Region - Eine Wildschweinrotte im Garten - in Weitingen, einem Ortsteil von Eutingen im Gäu (Kreis Freudenstadt) ist das keine Seltenheit. Oder genauer gesagt: Keine Seltenheit mehr.

Oliver Kalbacher beobachtet die Entwicklung mit Sorge. Seit drei Jahren graben die Schwarzkittel regelmäßig seine Obstwiese um. Nun werden die Tiere mutiger, wagen sich immer näher ans Haus. Auch Kalbachers Nachbar Jürgen Teufel kann davon ein Liedchen singen. Seine Kinder, berichtet er, hätten mittlerweile sogar Angst vor den ungebetenen Gästen.

Die Tiere verlieren ihre Scheu

Der zuständige Jäger ist ratlos: Er habe schon einiges versucht, um der Plage Herr zu werden, sagt Wendelin Katz. So recht gefruchtet habe bislang nichts. Damit steht Katz nicht alleine da. Landauf, landab treibt seine Jäger-Kollegen dasselbe Problem um. Sie kommen gegen die wachsende Wildschwein-Population nicht an. Hinzu kommt: Die Tiere verlieren zunehmend die Scheu vor dem Menschen, rücken auf der Suche nach Nahrung bis in Wohnsiedlungen vor.

Doch wie? Der Wild-Experte plädiert für die Drückjagd - und mehr Teamwork unter den Jägern. "Alleine steht man auf verlorenem Posten." An einer Drückjagd sind mehrere Jäger und Treiber beteiligt. Die Treiber scheuchen die Tiere gezielt auf, treiben sie zu den bereitstehenden Jägern. So können mehrere Tiere erlegt werden, im besten Fall eine ganze Rotte. Eine solche Drückjagd dauere etwa zwei bis drei Stunden, meint Müller. Es gelte: Je größer das druchstreifte Gebiet, desto besser. "Wildschweine sind räumlich sehr flexibel, sie wechseln gerne mal das Revier." Richtig angewandt sei die Drückjagd eine sehr erfolgreiche Methode, betont Müller. Der Nachteil: Der Aufwand ist hoch.

Der Klimawandel ist der Hauptgrund für den Zuwachs der Population

Was dem Tier zusätzlich in die Karten spielt, ist der Klimawandel. Laut Müller ist dieser hauptverantwortlich für den Zuwachs der Population. Damit nimmt der NABU-Experte die vielgescholtenen Landwirte aus der Schusslinie. Denn der großflächige Mais- und Rapsanbau galt in der öffentlichen Diskussion lange als eigentliche Ursache des Schwarzwild-Dilemmas. "Ich bin kein Befürworter dieser These. Das spielt im Schadensgeschehen zwar sicher auch eine Rolle, entscheidend ist aber das Nahrungsangebot im Winter." Und das, erklärt Müller, werde immer reichhaltiger. Denn mit der Durchschnittstemperatur steige auch die Zahl der Mastjahre. Also der Jahre, in denen Baumarten wie Buchen oder Eichen besonders viele Früchte tragen.

Dank des reich gedeckten Tisches überleben mehr Jungtiere die kalte Jahreszeit. Die - als Konsequenz des Klimawandels - so kalt im Übrigen gar nicht mehr ist. Harte Winter mit langen Frostperioden würden seltener, erklärt der NABU-Experte. Was die Wildschwein-Population noch weiter ansteigen lässt: Denn, so erläutert Müller, "Temperaturen über Null Grad begünstigen die Vermehrung."

Was macht die Jagd so schwierig?

Region - In der Tat stellen die steigenden Temperaturen auch die Jagd vor neue Herausforderungen. Gibt es Nahrung im Überfluss, lassen sich die Tiere nur schwer mit Futter anlocken. Doch genau auf diesem Prinzip basiert die sogenannte Kirrjagd: Die Schwarzkittel werden vom Jäger mit Mais oder anderem Futter gezielt angelockt und dann geschossen. Ist die Kirrjagd also am Ende? Wirklich tragisch fände Rolf Müller das wohl nicht. Er sieht die Methode kritisch. In gewissem Sinn, so sein Tenor, führe sich die Kirrjagd selbst ad absurdum: Sie funktioniere nur in kalten Wintern, hebele dann aber die natürliche Dezimierung des Bestands durch das knappe Nahrungsangebot aus. Denn bei der Kirrjagd, so Müller, könne in der Regel nur ein Tier erlegt werden. Ist der erste Schuss gefallen, flieht die Rotte. "Sie haben dann ein Tier erlegt, aber der Rest ist satt geworden."

Die Jagd "hat lange kontraproduktive Strategien verfolgt"

Die Jagd, meint der NABU-Experte, "hat lange kontraproduktive Strategien verfolgt". Damit meint Müller die Kirrjagd, aber auch das sogenannte "Lüneburger Modell". Bei Letzterem liegt der Schwerpunkt der Jagd auf dem Wildschwein-Nachwuchs, den Frischlingen: Erlegt man jedes Jahr 70 bis 80 Prozent der Frischlingen, bleibt der Bestand konstant. So zumindest die Theorie. In der Praxis, meint Müller, sei dies jedoch kaum umsetzbar. "Man muss sich auch die Frage stellen, was ist realistisch?" Um die Wildschwein-Population effektiv zu kontrollieren, sagt Müller, müsse man auch die weiblichen Tiere, die Bachen, bejagen. Und zwar dann, wenn sie keine Frischlinge zu versorgen haben - im  Zeitraum zwischen November und Mitte Januar.

Der Experte plädiert für mehr Teamwork

Doch wie? Der Wild-Experte plädiert für die Drückjagd - und mehr Teamwork unter den Jägern. "Alleine steht man auf verlorenem Posten." An einer Drückjagd sind mehrere Jäger und Treiber beteiligt. Die Treiber scheuchen die Tiere gezielt auf, treiben sie zu den bereitstehenden Jägern. So können mehrere Tiere erlegt werden, im besten Fall eine ganze Rotte. Eine solche Drückjagd dauere etwa zwei bis drei Stunden, meint Müller. Es gelte: Je größer das druchstreifte Gebiet, desto besser. "Wildschweine sind räumlich sehr flexibel, sie wechseln gerne mal das Revier." Richtig angewandt sei die Drückjagd eine sehr erfolgreiche Methode, betont Müller. Der Nachteil: Der Aufwand ist hoch.

Zudem ist das Thema für viele Jäger hochemotional. Mancher hänge an den althergebrachten Methoden, sagt Müller. "Ich würde mir bei dem Thema Jagd mehr Gelassenheit und Offenheit wünschen." Um die Wildschwein-Problematik in den Griff zu bekommen, müsse man vieles überdenken und neuen Methoden offen gegenüberstehen.