Treffen mit der Delegation aus Kamerun; links Kunstministerin Petra Olschowski, Zweite von rechts: Rekia Nfunfu Ngeh. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Am Montag startete im Stuttgarter Linden-Museum ein bundesweit beachteter Prozess für die Rückgabe von geraubten Kulturgütern aus der ehemaligen deutschen Kolonie Kamerun. Doch es gibt noch viele offene Fragen.

Erneut stehen Stuttgart und das Linden-Museum beim Thema Restitution bundesweit im Fokus: Am Montag fand dort der offizielle Auftakt eines „Dialogtreffens“ zwischen Vertretern aus Kamerun und elf deutschen ethnologischen Museen statt – politisch begleitet von Kunst- und Wissenschaftsministerin Petra Olschowski. Das Ziel des zweitägigen Treffens unter Beteiligung auch des Auswärtigen Amtes und der Kulturstiftung der Länder: Vertrauensbildung und ein erster gemeinsamer Austausch über die Modalitäten der Rückgabe von Objekten aus Kamerun, die einen sogenannten kolonialen Kontext haben.

 

Von 1884 bis 1916 war das Gebiet deutsche Kolonie und einer deutschen „Schutztruppe“ unterworfen, die dort auch auf Raubzug ging. Rund 40 000 Kulturgegenstände lagern meist seit mehr als 100 Jahren in deutschen Museen, 95 Prozent davon in deren Archiven, ohne dass die Öffentlichkeit sie zu Gesicht bekommen würde. Die französische Kulturhistorikerin Bénédicte Savoy hat die Bestände in einem „Atlas der Abwesenheiten“ zusammengefasst. Ihre umfangreiche Studie bildet eine Grundlage für den jetzt begonnenen Restitutionsprozess mit Kamerun.

Die Situation ist komplexer als im Falle von Benin

Baden-Württemberg und das Linden-Museum mit Museumsdirektorin Inés de Castro haben dabei eine federführende Rolle. Denn hier lagern allein 8000 der kamerunischen Objekte in Deutschland – von Zeremonialgegenständen über Schmuck bis zu Waffen. Praktische Erfahrungen hat man bereits bei der Restitution von geraubten Objekten nach Namibia und Benin gemacht. Der Rückgabe ging jeweils ein langer Prozess voraus.

Auch jetzt stellen sich die Beteiligten auf ein längeres Verfahren ein. Viele Fragen müssen geklärt werden. Das hängt auch mit der Vielzahl von Akteuren und Gemeinschaften zusammen. In Kamerun, das aufgrund seiner Diversität auch „Klein-Afrika“ genannt wird, leben rund 300 Ethnien. Eine Bestandsaufnahme im Linden-Museum hat ergeben, dass die Objekte aus fast allen Teilen des heutigen zentralafrikanischen Landes stammen.

„Die Situation ist damit weit komplexer als im Falle von Benin mit einer langjährigen etablierten feudalen Geschichte“, meint Fiona Siegenthaler, Kuratorin am Linden-Museum. Petra Olschowski sprach von einer sehr „heterogenen Situation“. Das solle aber nicht dazu führen, den Prozess der Rückgabe weiter aufzuschieben. „Es ist schon viel zu viel Zeit ins Land gegangen“, sagte sie bei einer Pressekonferenz am Montag.

Um die Dinge auf kamerunischer Seite zu ordnen und eine zentrale Anlaufstelle zu schaffen, hat die kamerunische Regierung ein interministerielles Komitee für die Rückgabe illegal ausgeführter Kulturgüter etabliert. Sechs Vertreter nehmen an dem Dialogtreffen in Stuttgart teil. Dazu drei Könige oder chefs traditionels und eine Vertreterin eines Königshauses. Angeführt wird die kamerunische Delegation von Rekia Nfunfu Ngeh. Sie stellte am Montag vor der Presse, darunter auch Vertreter kamerunischer Medien, klar, dass die Zuständigkeit bei der Rückgabe von Kulturgütern bei der Regierung in Jaunde liegt. Diese werde dann im weiteren Verlauf dafür sorgen, dass die Objekte an die jeweiligen Gemeinschaften zurückgegeben werden: „Alles geht dorthin zurück“, versprach sie.

Die Delegation aus Kamerun hofft auf eine „Win-win-Situation“

Die Delegation aus Kamerun ließ keinen Zweifel daran, wie wichtig ihr die Rückgabe von geraubten Objekten ist. Sie verband dies jedoch nicht mit einem zeitlichen Druck, sondern legte Wert auf ein gemeinsames Vorgehen: „Keine Seite kann der anderen einen Zeitplan aufdrängen“, sagte Delegationsleiterin Ngeh. Es müsse eine „Win-win-Situation sein“.

Deutsche Museen erhoffen sich neue Beziehungen und Erkenntnisse

Was das aus Sicht der deutschen ethnologischen Museen in Berlin, Bremen, Braunschweig, Frankfurt, Hannover, Hamburg, Köln, Leipzig, Mannheim, München und Stuttgart, heißen könnte, skizzierte die Direktorin der Völkerkundemuseen Leipzig, Dresden und Herrnhut Léontine Meijer-van Mensch: „Restitution ist keine Geschichte des Verlierens, sondern des Gewinnens“. Durch den Austausch mit den Herkunftsländern und -gemeinschaften gewännen die deutschen Museen neue Beziehungen und Erkenntnisse.

Restitution sei eine Chance auf neue Formen der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, betonte auch Stuttgarts Direktorin de Castro. Das wird auf kamerunischer Seite ähnlich gesehen: Der europäische zentrierte Blick auf die Objekte sei nicht der alleinige Maßstab, argumentierte ein Delegationsmitglied und verwies auf traditionelle Konservierungsmethoden, die hier nicht bekannt seien.

Land und Stadt wollen in einem ersten Schritt 28 Objekte zurückgeben

Der Beginn des Restitutionsprozesses ist im Linden-Museum selbst bereits sichtbar. Aus Respekt vor der im Nordwesten Kameruns lebenden Gemeinschaft der Nso und deren König Sehm Mbinglo I. entfernte das Museum einen Thronhocker und einen Zeremonialwedel aus der Ausstellung. Die Beweggründe erläutert der König in einem Video, das im Museum zu sehen ist. Die beiden königlichen Insignien gehören zu den 28 Kulturobjekten, die ein Mitglied der kolonialen Schutztruppe, Hans Houben, 1902 geraubt und 1903 dem Linden-Museum übergeben hatte. Das Land und die Stadt Stuttgart als Träger des Linden-Museums haben entschieden, diese Objekte zurückgeben. Wann und wie genau, ist noch zu klären.