Der ehemalige US-Präsident Donald Trump erscheint im Strafgericht von Manhattan während der Beratungen der Geschworenen in seinem Schweigegeldprozess. Foto: Charly Triballeau/Pool AFP/AP/dpa

Der Ex-Präsident der Vereinigten Staaten ist nun ein verurteilter Straftäter. Doch es sieht so aus, als würde das Donald Trumps Ambitionen auf eine weitere Amtszeit nicht sonderlich beeinträchtigen.

Ein verurteilter Straftäter als Präsident? Geht nicht? Geht doch. In den Vereinigten Staaten des Jahres 2024 scheint nichts mehr unmöglich. Donald Trump hat schon viele Grenzen des Vorstellbaren überschritten. Nun sichert sich der Republikaner ein neues Alleinstellungsmerkmal: Als erster Ex-Präsident der Vereinigten Staaten ist der 77-Jährige in einem Strafverfahren schuldig gesprochen worden – wegen der Verschleierung einer Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin.

 

Na und? So erstaunlich die historische Verurteilung eines Ex-Präsidenten und aktuellen Präsidentschaftsbewerbers ist, so erstaunlich ist, dass Trump womöglich ohne größeren Schaden davonkommen wird. Und dass er seinen Versuch, wieder ins Weiße Haus einzuziehen, vorerst unbeirrt fortsetzen kann.

 

Wie sind die Reaktionen auf den Urteilsspruch?

  • „Wall Street Journal“ (New York): Die Verurteilung schafft einen Präzedenzfall dafür, juristische Fälle – egal, wie fragwürdig sie sind – zu nutzen, um zu versuchen, politische Gegner auszuschalten, einschließlich ehemalige Präsidenten. Trump hat bereits geschworen, sich zu revanchieren. Wenn den Demokraten am Donnerstag bei der Verlesung des Schuldspruchs zum Jubeln zumute war, sollten sie noch mal darüber nachdenken. Bragg könnte eine neue destabilisierende Ära der US-Politik eingeleitet haben, und niemand kann sagen, wie sie enden wird.“
  • Donald Trump (Anwärter auf das Präsidentenamt): „Das ist eine Schande. Das war ein manipulierter, beschämender Prozess. Das echte Urteil fällt am 5. November (bei den Wahlen, d. Red.) – durch das Volk. Die Menschen wissen, was hier passiert ist. Ich bin unschuldig. Wir werden weiterkämpfen. Wir werden bis zum Ende kämpfen, und wir werden gewinnen, weil unser Land zur Hölle fährt. Das hier ist noch lange nicht vorbei.“
  • „New York Times“: „ Die Entscheidung der Jury und die im Prozess präsentierten Fakten sind eine weitere – vielleicht die bislang deutlichste – Erinnerung an die vielen Gründe, warum Donald Trump für das Amt ungeeignet ist. . . . Die Geschworenen haben ihr Urteil verkündet, so wie es die Wähler im November machen werden. Wenn die Republik überleben soll, sollten wir uns alle, einschließlich Trump, an beide halten, unabhängig vom Ergebnis.“
  • Joe Biden: US-Präsident Joe Biden hat die Verurteilung von Ex-Präsident Donald Trump im Schweigegeld-Prozess für einen Wahlaufruf und Werbung in eigener Sache genutzt. „Es gibt nur einen Weg, Donald Trump aus dem Oval Office herauszuhalten: An den Wahlurnen“, schrieb der Demokrat auf seinem privaten X-Account am Donnerstag. „Spenden Sie noch heute für unsere Kampagne.“
  • Donald Trump Jr.: Trumps Sohn Donald Junior verbreitete gleich mehrere Nachrichten auf der Plattform X. Eine davon lautete: „So ein Bullshit!“ Die Demokraten hätten mit ihrem jahrelangen Versuch Erfolg gehabt, Amerika in ein „Dritte-Welt-Drecksloch“ zu verwandeln. Mit Blick auf den Termin der Präsidentschaftswahl mahnte er: „Der 5. November ist unsere letzte Chance, es zu retten.“
  • „Sydney Morning Herald“: „Er war der erste amtierende Präsident, gegen den zweimal ein Amtsenthebungsverfahren lief, der erste, der ins Weiße Haus einzog, ohne zuvor in der Regierung oder beim Militär gedient zu haben, und der erste ehemalige Präsident, der sich trotz 88 Anklagepunkten zur Wiederwahl stellte. Nun hat Donald Trump seiner Karriere einen neuen berüchtigten Titel hinzugefügt: Er ist der erste Präsidentschaftskandidat, der als verurteilter Verbrecher für das Amt kandidiert.“
  • „La Repubblica“ (Rom): „Das Urteil in Manhattan ist eine Niederlage für Donald Trump. Sie gefährdet seine Wiederwahl, auch wenn seine Fans ihn unverdrossen weiter unterstützen werden.  . . . Das Risiko, das Trump jetzt eingeht, besteht jedoch darin, dass er potenzielle Unterstützung bei den gemäßigten Wählern verliert, die für einen Sieg gegen Joe Biden entscheidend sind. Einen Kriminellen ins Weiße Haus zu schicken, wäre selbst für sie zu viel - eine unüberwindbare rote Linie.“
  • Mike Johnson (Republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses): „Das ist ein beschämender Tag in der US-Geschichte. Demokraten jubeln, während der Anführer der anderen Partei wegen lächerlicher Anschuldigungen verurteilt wird.“
  • Richard Grenell (Republikaner und ehemaliger US-Botschafter in Deutschland): „Ich habe genug gesehen . . . Donald Trump ist zum 47. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden.“

Darf Trump zur Wahl antreten?

Die Verurteilung hält Trump rechtlich nicht davon ab, wie geplant bei der Präsidentenwahl im November anzutreten. Die Verfassung schreibt nur drei Anforderungen vor:

  • Anwärter müssen qua Geburt US-Bürger sein
  • mindestens 35 Jahre alt
  • seit mindestens 14 Jahren in den USA leben

Andere Vorgaben gibt es nicht. Trump könnte sich selbst dann zur Wahl stellen, wenn er in Haft säße. Ein solches Beispiel aus der US-Geschichte gibt es sogar: Der Sozialist Eugene Debs bestritt die Präsidentschaftswahl 1920 aus dem Gefängnis, wenn auch erfolglos.

Ob Trump das Urteil trotzdem bei der Abstimmung schaden könnte, weil er in der Gunst der Wähler zurückfällt, ist fraglich Foto: Pool New York Magazine/AP/Mark Peterson/dpa

Kommt Trump ins Gefängnis?

Dass Trump am Ende tatsächlich ins Gefängnis kommen könnte, halten Experten trotz des Schuldspruchs aber ohnehin für eher unwahrscheinlich. Das Strafmaß wird am 11. Juli verkündet – vier Tage vor dem Beginn des Nominierungsparteitags der Republikaner, bei dem Trump offiziell zum Präsidentschaftskandidaten gekürt werden soll.

Der Richter könnte die Strafe zur Bewährung aussetzen, Hausarrest verfügen, am Ende nur eine Geldstrafe verhängen oder Trump zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten. Die Tatsache, dass Trump noch nie zuvor in einem Strafverfahren verurteilt wurde, ist ein begünstigender Faktor für ihn.

Der ehemalige US-Präsident Donald Trump (re.) verlässt am 30. Mai den Gerichtssaal vom Strafgericht in Manhattan. Foto: Charly Triballeau/Pool AFP/AP/dpa

Gehen Trumps Anwälte in Berufung?

Vor allem aber wird er Berufung gegen das Urteil einlegen, und das Prozedere dürfte sich über Monate hinziehen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass bis zum Wahltermin am 5. November überhaupt ein rechtskräftiges und damit finales Urteil vorliegt.

Es könnte zwar zu der bizarren Situation kommen, dass der Bewerber für das höchste Amt im Staat mitten im Wahlkampf Bewährungsauflagen einhalten muss, sich nur begrenzt bewegen darf oder womöglich Sozialstunden ableisten muss. Ansonsten steht ihm der Schuldspruch aber rein technisch bei der Wahl nicht im Weg.

Was denken die Wähler?

Ob ihm das Urteil trotzdem bei der Abstimmung schaden könnte, weil er in der Gunst der Wähler zurückfällt, ist fraglich. In landesweiten Umfragen liegt Trump seit Wochen ein bis zwei Prozentpunkte vor dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden. Daran hat auch der Prozess in New York nichts geändert, obwohl dieser pikante Details über Trumps Sexleben und dubiose Geschäftspraktiken offenlegte.

Das Rennen um die Präsidentschaft in den USA 2024. Foto: dpa-Infografik

In einzelnen Umfragen gab ein kleiner Anteil potenzieller Trump-Wähler zuletzt zwar an, dass sie im Fall einer Verurteilung „überdenken“ könnten, ob sie dem Republikaner ihre Stimme geben. Die meisten von ihnen würden nach eigenen Angaben aber nicht für Biden stimmen, sondern im Zweifel eher gar nicht wählen. Ob dies also das Blatt wenden könnte, ist offen. Trumps Hardcore-Anhänger stehen ohnehin eisern zu ihm. Und generell sind große Teile der US-Bevölkerung eher unbeeindruckt von seinen Fehltritten.

Was sagt die republikanische Partei?

Trump hat seine Partei fester im Griff denn je – trotz aller Skandale. Nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 sah es für einen kurzen Moment so aus, als sei er politisch für immer erledigt. Damals gingen selbst treue Weggefährten zunächst auf Distanz zu ihm. Doch aus Angst vor der Parteibasis, die dem Republikaner zum Teil blind folgt, kehrte einer nach dem anderen zurück an Trumps Seite.

Sein Durchmarsch bei den parteiinternen Präsidentschaftsvorwahlen hat gezeigt, dass er der klare Frontmann der Republikaner ist. Die gesamte Parteiprominenz unterstützt die Präsidentschaftsbewerbung des 77-Jährigen öffentlich und kritisiert das juristische Vorgehen gegen ihn als politisch motiviert.

Dass sich einer von ihnen wegen des Schuldspruchs nun abwenden könnte, ist nicht abzusehen. Im Gegenteil: Auch beim Prozess in New York ließ Trump demonstrativ reihenweise Parteikollegen auflaufen zur obligatorischen Solidaritätsbekundung – vor allem jene, die in seiner möglichen nächsten Regierung etwas werden wollen.

Knast oder Weißes Haus?Experten halten eine Haftstrafe für den Ex-Präsidenten für unwahrscheinlich. Foto: Pablo Martinez Monsivais/AP/dpa

Welche anderen Prozesse laufen noch?

Der Schuldspruch hat auch keine nennenswerten Auswirkungen auf die anderen Strafverfahren. Der Ex-Präsident ist noch in drei anderen Fällen angeklagt:

  • In zwei Verfahren in der Hauptstadt Washington und im Bundesstaat Georgia geht es um seine Versuche, den Wahlausgang von 2020 umzukehren.
  • In einem weiteren Verfahren in Miami ist er angeklagt wegen der unrechtmäßigen Aufbewahrung hochsensibler Regierungsunterlagen. Die Vorwürfe in diesen drei Fällen sind weitaus schwerwiegender als die im New Yorker Prozess. Einer der Anklagepunkte unter vielen: Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten. Doch mit Verzögerungstaktik und juristischen Winkelzügen hat Trump es geschafft, sämtliche dieser Verfahren zu torpedieren und den Prozessauftakt in allen drei Fällen hinauszuschieben.
  • Der bedeutsame Wahlbetrugs-Prozess gegen ihn in Washington steht sogar komplett auf der Kippe. Denn zunächst muss nun der Supreme Court als höchstes Gericht der Vereinigten Staaten darüber entscheiden, ob Trump nicht möglicherweise immun gegen Strafverfolgung in dem Fall ist. Das dürfte dann auch Auswirkungen auf die beiden Verfahren in Georgia und Florida haben. Momentan sieht es danach aus, dass keiner dieser Prozesse überhaupt vor dem Wahltag stattfinden wird.