierer ein Hitler-Konterfei. Foto: Deviatov Aleksei/ Shutterstock

Auf Tattoo-Convention gesichtetes Porträt sorgt für Irritationen. Reporter auf Investigativ-Recherche.

Region - Max Haller ist 21 und ein glühender Neonazi. Sein sehnlichster Wunsch: sich ein Porträt von seinem geliebten Führer Adolf Hitler auf dem rechten Oberarm tätowieren zu lassen - wohin denn auch sonst?

Fakt ist allerdings: Den Neonazi Max Haller gibt es in Wirklichkeit gar nicht. Er ist lediglich die Rolle, mit der unser Reporter zu ermitteln versucht, welcher Tätowierer überhaupt bereit wäre, so ein Tattoo zu stechen. Vergangene Woche auf der Tattoo- und Piercing-Convention in Villingen-Schwenningen ist unserem Fotografen nämlich ein Mann begegnet, der ein solches Tattoo an der Wade trug. Aber darf man das eigentlich? Unser Interesse war sofort geweckt, also entschlossen wir uns, der Sache nachzugehen.

Darf man sich Adolf Hitler tätowieren lassen?

Unsere Recherche ergab: Prinzipiell sind das Stechen und das öffentliche Zeigen eines solchen Tattoos in Deutschland nicht illegal, da es sich dabei um kein per Definition verfassungsfeindliches Symbol handelt. Aber gibt es in der Region überhaupt einen Tätowierer, der ein Hitler- Porträt stechen würde? Wir machten die Investigativ-Probe: Max ruft an.

"Guten Tag! Ich hab da mal 'ne Frage: Ich möchte mir gerne eine Tattoo vom Führer stechen lassen, von Adolf Hitler. Was kostet das bei Ihnen?" Die Reaktionen mehrerer Tätowierer aus dem Zollernalbkreis und dem Schwarzwald-Baar-Kreis fallen unterschiedlich aus: Die meisten sind irritiert, einige empört und andere lehnen Max' Anliegen kühl und kommentarlos ab. Einer legt sofort auf, Max kann nicht mal mehr "Hitler" sagen.

Nach der Auflösung durch unseren Reporter erzählen die Tätowierer unterschiedliche Dinge: Harry Ruff, Inhaber von Harrys Tattoo Studio in Balingen, erzählt, er bekomme immer wieder solche Anfragen, auch mit rassistischen Motiven. Bislang habe er sie allesamt abgelehnt. "Es wollte schon mal einer ein Hitler-Porträt haben", erzählt er, "und als ich das abgelehnt habe, wollte er eine Pistole haben, die auf einen 'Negerkopf' zielt. Ich hab ihn dann gefragt, ob er sie noch alle hat und aufgelegt."

In Villingen-Schwenningen sind derartige Wünsche nach Aussage der dort ansässigen Tätowierer seltener. Das Pio Pistol Tattoo Studio in Schwenningen lehnt Max' Anliegen schlicht mit der Begründung ab, man mache prinzipiell keine politischen Tattoos. Also auch keinen Donald Trump, keinen Vladimir Putin und auch keine Angela Merkel. "Egal, wie künstlerisch man ein politisches Motiv umsetzt, letztlich bringt so was nur Ärger", meint der Geschäftsführer David Piovano.

Neonazis lassen Tattoos im Ausland machen

Ein anderer Tätowierer aus dem Schwarzwald-Baar-Kreis erzählt uns, ihm begegneten auf Conventions immer wieder Leute mit Neonazi-Tattoos, auch mit Porträts von Nazi-Größen. Und auf dem Mittelaltermarkt in Calw habe ihm vor zwei Jahren ein potenzieller Kunde solche Tattoos gezeigt. "Schon sein Kapuzenpulli in schwarz-weiß-rot kam mir verdächtig vor.", meint der Farbkünstler. "Der hat mich regelrecht vollschwadroniert - aber vergeblich. Ich mache sowas auf gar keinen Fall, zumal ich politisch auch auf der ganz anderen Seite stehe."

Seiner Erfahrung nach gebe es in Deutschland jedoch kaum professionelle Tätowierer, die Nazi-Tattoos stechen. Neonazis gingen für solche Motive in aller Regel zu Szene-Leuten, die das unter der Hand machten oder führen ins benachbarte Ausland. Im Elsass gäbe es beispielsweise eine große Szene von Tätowierern, die weniger Skrupel mit Nazi-Motiven hätten.

Es gibt in unserer Region also kaum einen professionellen Tätowierer, der es auch nur in Erwägung ziehen würde, ein Hitler-Porträt zu stechen. Für unseren Reporter beruhigend - für Max Haller weniger, wenn es ihn denn gäbe. Er müsste für sein Tattoo vermutlich ganz schön weit fahren.

Info: Was ist erlaubt, was nicht?

Was man sich auf seine Haut stechen lässt, fällt unter das Persönlichkeitsrecht - ist also immer eine Frage des persönlichen Geschmacks. Darunter fallen auch verfassungsfeindliche Symbole wie das Hakenkreuz und der Hitler-Gruß oder eben ein Porträt von Adolf Hitler: Wem's gefällt, der darf es machen lassen. Stolz herumzeigen sollte man die Tattoos jedoch nicht.

"Wer sich Symbole aus der Nazi-Zeit auf die Haut tätowieren lässt, macht sich an sich noch nicht strafbar. Strafbar ist es aber, diese Tattoos öffentlich zu zeigen", sagt der Rechtsanwalt Dr. Dirk Lammer vom geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) und ergänzt: "Bei der öffentlichen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren."

Der Tätowierer hingegen macht sich strafbar, wenn er zustimmt, ein Hakenkreuz zu tätowieren. Denn laut Paragraph 86 des Strafgesetzbuchs ist das "Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen" verboten. Ob ein Porträt von Adolf Hitler auch dazu zählt, fällt in eine rechtliche Grauzone und wird von den Gerichten Einzelfall-abhängig entschieden.

Apropos Gericht: Keiner kann dazu verurteilt werden, sich eine fragwürdige Tätowierung entfernen zu lassen - da wären wir wieder beim Persönlichkeitsrecht. Sollte der Tattoo-Träger aber vorhaben, sich irgendwann einmal wieder unbeanstandet im Freibad zu zeigen, sollte in Erwägung gezogen werden, das Bild auf eigene Kosten überdecken oder lasern zu lassen.