Tobias Bernecker Foto: Archiv

Lange Zeit schien sie auf dem Abstellgleis zu rangieren, doch seit Herbst 2020 steht die Reaktivierung der Albstädter Talgangbahn wieder auf der Tagesordnung. Wie sieht der Fahrplan aus?

Albstadt - Zur Erinnerung: 2002 hatte der Albstädter Gemeinderat sich gegen die Reaktivierung der Talgangbahn entschieden, wenngleich mit ganz knapper Mehrheit.

Das Argument lautete damals: Die Stadt könne sich die Investitionen in die Strecke nicht leisten und den Betrieb noch viel weniger. Danach kochte das Projekt auf kleiner Flamme weiter und blieb immer in der Diskussion, aber wenn diese geführt wurde, ging sie in der Regel so aus wie 2002. Noch im Oktober 2020 befasste sich der Albstädter Gemeinderat mit der Option, E-Busse auf der einstigen Bahntrasse verkehren zu lassen.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst

Wenige Wochen später sah die Welt anders aus. Bund und Land stellten ihre Pläne für die Reaktivierung regionaler Bahnstrecken vor und erklärten sich bereit, die Wiederherstellung der Infrastruktur – Bahnhöfe, Bahndämme, Brücken, Gleise – zu 95 Prozent und den Betrieb zumindest auf den ersten 100 reaktivierten Streckenkilometern zu 100 Prozent zu finanzieren. Für die Talgangbahn war die Offerte maßgeschneidert: Sie ist nie entwidmet worden, ihre Gleise und Bahnhöfe existieren noch, und zudem ist sie der Konkurrenz um eine Machbarkeitsstudie voraus – beste Voraussetzungen für ein erfolgreiches Rennen um den vollsubventionierten Bahnbetrieb.

Weder vorpreschen noch bummeln

Doch wer einen komfortablen Vorsprung hat, sollte sich trotzdem nicht darauf verlassen, dass dieser bis zur Zielgerade hält. Im vergangenen Jahr war im Zusammenhang mit der Talgangbahn immer wieder die Frage nach dem richtigen Timing zu hören: Die Albstädter Gemeinderäte wollen zwar nicht vorpreschen, aber bummeln – um im Bild zu bleiben – wollen sie auch nicht. Der Tübinger Bürgerentscheid ist mittlerweile über die Bühne gegangen; gibt es irgendetwas, worauf man warten müsste?

Info-Workshop ist geplant

Nein, lautet die Antwort von Tobias Bernecker, dem Geschäftsführer des Zweckverbands Regionalstadtbahn. Am 28. Januar hat eine Dienstbesprechung stattgefunden, an der auch die Stadt Albstadt teilnahm, und da, so Bernecker habe man sich auf Folgendes verständigt: Noch vor der Sommerpause soll ein erster Info-Workshop stattfinden, an dem alle teilnehmen können, die sich für die Talgangbahn und ihre Reaktivierung interessieren. Die gelegentlich geäußerte Annahme, es werde einen per Zufallsgenerator und Telefon rekrutierten Bürgerrat für die Talgangbahn geben, ist laut Bernecker irrig – der Bürgerrat ist für die ganze Regionalstadtbahn da und auch längst rekrutiert; allerdings besteht er derzeit nur aus 17 Mitgliedern. Es waren nicht mehr bereit, mitzumachen.

Problem Bogenstraße

Parallel zum öffentlichen Informations- und Meinungsbildungsprozess läuft derzeit die Vorplanung: Ein Gutachter prüft den Zustand der Strecke; er untersucht, wie viele Haltestellen, Bahnübergänge und Kreuzungspunkte benötigt werden, wie belastbar der Bahndamm und die Brücken noch sind, wie der Übergang zur Zollernbahn in Ebingen sinnvollerweise aussehen könnte, und wie das Problem zu lösen ist, dass die Ebinger Bogenstraße viel zu tief für einen regulären Bahnübergang liegt.

Das Ergebnis soll noch in diesem Jahr vorliegen; wann genau, das lässt Bernecker offen; von Deadlines für Gutachter hält er nichts. Auf alle Fälle aber soll der Gemeinderat sich noch 2022 mit dem Thema befassen, und dann dürfte auch die Kostenfrage wieder auf den Tisch kommen. Eines ist momentan bereits klar: Gegenüber der Zollernbahn, für die ebenfalls eine Vorplanung erstellt wird, hat die Talgangbahn derzeit mindestens ein Jahr Verfahrensvorsprung – die Zollernbahn ist halt länger und das Projekt ihrer Elektrifizierung so groß, dass an der schwerfälligen europaweiten Ausschreibung kein Weg vorbei führt. Damit stellt sich die Frage, ob man – auch mit Blick auf die Finanzierung – die Talgangbahn nicht lieber vor der Zollernbahn auf die Gleise setzen und vorerst wie ehedem zwischen Onstmettingen und Ebingen verkehren lassen sollte – die S1 von Onstmettingen nach Tübingen käme dann halt erst später. Ob dann gleich eine Elektro-Oberleitung gebaut wird oder erst einmal für eine Interimszeit Batterien oder Wasserstoff zum Einsatz kommen würden, wäre noch zu klären. Nur eines scheidet von vorneherein aus: Diesel.

Der Zollernbahn ein Jahr voraus

Es bleiben also viele Fragen offen. Kommt die Talgangbahn? Der Gemeinderat wirkte in jüngster Zeit fast euphorisch, die Stadtverwaltung dagegen nach wie vor skeptisch; sie verlangt verlässliche Zahlen. Angenommen, die Bahn kommt – kommt sie dann vor oder mit der ausgebauten Zollernbahn? Und drittens: Wann wird es so weit sein? Diese Frage, so Tobias Bernecker, sei derzeit von allen am schwierigsten zu beantworten; die große Unbekannte heiße Planfeststellungsverfahren. Sicher sei dagegen: "Wir haben hier eine große Chance, das Projekt passt zu Albstadt."