Maren Weigel will auch auf internationaler Bühne ihre Klasse zeigen. Foto: imago/Hartenfelser

Die Olympischen Spiele 2024 beginnen in genau acht Monaten. In unserer Serie stellen wir Athletinnen und Athleten vor, die in Frankreich erfolgreich sein wollen. Zu ihnen gehört eine ehrgeizige Handballerin aus Metzingen.

Es ist ja keine ganz neue Erkenntnis, dass Organisatoren von Olympischen Spielen vor seltsamen Ideen nicht gefeit sind. Das gilt nun auch für die Macher von Paris 2024. Ursprünglich hatten sie vor, die Handballturniere der Frauen und Männer komplett auszulagern. In den Norden von Frankreich, nach Lille, 225 Kilometer von Triumphbogen und Eiffelturm entfernt. Erst nach lautstarkem Protest aus der Harz-Branche wurde ein Kompromissvorschlag umgesetzt. Nun bestreiten die jeweils zwölf Handballteams die Vorrundenduelle in Paris, in der zweiten Woche geht es dann zu den K.-o.- und den Finalspielen nach Lille. Weshalb sich den Athletinnen und Athleten plötzlich eine ganz andere Perspektive bietet. „Schon ein paar Tage und Nächte im Olympischen Dorf zu verbringen“, sagt Maren Weigel (29), „das wäre ein einzigartiges Erlebnis.“

 

Der Weg dorthin ist allerdings noch weit – und führt zunächst über Skandinavien.

In Dänemark, Norwegen und Schweden startet in der nächsten Woche die Frauen-WM. Dann geht es um Medaillen, aber auch darum, den Sprung zu einem von drei Qualifikationsturnieren für Paris 2024 zu schaffen. Rang sieben würde die Teilnahme garantieren. „Das ist unser Ziel“, erklärt Maren Weigel. Die Linkshänderin vom Bundesligisten TuS Metzingen freut sich auch deshalb auf die WM, weil diesmal ganz besonders viel auf dem Spiel steht: „Es macht die Sache noch reizvoller.“

Für eine Überraschung gut

Klar, jede ehrgeizige Sportlerin hofft auf den großen Wurf. Zugleich sind die Hoffnungen der deutschen Handballerinnen, die Weltspitze ärgern zu können, aber durchaus berechtigt. „Es wird bei diesem Turnier ganz sicher Überraschungen geben“, sagt Maren Weigel, „auch wir sind für eine Überraschung gut.“ Nicht zuletzt wegen ihr selbst.

Im rechten Rückraum setzt Bundestrainer Markus Gaugisch auf zwei Spielerinnen mit unterschiedlichem Profil. WM-Debütantin Viola Leuchter (19) von Bayer Leverkusen ist sehr wurfstark, Maren Weigel eher zweikampf- und durchbruchorientiert. Und auch in der Abwehr nimmt die Metzingerin eine wichtige Rolle ein. „Sie hat die Fähigkeit und Bereitschaft, offensiv zu attackieren, bringt alles mit, was zu einer antizipativ-aggressiven Deckung gehört“, sagt Bundestrainer Gaugisch, „ich bin sehr zufrieden mit der Entwicklung von Maren Weigel, sie war zuletzt sehr gut in Form. Jetzt hoffe ich, dass sie ihre Qualitäten auch auf internationaler Bühne zeigen wird.“ Erst bei der WM – und danach auch in Paris?

Es wäre nicht nur für Maren Weigel die Krönung ihrer Karriere. Letztmals haben sich die deutschen Handballerinnen 2008 für Sommerspiele qualifiziert, damals schieden sie in Peking nach nur einem Sieg gegen Brasilien als Vorrunden-Letzte aus. Das ist Geschichte. Nun will das aktuelle Team ein neues Kapitel schreiben. „Wir alle träumen davon, 2024 in Frankreich dabei zu sein“, sagt die Linkshänderin, „dass die letzte Teilnahme schon so lange her ist, macht diesen Wunsch nur noch größer.“

Mit dem Auge der Psychologin

Die WM in Skandinavien ist das fünfte große Turnier, das Maren Weigel bestreitet. Um ihren Platz im Kader musste sie hart kämpfen, nun will sie neben ihrer Klasse auch ihre Erfahrung einbringen. Auf dem Feld, aber nicht nur dort. Die Rückraumspielerin, die als Jugendliche bei der SG H2Ku Herrenberg mit dem Handballspielen begann, studiert in Tübingen Psychologie, kann folglich die Prozesse in einem Team ganz gut einschätzen und bewerten. „Ich liebe am Mannschaftssport, dass es nicht nur auf einen selbst ankommt, sondern dass es die Möglichkeit gibt, andere aufzufangen und von anderen aufgefangen zu werden“, sagt Maren Weigel, „mir macht alles Spaß, wenn ich es mit Leuten machen kann, die auch Spaß an dieser Sache haben. Ich bin die geborene Mannschaftssportlerin.“ Was auch an anderer Stelle ziemlich wertvoll sein kann.

Während sich manche Athleten, deren großes Ziel ebenfalls die Sommerspiele 2024 in Paris sind, aufgrund fehlender Förderung und finanzieller Sorgen nicht voll auf den Leistungssport konzentrieren können, sind Tophandballerinnen in Deutschland über die Sporthilfe (700 Euro monatlich plus 300 Euro Unterstützung fürs Studium) und ihre Vereine abgesichert. „Es gibt auch in der Bundesliga Clubs, die für Spielerinnen kaum mehr als einen Minijob bezahlen können“, erklärt Maren Weigel, die ihre zehnte Saison in Folge für den TuS Metzingen absolviert, „ich komme gut über die Runden, was ein sehr beruhigendes Gefühl ist. Denn Unsicherheit und Stress sind nicht gerade leistungsfördernd.“

Voller Optimismus zur WM

Nun wird es bei der WM darauf ankommen, das vorhandene Potenzial auch umzusetzen. In der Vorrunde spielt das deutsche Team, das sich derzeit im Ostseebad Damp auf das Turnier vorbereitet, gegen Japan, den Iran und Polen. Der Bundestrainer verbreitet schon mal Optimismus. „Alle Spielerinnen sprühen vor Energie“, sagt Markus Gaugisch, „ich verspüre bei ihnen die Lust, alles investieren zu wollen, um erfolgreich zu sein.“ Natürlich auch bei Maren Weigel. „Es ist etwas Besonderes, auf höchstem Niveau zu spielen und sich mit den Besten zu messen“, meint die Metzingerin, „wir werden alles dafür geben, um unsere Ziele zu erreichen.“ Und am Ende in Paris zu spielen. Wenigstens in der ersten Woche der Olympischen Spiele.