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Kommunales: Bürgermeister macht klare Ansage: Mehr Zeit für die Familie ist Wunsch / "Gemeinden sind gut aufgestellt"

Ratshausen. Überraschung im Oberen Schlichemtal: Heiko Lebherz wird sich in Hausen am Tann nicht mehr um das Amt des ehrenamtlichen Bürgermeisters bewerben, kandidiert aber in Ratshausen wieder. Wir sprachen mit ihm über seine Beweggründe und seine erste Amtszeit.

In diesem Jahr stehen Bürgermeister-Wahlen in Ratshausen und Hausen am Tann an: Kandidieren Sie wieder?

Die Aufgabe als Bürgermeister erfüllt mich und macht mir großen Spaß. In Ratshausen werde ich mich wieder zur Wahl stellen, in Hausen am Tann nicht mehr.

Was hat Sie zu diesem Entschluss bewogen?

Solch eine Entscheidung muss mit der Familie getroffen werden. Ich habe in den vergangenen Wochen mit dem Familienrat getagt. Das Amt des Bürgermeisters macht mir große Freude. Es ist der interessanteste und abwechslungsreichste Beruf, den ich mir vorstellen kann – aber eben auch ein Beruf, der für die Familie viel Entbehrung bedeutet. Im Dezember ist unsere Tochter zwei Jahre alt geworden. Um etwas mehr Zeit für meine Familie zu haben, habe ich mich dazu entschieden, in Hausen nicht mehr zu kandidieren.

In Rathausen sind Sie hauptamtlicher Schultes, in Hausen ehrenamtlicher Bürgermeister: Hat sich die Konstellation bewährt?

Interkommunale Zusammenarbeit bewährt sich immer. Ich möchte auch weiterhin eine enge Zusammenarbeit mit der Gemeinde Hausen am Tann anstreben. Bereits heute hat Ratshausen nicht nur mit Hausen, sondern auch mit Weilen unter den Rinnen vielfältige Vereinbarungen über Zusammenarbeit getroffen, zum Beispiel hinsichtlich Feuerwehr oder Standesamt.

Haben Sie es schon einmal bereut, von der Stadtverwaltung in Reutlingen auf den Bürgermeistersessel gewechselt zu haben?

In Reutlingen habe ich als Referent des Sozialamtsleiters viel Erfahrung sammeln dürfen. Ich möchte die Zeit nicht missen. Die Stadt mit mehr als 1000 Mitarbeitern in der Verwaltung war eine lehrreiche und wichtige Station in meinem Leben. In Ratshausen sind die Anforderungen und Themen aber vielschichtiger. Das menschliche Leben in all seinen Facetten ist unser tägliches Geschäft. Um nur einige Beispiele zu nennen: Standesamt, Kindergarten, Wasserversorgung, Bevölkerungsschutz, Ortspolizeibehörde und vieles mehr. Ich würde meinen Beruf in diesem Satz zusammenfassen: Der Beruf ist so interessant wie das Leben selbst und nein, ich habe es noch nie bereut, diesen Schritt gemacht zu haben.

Gibt es etwas, mit dem Sie vor Ihrer Wahl nicht gerechnet haben?

Die Tätigkeit und das breite Anforderungsspektrum sind so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Nach acht Jahren gibt es immer noch Dinge, die neu sind und in die ich mich neu einarbeiten muss. Daher ist mein Beruf immer noch so interessant wie am ersten Tag.

Acht Jahre Bürgermeister im Oberen Schlichemtal: Welches waren für Sie die Höhepunkte während dieser Zeit?

In den vergangenen acht Jahren sind mit den Bürgern und dem Gemeinderat viele Projekte gelaufen, hinter denen ich stehe. Besonders hat mich der Umbau und die nachhaltige Sicherung des Dorfladens und damit die der Nahversorgung in der Gemeinde gefreut. Am Tag der Eröffnung war ich sehr stolz. Das Projekt war nicht ganz unumstritten. Manchmal lohnt es sich aber, einen langen Atem zu haben. Besonders gefreut hat mich auch die Einrichtung einer Krippengruppe im Kindergarten Ratshausen und der Neubau einer Tagespflege für Kinder ab sechs Wochen in Hausen am Tann. Ich denke, wir sollten unseren Nachwuchs bestmöglich fördern. Damit sich eine Gemeinde weiterentwickeln kann, braucht es Bauland. In Ratshausen haben wir das Baugebiet Ban realisiert, das bereits bis auf drei Plätze durch junge Familien mit Kindern besiedelt ist. In Hausen stehen wir vor der Fertigstellung des Gebiets Lehr-West. Es sichert für die kommenden zehn bis 15 Jahre Entwicklungsspielraum und ist zugleich eine der besten Investitionen in die Zukunft. Daneben steht die Sanierung von älteren Gebäuden in den Ortskernen im Fokus. Noch herrscht kein erhöhter Handlungsbedarf, dennoch darf das Thema nicht aus den Augen verloren werden.

Der Plettenberg: Wie sehen Sie die Position der beiden Gemeinden in Sachen weiterer Kalksteinabbau?

Das Hauptorgan einer Gemeinde ist der Gemeinderat. Oft behandle ich im Gemeinderat Ratshausen dieselben Punkte wie in Hausen. In den Gremien stellte ich meine Meinung und die Sicht der Dinge dar – die Entscheidung, wie wir vorgehen, fällt der Rat. Schon öfters haben die beiden Gremien unterschiedliche oder gegenläufige Entscheidungen gefällt, die ich dann umzusetzen habe. Wir leben in einer Demokratie, in der Meinungen differieren dürfen. Beim Plettenberg gehen die Meinungen auseinander, dennoch sind für beide Gemeinden die Themen Wasser, Hangrutsch und Sprengerschütterungen bedeutsam.

Wann werden die Bürgermeisterwahlen in Ratshausen und Hausen sein?

In den kommenden Wochen werden die Wahlausschüsse gebildet. Diese legen den Zeitplan und weitere Details fest.

Was steht in den nächsten Jahren in Ratshausen an?

Kleine Gemeinden haben mit der Sicherung der Infrastruktur und der Nahversorgung zu kämpfen. Dies wird uns in den kommenden Jahren weiter beschäftigen. Als Stichwort möchte ich das Thema Breitband nennen. Es braucht in Zukunft leistungsstärkere Internetanschlüsse. Bislang konnten wir Ratshausen ordentlich versorgen. Nichtsdestotrotz muss für die Zukunft geplant werden. Daher ist der Anschluss an die überregionale Datenautobahn wichtig. Aktuell wird der Kindergarten für 470 000 Euro saniert. Mit der katholischen Kirchengemeinde als Trägerin ziehen wir an einem Strang. Das Projekt macht uns auch im Bereich der Kinderbetreuung für die Zukunft sicher. Egal, wie sich der Betreuungsbedarf entwickeln wird – wir sind gewappnet. Genauso stellen wir uns der Herausforderung Hochwasserschutz. Wir stehen vor der Gründung eines Zweckverbandes. Dieser schafft die Voraussetzungen, dass wir Maßnahmen bis zu 70 Prozent vom Land bezuschusst bekommen werden. Dennoch wird Ratshausen knapp eine Million Euro aufwenden müssen, was uns auf Jahre hinaus finanziell etwas einschränkt. Die Förderung der Betriebe werde ich fortführen. Wir haben leistungsfähige Unternehmen, mit denen ich mich laufend austausche und für die ich da bin, wenn sie mich brauchen.

Wo gibt es noch Defizite in den beiden Kommunen?

Beide Gemeinden sind gut aufgestellt und für die Zukunft gerüstet. Die Haushalte sind schuldenfrei. In Hausen wurden die Ersparnisse in Bauplätze umgewandelt (Lehr-West). Ratshausen hat nicht unerhebliche Rücklagen gebildet, um die angedachten oder bereits laufenden Projekte finanzieren zu können.

Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit im Gemeindeverwaltungsverband?

Ohne den Gemeindeverwaltungsverband könnten die kleinen Gemeinden im Oberen Schlichemtal ihre Selbstständigkeit nicht bewahren. Mit den Bürgermeisterkollegen pflege ich ein offenes und konstruktives Miteinander. Wir alle vertreten nicht nur den Gemeindeverwaltungsverband, sondern auch die Gemeinden, denen wir vorstehen – dennoch schaffen wir es, den Blick auf das Gemeinsame nicht zu verlieren. Es sind sicher nicht immer ganz einfache Diskussionen, dennoch schätze ich den Austausch und das Miteinander.

Gibt es etwas, was Sie in einer zweiten Amtsperiode anders machen würden?

Da mir der Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern und deren Anliegen sehr wichtig sind, möchte ich versuchen, noch mehr Zeit zu erübrigen, um einfach mal durch den Ort zu gehen und mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Oft lassen sich Anliegen im ungezwungenen Gespräch leichter lösen oder Sorgen ausräumen als in der Amtsstube im Rahmen einer Sprechstunde.

Vervollständigen Sie bitte diesen Satz: Ich bin in Ratshausen und Hausen gerne Bürgermeister, weil...

...die Menschen, die hier wohnen, freundlich, offen und unkompliziert sind.

In Ratshausen und Hausen am Tann finden in diesem Jahr Bürgermeisterwahlen statt. Die Wahl in Ratshausen fand am 18. Juli 2010 statt, Heiko Lebherz trat sein Amt am 13. September 2010 an. Die Wahl findet daher laut Landratsamt zwischen Sonntag, 17. Juni, und Sonntag, 12. August, statt. In Hausen am Tann wurde am 28. November 2010 gewählt. Lebherz trat sein Amt am 1. Februar 2011 an. Die Wahl in Hausen wird zwischen dem 4. November und 30. Dezember stattfinden.

Heiko Lebherz lässt die Bombe platzen: Er wird nach acht Jahren Amtszeit nicht mehr als ehrenamtlicher Schultes in Hausen am Tann kandidieren. In der Nachbargemeinde Ratshausen, wo er hauptamtlicher Bürgermeister ist, bewirbt er sich wieder. Eine überraschende Entscheidung, mit der nicht unbedingt zu rechnen war. Denn diese Ämterkombination hat sich bewährt – schon unter Lebherz’ Vorgänger Michael Maier. Eine enge Zusammenarbeit bringt beiden Gemeinden Vorteile und Synergieeffekte, etwa beim Bauhof. Andererseits darf auch die doppelte Arbeitsbelastung nicht übersehen werden. Und das Argument von Lebherz, mehr Zeit für seine junge Familie haben zu wollen, ist berechtigt und zu verstehen. So werden sich die Hausener nach einem neuen Schultes umsehen müssen: Die enge Kooperation im Schlichemtal sollte darunter aber nicht leiden.