Noch ist von Stuttgart 21 hauptsächlich ein riesiges Loch zu sehen. Doch als Tour-Guide zeigt Joachim Pabsch seinen Besuchergruppen, was hier entsteht. Und er erklärt die Vorgeschichte und Hintergründe. Foto: Beiter Foto: Schwarzwälder-Bote

Führungen: Rangendinger Eisenbahner in Altersteilzeit führt Gruppen durch das Großprojekt

Joachim Pabsch ist Eisenbahner durch und durch. Deshalb bleibt der Rangendinger der Eisenbahn auch in seiner passiven Altersteilzeit treu: Seit März ist er einer von 14 offiziellen Tour-Guides auf der Stuttgart-21-Baustelle.

Von Roland Beiter

Rangendingen. Mit 16 Jahren begann der heute 61-Jährige im Raum Aachen seine mittlere Assistentenlaufbahn im nichttechnischen Dienst, damals noch bei der Deutschen Bundesbahn. 1974 wechselte er von Köln nach Tübingen und später – jetzt bei der Deutsche Bahn Immobiliengesellschaft – nach Stuttgart.

Bald kannte er sich auf den Flächen der Bahn aus wie in seiner Westentasche, weswegen er vor sechs Jahren für den Bau des Bahnhofs mit der Grundstückabwicklung im "Niemandsland" des einstigen Industriegebiets Stuttgart-Nord beauftragt wurde – in direkter Nachbarschaft zum neuen Europa-Viertel der Stadt und mitten in der Künstlerkolonie "Ateliergemeinschaft Bauzugwagen B3YG". Dass von diesem alternativen Kulturzentrum bis zum Bauende von Stuttgart 21 noch eine Waggonreihe stehen bleiben kann, erfüllt Joachim Pabsch mit Freude. Dagegen mussten ganze Fabrikanlagen und ein riesiges Schrottlager weichen für die zentrale Logistikfläche, die für die rund 20 Millionen Tonnen Erdaushub aus den Baugruben und Tunnelröhren des gigantischen Strukturprojekts notwendig ist. Von dort aus werde der gesamte "Stuttgarter Dreck", wie der S21-Aushub etwas flapsig genannt werde, in die Gruben und Deponien der Republik verschickt – meist per Bahn, aber teilweise auch per Lastwagen.

Bald steuern die Wagen auch auf die Erddeponie "Grund" in Haigerloch-Stetten an. Dass Joachim Pabsch Stuttgart 21 von Anfang an begleitet hat, kommt ihm nun als Tour-Guide des "Turm-Forums", wie das Marketingprojekt zum Bahnhofsbau heißt, zu Pass. Auch für die Teilnehmer seiner Führungen ist dieser Umstand ein Segen. Sie erfahren so viel direkt Erlebtes über den Werdegang des Bauprojekts, während er sie Bahnhofs-Turm herumführt und vor allem auch über die riesige Baustelle.

Wer Joachim Pabsch bei einer seiner Führungen erlebt, spürt: da weiß einer, wovon er da erzählt. Ihm geht es nicht nur um Daten und Fakten, sondern um die spannenden Hintergründe. Dass seine Führungen auch dazu beitragen, die Diskussionen um das größte Strukturprojekt Europas im Bahnbereich besser zu verstehen, werde ihm von Teilnehmern immer wieder versichert, sagt Pabsch. Das freut ihn.

Die Gruppen kommen aus dem Landtag, dem Bundestag, sind Gemeinderäte, Ingenieure aus dem In- und Ausland. Es kommen aber auch Vereine, Jahrgänger oder Firmenbelegschaften. Wie bedeutend dieser "Baustellen-Tourismus" für das Stuttgarter Stadtmarketing ist, wird daran deutlich, dass die S21-Baustelle mittlerweile die dritthöchsten Besucherzahlen der Stuttgarter Sehenswürdigkeiten hinter dem Daimler- und dem Porsche-Museum zählt. "Wir rechnen für dieses Jahr mit rund 830 Führungen und 23 000 Besuchern", betont Joachim Pabsch.

S-21-Führungen mit dem Rangendinger können über das "Turmforum" gebucht werden.