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Tierschützer bejubeln Rückkehr in den Südwesten. Schafszüchter und Landwirte reagieren irritiert bis besorgt.

Region - Die Frage steht im Raum: Kann eine  friedliche Nachbarschaft  von Mensch und Wolf tatsächlich gelingen? Oder ist das eine Illusion romantischer Tierschützer, für die Schafe und Schäfer im Schwarzwald letztendlich teuer bezahlen müssen?

Das Thema emotionalisiert wie kaum ein anderes.  »Wölfe und Weidewirtschaft«  lautet denn der Titel der Podiumsdiskussion, zu der der Nationalpark Schwarzwald am Ruhestein geladen hat. Allen ist klar: Eine Rückkehr des Raubtiers, der Stammvater unserer Hunde, bringt durchaus Risiken mit sich – und diese sollten nicht aus falsch verstandener Tierliebe unterschätzt oder gar geleugnet werden. Der kleine Saal im Nationalparkzentrum Ruhestein ist proppenvoll, einige Gäste müssen gar abgewiesen werden. Der Wolfexperte und Buchautor Eckhard Fuhr setzt gleich zu Anfang den Ton: »Wenn wir uns nicht auf den Wolf einstellen, wird er den Schäfern an die Existenz gehen.«  Um noch eins draufzusetzen,  fügt er hinzu: »Die sorglose wolfsfreie Zeit ist abgelaufen.«

Die Osteuropäer  gehen gelassen  mit Thema um

Ute Svensson ist seit vielen Jahren Schäferin, 600 Mutterschafe und 300 Lämmer hütet sie derzeit. Doch jetzt sitzt sie neben Fuhr und mehreren Wildtierexperten auf dem Podium am Ruhestein und macht eher eine etwas unglückliche Figur. »Natürlich faszinieren mich diese Tiere auch«, meint sie mit Blick auf die Wölfe. Dann sagt sie etwas von Lebensraum, der allen gemeinsam zugute kommen solle. Sie spricht leise und bedacht, es klingt ein wenig so, als wolle sie jedes böse Wort gegen den Wolf partout vermeiden. Doch dann spricht sie von einer großen Herausforderung, wenn der einst ausgerottete Wolf zurückkommt. »Ich wünsche mir die Unterstützung der Gesellschaft.« Klingt nicht gerade nach Wolfs-Begeisterung.  Deutlichere Töne klingen da schon bei Kuhhaltern und Landwirten an, die sich aus dem Publikum spontan zu Wort melden. Der Wolf werde zur zusätzlichen Belastung für die ohnehin bedrängten Viehzüchter. Wenn der Wolf komme,  bedeute das: mehr Zäune bauen, mehr Hunde anschaffen, mehr Leute anstellen, die Schafe und Rinder schützen. In jedem Fall heißt das: höhere Ausgaben, steigende Kosten. Also auch hier keine ausgesprochenen Wolf-Fans.

Doch wie oft reißen Wölfe tatsächlich Schafe oder andere Tiere? Rund 18 000 Wölfe leben derzeit laut Experten in den Ländern der Europäischen Union, die größten Bestände sind in den Karpaten in Rumänien, aber auch in der Lausitz in Ostdeutschland gibt es derzeit bereits etwa 70 Rudel. Fuhr spricht schon vom »deutschen Wolfswunder«  und vergleicht die Tragweite der Rückkehr mit dem Fall der Berliner Mauer  –eine etwas hochgegriffene Ansicht, die man nicht unbedingt teilen muss. »Natürlich ist die Zahl der Wolfsrisse gestiegen, aber nicht in dem Maße wie die Zahl der Rudel gestiegen ist«, so Fuhr.

Von »ein paar hundert Rissen«  seit 2007 im Osten Deutschlands ist die Rede – eine  »eher überschaubare Zahl«, heißt es. Auch die wirtschaftlichen Ausfälle für die Schäfer würden sich demnach in Grenzen halten. »Wir sprechen hier nicht von Unsummen«, meint der Wildtierexperte Peter Sürth, der sich besonders mit der Lage von Mensch und Wolf in Rumänien beschäftigt hat.

Dort praktiziere man übrigens einen eher entspannten und pragmatischen Umgang mit dem Raubtier: Die Verluste durch Wolfsrisse würden dort von den Schafszüchtern »gleich mit einkalkuliert«. Sie lägen bei knapp unter zwei Prozent. Ansonsten seien die Schafshirten in Rumänien auch nicht zimperlich: Wenn nötig,  gingen sie auch mit Knüppeln gegen die Wölfe vor – was im Publikum am Ruhestein für Heiterkeit sorgt.

Ein Schaf als   kleiner »Snack« zwischendurch?

 »Wir müssen wieder lernen, mit dem Wolf umzugehen«, meint Friedrich Burghardt vom Nationalpark. Der Mensch habe verlernt,  »mit Wildtieren zu kommunizieren«. Konkret bedeute das: »Dem Wolf sagen, was er darf und was er nicht darf. Hirsche fressen darf er, Schafe fressen darf er nicht.«

Grundsätzlich fressen Wölfe das, was sie leicht erbeuten können, heißt der klassische Lehrsatz über das Verhalten des Raubtiers. Elektrozäune und Hunde würden ihm jedoch die Lust auf Schafe gehörig vermiesen, so die These der Experten. Allerdings räumt Wildtierexperte Sürth ein, auch Elektrozäune könnten keine  100-prozentige  Sicherheit  vor Rissen bieten.  »Es gibt keinen absoluten Schutz.«  Allerdings, Buchautor Fuhr aus Berlin beruhigt die Gemüter: Das Fleisch von Haustieren stehe bei Wölfen nicht gerade oben auf dem Speiseplan. »Ein Schaf ist für den Wolf eher ein kleiner Snack nebenbei.«  Ob das die Schäferin Ute Svensson, die 600 Muttertiere und 300 Lämmer zu beschützen hat, beruhigen kann?