Heinz Blickle, der zusammen mit seiner Frau Berta an der Harthauser Straße in Winterlingen einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Limousin - und Angusrindern in Mutterkuhhaltung betreibt, hat genau nachgezählt: In seinem rund 60 Jahre alten Stall hängen an den Wänden und Deckenbalken exakt 40 Rauchschwalbennester, von denen fast alle belegt sind.
Winterlingen - "Was die Anzahl der Nester dieser Schwalbenart angeht, wohl weit und breit einmalig", meint der 72- jährige Landwirt, dessen Rinder im Sommer jeden Tag die weitläufige Weide hinter dem Stall und der Scheune am Winterlinger Ortsrand genießen.
In den vergangenen Jahren seinen sogar immer mehr Nester dazu gekommen, berichtet Heinz Blickle. Er vermutet, dass es daran liegt, dass auch im Raum Winterlingen immer mehr Ställe leer stehen. Die Rauchschwalbe ist im Unterschied zu der kleineren und helleren Mehlschwalbe, die ausschließlich an Hausfassaden brütet, auf Stallungen mit Tieren angewiesen, wo auch noch Mist zu finden ist. Blickle beobachtet, dass die Rauchschwalben ältere Ställe mit niedrigen Decken den modernen Großstallungen vorziehen.
"Die Rauchschwalben sind in diesem Jahr schon recht früh im März in unserem Stall aufgetaucht", erzählt Berta Blickle, die sich jedes Jahr auf die Ankunft dieser eleganten Sommerboten freut. Wegen des massiven Kälteinbruchs im April seien die Schwalben jedoch fast vollstandig für etwa zwei Wochen wieder verschwunden.
Ganztägige Gezwitscher im Stall
Nach der erneuten Rückkehr haben sie dann mit der Brut begonnen. Der Nestbau sei bei den Schwalben in aller Regel kein Problem, da diese standorttreuen Vögel ihre alten Nester aus den Vorjahren nach kurzer Ausbesserung erneut beziehen und damit ihre ganze Energie nach dem langen, kräftezehrenden Vogelzug aus den südlichen Winterquartieren in die Brut und die Aufzucht ihrer Jungen stecken können.
Rauchschwalben, die man an ihrem kastanienbraunen Stirn- und Kehlfleck sowie an ihrem langen, tief gegabelten Schwanz gut erkennen kann, haben zwischen drei und sechs Junge, die auch nach dem Flüggewerden noch zwei weitere Wochen von den Eltern mit Fluginsekten versorgt werden. Derzeit ist das ganztägige Gezwitscher im Stall nicht zu überhören und die zweite Brut schaut bereits aus den Nestern, wobei manche schon mal eine kleine Runde im Stall fliegen, um danach sofort wieder am Nestrand Platz zu nehmen.
"Wenn das Wetter passt, brüten einige auch noch ein drittes Mal", weiß Heinz Blickle und zeigt auf ein Nest, das die Rauchschwalben schon vor etlichen Jahren an der Halterung einer Röhrenleuchte angebracht haben und in dem gerade drei Jungschwalben auf ihre Fütterung warten.
Hochgerechnet können da auch mal um die 250 Rauchschwalben zusammenkommen, die in einer Brutsaison den Rinderhof an der Harthauser Straße verlassen. Das ist auch dringend notwendig, denn der Bestand der Rauchschwalben ist nach Untersuchungen des NABU in Deutschland deutlich rückläufig, sodass diese Schwalbenart seit 2015 in der Roten Liste als gefährdete einheimische Brutvogelart eingestuft ist.