Im Gespräch mit unserer Zeitung kritisiert Andreas Stoch die Kultusministerin Eisenmann scharf. (Archivbild) Foto: Murat

SPD-Landeschef zu Besuch beim Schwarzwälder Bote. Er fordert mehr einheitliche Regelungen in Corona-Politik. 

Oberndorf - Große Städte - große Sorgen: Die Situation in Metropolen ist fragil. Ob in Clubs, Bars, Restaurants, Bussen oder Bahn - Menschen sind zunehmend eng zusammen. Mit fatalen Folgen: Die Corona-Infektionen in Baden-Württemberg steigen, die Landeshauptstadt rückt in den Fokus. Ab Mittwoch soll in der Innenstadt eine Maskenpflicht gelten. Landtagspräsidentin Muhterem Aras hat schon reagiert: Die Grünen-Politikerin ordnet angesichts dieser Entwicklung eine Maskenpflicht in allen Gebäuden und Räumlichkeiten des Landtags an.

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"Wir haben im Landtag eine Maskenpflicht gefordert, da es selbstverständlich sein muss, dass auch wir Politiker Masken tragen, wenn auf öffentlichen Plätzen in Stuttgart die Maskenpflicht gilt. Wir wollen hier mit gutem Beispiel vorangehen", erläutert SPD-Landeschef Andreas Stoch am Montag beim Redaktionsgespräch mit unserer Zeitung in Oberndorf (Kreis Rottweil).

Der Heidenheimer warnt vor Übervorsicht

In Großstädten herrsche zwar ein höheres Infektionsrisiko, aber auch der ländliche Raum dürfe sich nicht zurücklehnen, betont der Landtags-Fraktionsvorsitzende mit ruhiger Stimme. Gerade Familienfeiern, bei denen bis zu 100 Gäste erlaubt sind, würden schnell zu einem Corona-Hotspot ausarten. Bisher sei das Land mit geringen Einschnitten im Alltagsleben weggekommen. "Wir haben die letzten sechs Monate mit Abstand, Einhaltung von Hygienemaßnahmen und Tragen von Masken gut überstanden", sagt der Rechtsanwalt.

Der 51-Jährige warnt jedoch vor Übervorsicht: Er richtet seinen Blick auf Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der vor Kurzem gefordert hat, in den Herbstferien nicht zu reisen. "Unser Antrieb in Krisenzeiten muss unsere Verantwortung gegenüber den Menschen sein, nicht Angst", schildert der Heidenheimer bedächtig. Eine Beschränkung für Kontakte über die Grenze in ein Risikogebiet sei sinnvoll, aber Herbstreisen innerhalb Deutschlands zu unterbinden, sieht der ehemalige Kultusminister kritisch.

Auch das Beherbergungsverbot bemängelt der SPD-Politiker, die Ansteckungen bei Übernachtungen seien äußerst gering. "Es ist wichtig und richtig, dass verstärkte Richtlinien in Hotspots gelten. Aber grundsätzlich muss es mehr einheitliche Regelungen geben, nicht einen Flickenteppich regional unterschiedlicher Einschränkungen", betont der SPD-Landeschef mit Nachdruck.

Starke Kritik an Kultusministerin 

Mit seiner Amtsnachfolgerin Susanne Eisenmann (CDU) geht der frühere Kultusminister hart ins Gericht: "Ich muss ganz klar sagen, dass ich seit April niemanden getroffen habe, der der Meinung ist, die Kultusministerin habe einen guten Job gemacht." Sie habe die Zeit vor Beginn des neuen Schuljahres nicht effektiv genutzt, um Perspektiven für Schule unter Corona-Bedingungen aufzuzeigen. "Fortbildungs- und Digitalisierungskonzepte fehlen, genauso Lösungen für den massiven Lehrermangel. Ihre binäre Formel heißt: Regelbetrieb, oder gar kein Unterricht", schimpft Stoch. Weitere Defizite, die er Eisenmann bescheinigt: nicht verfügbare Endgeräte für Schüler im Fernunterricht, teils löchrige Internetverbindungen sowie die fehlende Kompetenz mancher Lehrer, überhaupt digital zu unterrichten.

"Es wurde nicht klar kommuniziert, es wurden keine Lösungen angeboten, und viele Eltern und Schüler hatten das Gefühl, dass sie in der öffentlichen Debatte überhaupt nicht vorkamen und allein gelassen wurden", fügt Stoch hinzu, der seit November 2018 die SPD im Land führt. "Es kann nicht sein, dass es nur noch in einer Art Endzeitstimmung darum geht, irgendwie bis zur nächsten Wahl so weiterzumachen wie bisher. Die Schulen brauchen jetzt Entscheidungen und mutige neue Konzepte", fordert Stoch in seiner ruhigen Art.

Gemeinsames Lernen in Schulen für Bildungserfolg wichtig

Für den SPD-Landeschef steckt in jeder Krise eine Chance. Beispielsweise könne man durch digitalen Unterricht in Ergänzung zum Präsenzunterricht besser auf das individuelle Lernen einzelner Schüler eingehen und das Digitalisierungs-Problem an Schulen besser angehen. Für den Parlamentarier ist aber klar: "Gemeinsames Lernen in Schulen ist wichtig für den Bildungserfolg von Kindern und Jugendlichen, für die soziale Kompetenz und persönliche Entwicklung."

Für Stoch hat zudem nicht die Landesregierung, sondern die kommunale Ebene diese Krise maßgeblich mitgemeistert - 95 Prozent der Beschaffung von Masken hätten beispielsweise die Landkreise verantwortet. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) habe wenig dazu beigetragen. "Deshalb brauchen diese Kommunen und Landkreise jetzt unsere Unterstützung", betont der 51-Jährige. Eine drohende Haushaltssperre wäre eine fatale Folge, die verhindert werden müsse. Zufrieden zeigt sich Stoch über die Zusammenarbeit zwischen der neugewählten SPD-Parteispitze, der Bundestagsfraktion, und den Regierungsmitgliedern mit Vizekanzler Olaf Scholz an der Spitze. "Es funktioniert sehr gut, davon haben wir uns in den letzten Monaten immer wieder überzeugen können", erläutert der SPD-Landeschef den "Dreiklang". Sein Verhältnis zur Co-Bundesvorsitzenden Saskia Esken (SPD, Calw) sei gut.

Doch vor der Bundestagswahl im Herbst 2021 steht erst mal die Landtagswahl im März kommenden Jahres an. Aber wie will der SPD-Landeschef den Wahlkampf angehen? "Wir wissen heute noch nicht, was in den nächsten fünf Monaten möglich sein wird." Klar sei aber, dass man sich neue Formate für den Wahlkampf überlegen müsse, um die Menschen auch ohne die klassischen Podiumsdiskussionen und Wahlkampfstände zu erreichen. Noch hat Stoch fünf Monate Zeit, die Sozialdemokraten im Südwesten auf die Abstimmung einzuschwören. So oder so: Es wird ein Wahlkampf unter Corona-Bedingungen.