Die Zahl der Geflüchteten ist im vergangenen Jahr gestiegen, so auch der Bedarf an psychosozialer Beratung. Refugio hat aktuell alle Hände voll zu tun, auch aufgrund von Ungleichbehandlungen in der Gesellschaft.
VS-Villingen - "Eigentlich war es nicht die Absicht, heute noch da zu sein", beginnt Astrid Sterzel das Gespräch. Sie ist Geschäftsführerin bei Refugio Villingen-Schwenningen, dem psychosozialen Zentrum für traumatisierte Geflüchtete. Vor bald 25 Jahren wurde die Einrichtung gegründet – und doch nimmt der Bedarf an psychosozialer Hilfe für Geflüchtete bis heute nicht ab.
Ganz im Gegenteil: Aufgrund der aktuellen Geschehnisse in vielen Teilen der Welt, wie etwa in der Ukraine, im Iran und Afghanistan, sei der Bedarf aktuell so hoch wie nie. Aus vielen Kriegsgebieten kommen Geflüchtete in das Einwanderungsland Deutschland, meist haben sie in ihrem Heimatland oder auch auf der Flucht traumatische Erlebnisse erfahren.
Sozialarbeit soll ausgebaut werden
Aufgrund des hohen Bedarfs hat sich das Refugio-Team in den vergangenen zwölf Monaten vergrößert: Drei Therapeutinnen sind hinzugekommen, im kommenden Jahr soll auch der Bereich der Sozialarbeit vergrößert werden, kündigt Sterzel an. Die Erweiterung des Teams bedeutet aber auch, dass der Platz eng wird.
Die Räume in der Villinger Schwedendammstraße sind bereits am Limit, aktuell werden zwei städtische Räume in der Großherzog-Karl-Straße mitgenutzt. "Wir hoffen sehr, dass wir diese Räume auch in den nächsten zwei Jahren weiter nutzen können", sagt Sterzel.
Die meisten stammen aus Afghanistan
Etwa 170 Klientinnen und Klienten werden aktuell bei Refugio betreut, das sei deutlich mehr als im vergangenen Jahr. Jede fünfte Person davon sei minderjährig. Die größte Klientengruppe bei Refugio sei nach wie vor aus Afghanistan, sagt Sterzel. Aus der Ukraine seien im vergangenen Jahr hauptsächlich Frauen und Kinder nach Deutschland gekommen.
"Die Sensibilität für Geflüchtete ist mit dem Krieg in der Ukraine größer geworden", freut sich die Geschäftsführerin. Trotzdem sei es unverständlich, dass die Geflüchteten aus unterschiedlichen Herkunftsländern von der Gesellschaft ungleich behandelt werden.
Gleiche Chancen für alle?
Beispielhaft nennt sie die unterschiedlichen Unterbringungsverhältnisse im Vergleich zu Geflüchteten aus anderen Kriegsgebieten, sowie das Recht auf Arbeit, welches nur den Ukrainern direkt zugesprochen werden – während andere Geflüchtete teilweise jahrelang auf eine Arbeitszulassung warten müssten. "Viele wollen arbeiten, dürfen es aber nicht", macht Manfred Kiewald, Psychotherapeut bei Refugio, deutlich. Für das kommende Jahr erhoffe sich das Team um Refugio, "dass das Leid von allen Geflüchteten gleichwertig wahrgenommen wird und dass alle die gleichen Chancen bekommen."