Der Waldhof als militärisches Übungsgelände – die Nachricht aus Stuttgart kommt für viele unerwartet, völlig überraschend. Vor allem löst sie bei Landrat, Bürgermeistern und Politikern eines aus: Stirnrunzeln. Noch seien viele Fragen offen, heißt es.
Geislingen - Bis 2018 war die Staatsdomäne Waldhof in Betrieb unter Pächter Hartmut Gindele. Er war bekannt für seine tierfreundliche Schweinehaltung, Ferienspiel-Kinder aus Geislingen waren dort regelmäßig zu Gast. Als "legendär" bezeichnet einer, der dabei war, die Spanferkelessen, zu denen Gindele ausgewählte Gäste einlud. Unweit des Waldhofs oberhalb von Geislingen und Erzingen verlief früher zudem eine bedeutende Römerstraße, quasi die Autobahn der Legionäre. Für viele Menschen ist das Gebiet rund um die Staatsdomäne Naherholungsgebiet, beliebte Radlerstrecke.
Auch US-Streitkräfte sollen üben
Dass dort wohl schon bald – die Rede ist seitens des baden-württembergischen Staatsministerium von einem Interimsbetrieb ab 2023 – Soldaten des in Calw stationierten Kommandos Spezialkräfte und außerdem der US-Streitkräfte Fallschirmsprungübungen absolvieren sollen, diese Nachricht kommt überraschend. Bei einem früheren Suchlauf vor wenigen Jahren war das Areal als ungeeignet für diesen Zweck bewertet worden – genau so übrigens wie das Degerfeld oberhalb von Truchtelfingen.
Standort Haiterbach vom Tisch
Wie die Entscheidung nun dennoch auf den Waldhof fiel, darüber kann man trefflich rätseln. Fakt ist, dass das bisher ins Auge gefasste Areal in Haiterbach (Kreis Calw) vom Tisch ist – vor allem, weil dort der Widerstand gegen das Absprunggelände riesengroß war. Und anders als in Haiterbach befindet sich der Waldhof im Eigentum des Landes, man muss sich nicht, wie weiter nördlich, mit vielen Eigentümern erst einig werden – was im Nordschwarzwald ohnehin völlig aussichtslos schien.
Geislingen als Notnagel?
Also Geislingen – als Notnagel? Fakt ist, dass die Bundeswehr schnell ein neues Übungsgelände benötigt, ebenso schnell wie das Unternehmen Robert Bosch in Renningen-Malmsheim (Landkreis Böblingen) die Erweiterungsfläche, auf der die Fallschirmspringer derzeit noch landen. Die Erweiterungsfläche ist dem Unternehmen seit langer Zeit versprochen.
Pauli als erster informiert
Als Erster informiert wurde über die Planungen Landrat Günther-Martin Pauli, von Ministerpräsident Winfried Kretschmann persönlich, wenn auch virtuell am PC-Bildschirm. Er sei von der Nachricht "aufgeschreckt" gewesen, so Pauli. Aus seiner Sicht gebe es viele Fragen, die wichtigsten: Warum konzentriert sich die Bundeswehr nicht auf den Truppenübungsplatz Heuberg? Kann man auf die wertvolle Ackerfläche rund um den Waldhof verzichten? Können der Zollernalbkreis und betroffene Kommunen bei dieser Angelegenheit überhaupt und wie noch mitgestalten?
Staatsminister Florian Stegmann ließ bereits durchblicken, dass sich im Zusammenhang mit dem Vorhaben "auch positive Entwicklungsmöglichkeiten für die Region diskutieren" ließen. Dazu Pauli: "Wir lassen uns sicher nicht kaufen."
"Geislinger wollen gehört werden"
Der Geislinger Bürgermeister Oliver Schmid sagt zu den Überlegungen, dass er derzeit "ehrlich noch nicht viel sagen kann". Ihm fehlten schlicht wesentliche Informationen, um sich mit dem Ansinnen sachlich auseinandersetzen zu können. Klar sei, so Schmid, dass das KSK eine für die Sicherheit Deutschlands wichtige Einrichtung sei und ein Gelände für Übungen benötige. Allerdings sehe er auch einige "Spannungsfelder", die wohl Diskussionen aufwerfen werden: Belange von Forst und Jagd, Naherholung und Landwirtschaft seien tangiert. Teile der Waldhof-Äcker und Wiesen werden derzeit noch von Landwirten aus der Region bewirtschaftet; diese Flächen sind nach Angaben des Staatsministeriums verpachtet, die Verträge sollen auslaufen.
Wichtig sei, so Schmid, dass das Land nun rasch alle Betroffenen ins Boot hole und auf allen Ebenen für Transparenz sorge. Das sei bei einem Projekt dieser Größenordnung von enormer Bedeutung. Das Thema militärisches Übungsgelände bewege die Menschen – und nicht nur, aber vor allem die Geislinger Bevölkerung "will gehört werden", so Schmid.
Warum Truppenübungsplatz nicht geeignet?
"Ich finde es komisch, dass man so eine Mail kriegt", sagt Thomas Miller. Der Rosenfelder Bürgermeister ist ebenso wie Schmid am Mittwoch in wenigen Zeilen informiert worden und hat sich mit seinem Kollegen in Haiterbach in Verbindung gesetzt.
Fraglich sei, inwiefern Rosenfeld von Fluglärm betroffen sei, wenn Transall-Maschinen der Bundeswehr oder militärische US-Frachtflugzeuge vom Typ C-130 von Westen her in Richtung des Kleinen Heubergs anfliegen würden. Auch Miller wundert sich, dass der Truppenübungsplatz Heuberg nicht geeignet sein soll.
"Zollernalbkreis immer Partner der Bundeswehr"
Die CDU-Landtagsabgeordnete und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut sieht ebenfalls noch viele offene Fragen: "Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf absolute Transparenz des gegenwärtigen Sachstands und der Planungen sowie der sich daraus ergebenden Konsequenzen." Auch müsse die Beteiligung der Menschen vor Ort bei der Planung zugesichert werden. "Vor allem muss alles dafür getan werden, um die Chancen der Weiterentwicklung unserer Region zu sichern. Notwendige Kompensationsmaßnahmen müssen möglich sein", so die Landtagsabgeordnete wörtlich. Gleichzeitig betont sie die Bedeutung von Übungsmöglichkeiten für die Bundeswehr. "Der Zollernalbkreis war immer Partner der Bundeswehr. Das soll auch so bleiben."
Bareiß: "größtmögliche Transparenz"
Offenbar buchstäblich überrumpelt worden ist von der KSK-Nachricht der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß. Er verfasste geharnischte Briefe an Ministerpräsident Kretschmann und an Bundesverteidigungsministerin Christina Lamprecht ("per E-Mail – Eilt"), in denen er schnellstmöglich nähere Informationen einfordert. Im Sinne der Bürger müsse "größtmögliche Transparenz" hergestellt werden.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Robin Mesarosch sagt, dass ihm wie vielen anderen auch bislang zu wenig Informationen vorliegen, um die Situation wirklich einschätzen zu können. "Mir ist wichtig, dass die Bundeswehr Übungsmöglichkeiten hat, nur müssen wir auch die Interessen der Geislingerinnen und Geislinger schützen".
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