Viele Beamte und Mitarbeiter der Verkehrspolizei müssen sich auf so manche Veränderung einstellen. Foto: Seeger

Enttäuschung im Zollernalbkreis und im Schwarzwald-Baar-Kreis, Freude dagegen in Rottweil.

Zimmern o. R./Freiburg/Balingen - Die Polizeireform kommt voran: Innenminister Gall (SPD) hat gestern die Standorte der künftigen Verkehrspolizeidirektionen offiziell bekannt gegeben. Spezialisten sollen die Streifenpolizisten entlasten.

Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall hat im Zuge der Polizeireform die Standorte der zwölf Verkehrspolizeidirektionen festgelegt. Dabei habe er die Vorschläge der Projektleiter unter Berücksichtigung der regionalen Verhältnisse aufgegriffen, sagte Gall am Dienstag in Stuttgart. "Die Verkehrssicherheitsarbeit ist und bleibt eine Kernaufgabe der Polizei", betonte er. "In der Fläche und auf Bundesautobahnen werden die spezialisierten verkehrspolizeilichen Aufgaben zukünftig unter dem Dach der Verkehrspolizeidirektionen wahrgenommen."

Die Direktionen werden künftig angesiedelt in Stuttgart, Mannheim (für die Region Mannheim und Heidelberg), Weinsberg (Heilbronn, Mosbach, Künzelsau, Tauberbischofsheim), Karlsruhe (Karlsruhe, Pforzheim, Calw), Stuttgart-Vaihingen (Ludwigsburg, Böblingen), Baden-Baden (Offenburg, Rastatt/Baden-Baden), Tübingen (Reutlingen, Esslingen, Tübingen), Heidenheim (Ulm, Göppingen, Heidenheim, Biberach), Freiburg (Freiburg, Lörrach, Waldshut-Tiengen, Emmendingen), Zimmern ob Rottweil (Tuttlingen, Rottweil, Balingen, Freudenstadt, Villingen-Schwenningen) und Sigmaringen (Konstanz, Friedrichshafen, Ravensburg, Sigmaringen). Für die Region Aalen, Waiblingen, Schwäbisch Hall ist als Standort zunächst Kirchberg/Jagst geplant. Ein Umzug nach Baumaßnahmen in Schwäbisch Hall sei denkbar.

Grundlage für den Entscheidungsprozess seien polizeifachliche Aspekte sowie die Liegenschaften gewesen. Besonders berücksichtigt wurden den Angaben nach unter anderem Verkehrswege, die Infrastruktur sowie Schwerpunkte der Verkehrspolizei vor Ort. Mit der Entscheidung werde der "Grundstein für eine effektive und professionelle Verkehrssicherheitsarbeit gelegt", sagte Gall.

Weniger Ermittlungen und Schreibarbeit für den Streifendienst?

Die Präsidien könnten die Spezialisten der Verkehrsdirektionen zum Beispiel für die Unfallaufnahme und Ermittlungen bei Unfallflucht einsetzen. Der neue Verkehrsunfalldienst entlastet laut Gall den Streifendienst von Ermittlungs- und Schreibarbeiten. Dieser könne seinen eigentlichen Aufgaben somit besser nachkommen. "Der Unfalldienst in den Verkehrspolizeidirektionen wird die Bearbeitung schwerer Verkehrsunfälle übernehmen. Die allgemeine Verkehrsüberwachung hingegen wird nach wie vor von allen Polizeirevieren gewährleistet."

Für den Zollernalbkreis und insbesondere für Balingen hat die Bekanntgabe tiefgreifendere Konsequenzen als schon vermutet. Bisher war klar, dass die Polizeidirektion aufgelöst und große Teile der Kriminalpolizei nach Rottweil abwandern würden – nun geht der Kreisstadt auch noch die Verkehrspolizei flöten. Allein die personellen Konsequenzen sind enorm: Im weitestgehenden Fall werden rund 100 Mitarbeiter Balingen verlassen. Damit stellt sich in Balingen auch die Immobilien-Frage: Das Gebäude, in dem derzeit die Polizeidirektion untergebracht ist, wird wohl nicht mehr benötigt.

Rottweil dagegen kann sich als Sitz einer Polizeidirektion und nun auch der Verkehrsdirektion als Gewinner der Polizeireform betrachten. Bürgermeister Werner Guhl bewertete die gestrige Bekanntgabe als "sehr, sehr positiv". Auch wenn es nur eine Handvoll neuer Arbeitsplätze seien, so gingen zumindest keine verloren. Freude herrschte auch bei Landrat Wolf-Rüdiger Michel (CDU) über den zweiten Direktionssitz in seinem Bereich. Damit werde die Zentralität von Rottweil innerhalb des Präsidiumsbezirks und als Knotenpunkt der Hauptverkehrsachsen A 81 und der Bundesstraßentraverse Kinzigtal-Schwarzwald-Neckaralb unterstrichen, so der Landrat.

Im Nordschwarzwald hat sich inzwischen rund um Thomas Blenke, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, eine sechsköpfige Gruppe von CDU- und FDP-Abgeordneten gebildet, die sich für ein Polizeipräsidium im Oberzentrum der Region in Pforzheim stark macht und die bisherigen Pläne des Innenministers scharf kritisiert.

Blenke monierte gestern: "Das Innenministerium hat mit den heute veröffentlichten Standortentscheidungen zu den Verkehrspolizeidirektionen erneut gezeigt, dass durch die Polizeireform die Bürgernähe unter die Räder kommt und die Sicherheit leidet." Allerdings sei es erfreulich, dass Gall die Verkehrsdirektionen nicht zentral am Standort der jeweiligen Präsidien einrichtet.

"Wir können die Entscheidung absolut nicht nachvollziehen"

Sehr enttäuscht zeigte sich Sven Hinterseh, CDU-Landrat im Schwarzwald-Baar-Kreis: "Wir können die Entscheidung absolut nicht nachvollziehen, zumal gute Gründe für Villingen-Schwenningen sprechen." Der stellvertretende Leiter der dortigen Polizeidirektion, Markus Merkt, kann hingegen mit der Entscheidung leben – er bezeichnet sie als "folgerichtig und sachgerecht".

Zum Kreis der Unzufriedenen gehört wiederum der Lörracher CDU-Landtagsabgeordnete Ulrich Lusche. Die Entscheidung, die Verkehrsdirektion in Freiburg anzusiedeln, bewertete er als weitere Enttäuschung für den Standort Lörrach. In der Diskussion um die Auflösung der Polizeidirektion seien auch Hoffnungen geweckt worden, dass wenigstens die Verkehrspolizeidirektion dort angesiedelt werde. Es sei "sehr bedauerlich", dass der Standort nun zugunsten von Freiburg geschwächt werde; den Besonderheiten im Dreiland werde damit nicht Rechnung getragen, meinte Lusche.

In Freudenstadt gab sich Polizeidirektionsleiter Georg Moll zurückhaltend. Die Folgen des anstehenden Umzugs von Freudenstädter Straßenverkehrsexperten nach Zimmern ob Rottweil seien noch nicht absehbar. Der Standort Zimmern liege immerhin zentral, verfüge über ein modernes Gebäude und sei gut ausgerüstet.