Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei seiner Regierungserklärung Foto: dpa/Christoph Schmidt

Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann gibt sich mit seiner Regierungserklärung zur Bewältigung der Krise präsidial. Die FDP findet ihn oberflächlich.

Das Land muss sich auf eine „Epoche im Gegenwind“ einstellen, sagt Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). In einer knapp einstündigen Regierungserklärung hat er den ganz großen Bogen geschlagen, wie die Krise zu bewältigen sei. Das Spektrum reichte von der Bedeutung von Freihandelsabkommen bis zur Aufgabe, Demokratie als gemeinsame Aufgabe statt als „Lieferservice“ zu betrachten. Vom Bekenntnis, die Ukraine zu unterstützen, bis zur Dekarbonisierung und dem Ziel, Baden-Württemberg an die „Weltspitze im Bereich der Quantenforschung“ zu bringen.

Zinsverbilligte Darlehen ab Januar

Konkret und kurzfristig will die Landesregierung die Winterlücke in den Energiekosten von kleinen und mittleren Unternehmen sowie von Handwerksbetrieben in Baden-württemberg schließen. Sie können bereits im Dezember zinsverbilligte Darlehen beantragen und sollen das Geld ab 1. Januar bekommen. Die Zinsen für die Darlehen sollen 2,1 statt vier Prozent betragen. In einem Bürgschaftsprogramm sieht das Land zusammen mit der L-Bank Bürgschaften in Höhe von 2,6 Milliarden Euro vor. Ein Konzept für ein gemeinsames Härtefallprogramm mit dem Bund kündigte Kretschmann bis zum 1. Dezember an. Auch spezielle Beratung für Betriebe sei vorgesehen.

30 Millionen stellt die Landesregierung in einem Sondertopf für die soziale Infrastruktur zur Verfügung. Damit werde die Arbeit etwa der Familienhilfe und der Jugendhilfe gestärkt. „Durch schnelle Hilfen und kurzfristige Maßnahmen verhindern wir akute wirtschaftliche und soziale Notlagen“, sagte Winfried Kretschmann.

Akute Notlagen verhindern

Andreas Stoch, der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, zeigte sich enttäuscht vom Auftritt Kretschmanns. Für die sozialen Einrichtungen kämen pro Kopf der Bevölkerung gerade mal 2,70 Euro zusammen, rechnete er vor, da könne man allenfalls von einem „Sondertöpfchen“ sprechen. Dass die Unternehmen Zinsen für die Darlehen bezahlen müssen, missfällt Stoch ebenfalls. „Das ist kein Rettungsschirm, das erinnert an das Papierschirmchen aus den Eisbechern“, kritisierte er.

SPD: Das Warten hat sich nicht gelohnt

„Wir haben sehr lange auf die Regierungserklärung gewartet, das Warten hat sich nicht gelohnt“, so Stoch. Er vermisst bei der grün-schwarzen Landesregierung das Handeln. „Politik heißt nicht nur reden, Politik heißt entscheiden und handeln“, mahnte Stoch. „Wir warten immer noch darauf, dass die Landesregierung in dieser Krise agiert.“ Dann, stellte er in Aussicht, würde die SPD „den Weg konstruktiv begleiten“.

„Über die Zinsen sollte man in einer Lage wie dieser noch einmal nachdenken“, fand auch Hans-Ulrich Rülke (FDP) mit Blick auf das Hilfsprogramm für die Betriebe. Aus Sicht von Kretschmann gibt es da nicht viel nachzudenken. Der Ministerpräsident verwies auf das EU-Beihilferecht: „Man kann mit den Zinsen nicht beliebig runtergehen“.

Kritik an der von der Regierung geplanten Energiekostenberatung konterte der Ministerpräsident mit den Hinweis, „das war der Wunsch der Mittelständler“. Er präzisierte das Programm: Es gehe um die Vorbereitung und Begleitung von Bankgesprächen und beispielsweise um Ratschläge, wie die Produktion kurzfristig an Energieschwankungen angepasst werden könnte.

Häme für den Plan zur Entbürokratisierung

Häme erntete Kretschmann auch für seinen „Masterplan für die Transformation der Verwaltung“. 250 Millionen Euro sind dafür im Doppelhaushalt vorgesehen, inklusive Digitalisierung. Ende des Jahres soll Kretschmanns Staatsminister Florian Stegmann als Koordinator die erste Version zur Entbürokratisierung vorlegen. „Wenn wir die Verwaltung nicht entbürokratisieren, wird dieses Land ins Hintertreffen geraten“, hatte der Ministerpräsident gemahnt. Dafür brauche man aber nicht noch einen weiteren Koordinator, konterte Rülke. Es würde genügen, wenn die Regierung die Entbürokratisierungsvorschläge des Normenkontrollrats umsetzen würde, meint er.

FDP legt Kretschmann den Ruhestand nahe

Die Regierungserklärung – wie Stoch – „enttäuschend“ zu nennen, fand der FDP-Fraktionschef noch freundlich formuliert. „Was Ministerpräsident Kretschmann geliefert hat, war ein müdes oberflächliches Glaubensbekenntnis eines Patriarchen in seinem politischen Spätherbst. Wer diese Rede gehört hat, kann dem Land nur eines wünschen: Gehen Sie bald in den Ruhestand“ legte der FDP-Fraktionschef dem Ministerpräsidenten nahe.

Für die AfD sind die Wirtschaftshilfen des Landes „populistisch“, sie folgen den Gießkannenprinzip, kritisierte ihr Fraktionschef Bernd Gögel. Naturgemäß unterstützen die Chefs der Regierungsfraktionen die Ankündigungen des Ministerpräsidenten. Andreas Schwarz (Grüne) nannte es wichtig, ein besonderes Augenmerk auf die kleinen und mittleren Unternehmen zu legen. Manuel Hagel, der Vorsitzende der CDU-Fraktion, hält es für „ein starkes Signal“, dass Baden-Württemberg die Brücke schlage, bis die Energiepreisbremse wirkt. Jedoch kritisierte er, zu viele Runden zwischen dem Bund und den Ministerpräsidenten seien ohne konkrete Beschlüsse geblieben.

CDU enttäuscht von Bund-Länder-Runden