Versteht sein schnelles Aus offenbar auch nicht: Julian Nagelsmann – hier bei der wohl entscheidenden Niederlage in Leverkusen. Foto: AP/Martin Meissner

Die Entlassung von Julian Nagelsmann hat alle umgehauen – auch bei den Vereinen und Fanklubs von Calw bis Rottweil wird diskutiert.

Das hat kaum jemand erwartet: Julian Nagelsmann wurde beim FC Bayern entlassen, Thomas Tuchel übernimmt. Wir haben Reaktionen gesammelt.

Nina Singer (FC-Bayern-Fanclub Dießener Tal aus Horb)

„Der Zeitpunkt der Entlassung kurz vor zwei sehr wichtigen Spielen gegen Dortmund und Manchester City hat einen bitteren Beigeschmack. Man hat zu Zeiten, in denen man sich Demut zuschreiben wollte, Nagelsmann für 25 Millionen Euro verpflichtet und ihm einen Vertrag bis 2026 gegeben. Noch vor Kurzem, nach dem Spiel in Paris, hat man Nagelsmann öffentlich das Vertrauen ausgesprochen. Zu diesem Zeitpunkt war man bestimmt schon in Gesprächen mit Tuchel. Die Führungsriege zeigt mal wieder, dass man als Fan auch in sie kein zu hohes Vertrauen setzen darf. Der FC Bayern zeigt mal wieder sein schönstes FC-Hollywood-Gesicht.“

Denis Epstein (U23-Trainer der TSG Balingen und früherer Bundesligaspieler)

„Nach der Salihamidžić-Aussage („Das war nicht der FC Bayern“) war mir schon klar, dass es da intern brodelt. Die Bayern sind sicherlich unzufrieden, weil sie den Vorsprung auf Dortmund verspielt haben, daher kam das für mich jetzt auch nicht so plötzlich. Ich denke auch, dass die Bayern Tuchel einfach fix machen wollten und das auch eine Rolle gespielt hat.“

Markus Hallas, U17-Trainer bei der TSG Balingen und Bayern-Fan

„Man entlässt einen unbequemen Trainer und holt einen noch unbequemeren. Man holt natürlich einen Trainer, der nachgewiesen hat, dass er erfolgreich sein kann – lässt aber einen Trainer gehen, der dies ebenfalls gezeigt hat. Aus meiner Sicht fallen solche Entscheidungen früher; seit Uli Hoeneß das Zepter nicht mehr in der Hand hat, da wurde auch deutlich offener kommuniziert.“

Nino Eisensteck (Trainer des Bezirksligisten FC Hardt)

„Rein sportlich ist es für mich nicht nachvollziehbar, auch wenn Bayern derzeit einen Punkt hinter Dortmund steht. Da muss hinter den Kulissen mehr gewesen sein. Julian Nagelsmann hat seine eigene Linie und Meinung. Da sind sicher nicht alle immer mit ihm einverstanden gewesen.“

Sebastian Müller (Sportlicher Leiter beim Bezirksligisten SV Villingendorf)

„Die Entlassung von Julian Nagelsmann kommt für mich sehr überraschend. Ich finde das ein schlechtes Signal für den Fußball allgemein. Nagelsmann hatte einen Fünfjahresvertrag, wird von einem langfristigen Projekt geredet. Da sind Verträge eigentlich nichts mehr wert. Der FC Bayern ist noch in allen drei Wettbewerben, somit aus sportlicher Sicht nicht zu verstehen. Was dann im Hintergrund läuft oder gelaufen ist, hat man keinen Einblick.“

Julian Immisch (Spielertrainer GW Ottenbronn, Bezirksliga Böblingen/Calw)

„Schon beim Rauswurf von Torwarttrainer Toni Tapalovic verspürte man etwas Gegenwind aus der Mannschaft. Inhaltlich ist Nagelsmann unumstritten ein super Trainer. Seine Personalentscheidungen waren aber eventuell – insbesondere bei zuletzt ausbaufähiger Punktausbeute – auch für einige Funktionäre im Verein etwas zu innovativ. Dass sich Nagelsmann trotzdem nicht verbiegen ließ, könnte sich hinsichtlich seiner Autorität bei zukünftigen Trainerjobs noch auszahlen. Vielleicht war der Kader des FC Bayern für so einen jungen Trainer dann doch noch eine Nummer zu groß. Mit Blick auf die Möglichkeiten in den verbleibenden Wettbewerben kommt der Schritt dennoch überraschend. Ich denke, wir sehen Herrn Nagelsmann bald wieder hochmotiviert am Spielfeldrand.“

Dennis Söll (TSV Trillfingen)

„Für mich war es, wie wahrscheinlich für viele auch, eine Riesen-Überraschung, als ich am Donnerstag von der Entlassung von Julian Nagelsmann erfahren habe. Der FC Bayern hat Nagelsmann ja erst vor knapp zwei Jahren für 25 Millionen verpflichtet und mit einem langfristigen Vertrag ausgestattet. Ich denke, sportlich war es nicht so prekär oder schlecht, um ihn unbedingt zu entlassen. Vor allem vor so einem wichtigen Spiel wie gegen Dortmund. Ich bin der Meinung, dass intern einiges vorgefallen ist, das nicht mehr gepasst hat, auch von der Mannschaft her. Thomas Tuchel ist ein geeigneter Nachfolger. Er wird jetzt versuchen müssen, Mannschaft, Vorstand und den Verein wieder als Einheit zusammenzubringen. Dann wird Bayern die sportliche Qualität, die die Mannschaft unbestritten hat, auch wieder auf dem Platz bringen und erfolgreichen Fußball spielen. Tuchel hat in London mit Chelsea bewiesen, dass er auch mit einer Mannschaft, der im Vorfeld nicht so viel zugetraut wurde, die Champions League gewinnen kann. Ich denke, dass er das mit München, das Jahr für Jahr zu den Favoriten zählt, hinbekommen wird. Wichtig wird sein, dass er die Mannschaft hinter sich hat, Ruhe in den Verein einkehrt und er keine Fehler macht. Tuchel ist ein Trainer, der gerne aneckt oder polarisiert. Wenn er das hinbekommt, steht einer erfolgreichen Zukunft mit Tuchel und dem FC Bayern München nichts im Wege.“

Stefan Bach (TSV Straßberg)

„Ich war total überrascht, als ich die Meldung gelesen habe. Bei einer Niederlage gegen Dortmund wäre es ein anderes Thema gewesen. Es gab schon seit längerem Stimmen, dass es bei Bayern im Verein etwas kriselt. Aber die Bosse haben sich in den vergangenen Wochen immer hinter Julian Nagelsmann gestellt. Deshalb kam dieser Schritt für mich überraschend. Ich denke, dass es interne Probleme gab, die dazu geführt haben, oder die Führung hat ihm doch nicht mehr zugetraut, dass er die Mannschaft in der Bundesliga wieder auf den richtigen Weg führen kann. Denn im DFB-Pokal und vor allem in der Champions League waren es bisher überragende Leistungen. Aber das zeigt auch, wie schnelllebig das Fußball-Geschäft ist. Julian Nagelsmann ist fachlich ein brutal guter Trainer; doch der FC Bayern München ist eben noch einmal eine andere Hausnummer. Das heißt es, in jeden Wettbewerb zu performen und keine Schwächen zu zeigen. Und das haben die Bayern eben in der Bundesliga in der Rückrunde. Der FC Bayern hat elf Punkte weniger geholt als Borussia Dortmund, und das ist im nationalen Vergleich schwierig. Ich glaube nicht, dass dies ein Qualitätsproblem ist, sondern dass es eher in Sachen Motivation und Einstellung Defizite gab. Das werden die Bosse auch Nagelsmann ankreiden, dass es ihm in der Bundesliga nicht gelungen ist, seine Spieler konstant zu Höchstleistungen anzutreiben. Der FC Bayern will in der Bundesliga immer an erster Stelle stehen, ich finde aber die Entscheidung überzogen. Es wäre ja noch alles möglich gewesen. Wenngleich ich natürlich eine Beurteilung für schwierig halte, da ich natürlich zu weit weg bin. Thomas Tuchel ist fachlich und fußballerisch für mich einer der drei besten Trainer der Welt. Das ist mit Sicherheit eine gute Lösung. Aber Tuchel ist kein einfacher Charakter: Er ist in Chelsea, Paris, Dortmund Mainz angeeckt. Es wird spannend, wie Bayern es mit ihm handelt. Aber rein von der Qualität her ist er ein perfekter Nachfolger. Ich bin gespannt, ob er die Mannschaft in der Bundesliga gleich wieder ins Laufen bekommt. Das war für mich der Grund für die Nagelsmann-Entlassung. Tuchel soll mit seiner Autorität wieder richtigen Zug in die Kabine bekommen; ich bin davon überzeugt, dass dies zum Positiven beitragen wird – vorerst mal. Wir es  dann in Zukunft aussehen wird, da lassen wir uns überraschen.“