Das "Zügle" biegt vom Bahnhof Schiltach nach Schramberg ab, um 1921. Foto: Stadtarchiv Schiltach

Die derzeit diskutierte Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Bahnstrecke Schiltach – Schramberg lässt Erinnerungen ans frühere "Zügle" aufkommen, das viele Schiltacher in den 1950er-Jahren werktäglich nach Schramberg und zurück transportierte.

Schiltach - Die Fahrgäste, das waren bunt gemischt Arbeiter und Angestellte der Fabriken im Welschdorf und Schramberg: Drahtzieher, Keramikmaler, Prokuristen, Sekretärinnen und Uhrmacher. Dazu die "Oberschüler" aus Schiltach.

Zu letzteren gehörte damals auch der Autor selbst, der sich erinnert: "Morgens um 6.30 Uhr standen wir miteinander am Bahnhöfle in ›Schiltach-Stadt‹, bis mit Bimmeln, Pfeifen und Schnauben der ›Arbeiterzug‹ aus dem Kirchbergtunnel angedampft kam. Die wenigen Personenwagen waren schnell voll, ebenso die harten hölzernen Sechser-Sitzbänke."

Hausaufgaben oder Skat

Und weiter: "An den Fenstern war‘s zugig, die Laune des kontrollierenden Schaffners mit seiner roten Schärpe meist schlecht. Die gute halbe Stunde bis Schramberg wurde für noch fehlende Hausaufgaben genutzt. Wer sie schon hatte, spielte auf einer mittig auf die Knie gelegten Schulmappe Skat, wie es uns die älteren Mitschüler beigebracht hatten."

Im Winter schaffte die Lok auf den vereisten Gleisen manchmal die Steigungen nicht, so beim ehemaligen "Löwen", und das Zügle rollte wieder rückwärts, um einen neuen Anlauf zu nehmen – Abenteuer schon am frühen Morgen!

Heimlaufen auf den Schienen

Mittags wartete es meist, bis die Schüler vom Gymnasium oder Berneck-Sportplatz am Schramberger Bahnhof angerannt kamen. "Sahen wir nur noch die roten Rücklichter, so ging der Heimweg auf den Schienen – ein Gegenzug war ja nicht zu erwarten – was zwei Stunden dauerte."

Das Tempo des Bähnles war mäßig – maximal 20 Stundenkilometer ließen ein fröhliches Winken mit den Leuten im hinteren Lehengericht zu. Dort gab es auch Stellen, wo das Zügle fast die Felsen streifte. Da hieß es "Vorsicht", eingedenk jenes Mannes, der beim Rausgucken seinen Hut und beinahe den Kopf verloren haben soll. "Von den Fenstern der Tuchfabrik Korndörfer-Schemel warfen uns Arbeiterinnen Kusshändchen zu, die wir unter Johlen und Schreien erwiderten", erinnert sich der Autor.

Busfahrt praktischer, aber nicht schöner

Nach der Einstellung des Schramberger Bahn-Personenverkehrs im November 1959 mussten die Schüler in den Omnibus umsteigen, "der uns ohne langes Laufen durch die Talstadt direkt an die Schule brachte. Das war viel praktischer, aber nicht schöner: der Bus überfüllt, Stehplätze die Regel und die Fahrgemeinschaft aus allen Bevölkerungsschichten beendet. Leider auch das schnelle Hausaufgabenmachen und das Skatklopfen, das die Zeit vertreiben ließ. Dieses haben wir vom ›Lernort Zügle‹ bis heute bewahrt, ebenso die Kameradschaft mit manchen, mit denen wir über Jahre täglich gemächlich unterwegs waren," so Harters Erinnerung.

Info: Die Hintergründe

Die Landesregierung möchte den öffentlichen Nahverkehr stark ausbauen – und dafür auch stillgelegte Bahnstrecken reaktivieren. Eine erste Potenzialanalyse hatte ermittelt, dass das Minimalziel von 500 Fahrgästen am Tag auf der Strecke Schiltach-Schramberg erreicht werden könnte.

Das war die Voraussetzung für eine Machbarkeitsstudie zur Wiederbelebung der Bahnstrecke, für die der Kreistag Ende Dezember 2021 einen Förderantrag beim Land gestellt hat. Das Land übernimmt 75 Prozent der Studie-Kosten. Der Kreistag trägt von den restlichen 25 Prozent die Hälfte, die Städte Schramberg und Schiltach je ein Viertel. Während die Zustimmung zur Machbarkeitsstudie im Gemeinderat in Schramberg groß war, gab es in Schiltach längere Diskussionen.

Ideengeber der Reaktivierung ist Armin Fenske vom Fahrgastverband Pro Bahn. Er hat bereits eine eigene "Machbarkeitsstudie" veröffentlicht in einem Online-Vortrag vorstellte. Der Zugangslink ist unter www.pro-bahn-bw.de zu finden.