Landschaftsschutz: An der Vorderhalde wird Kulturlandschaft zurückgewonnen

An der Vorderhalde unterhalb der Hochburg wird die Zeit zurückgedreht. Dort wird mit viel Engagement die einstige Kulturlandschaft der Streuobst- und Magerwiesen wieder geschaffen.

Rangendingen. Was Spaziergänger beinahe auf Schritt und Tritt umgibt, ist beileibe keine wilde Natur, sondern überwiegend Kulturlandschaft, ein Ergebnis jahrhundertelanger Bearbeitung durch Menschen. Ob Wald, Wiesen oder Acker – der Mensch hat sich die Natur so geformt, wie er sie zum Erhalt seiner Lebensgrundlagen brauchte. Damit schufen unsere Vorfahren ein Landschaftsbild, das heute für viele Regionen Deutschlands als charakteristisch gilt.

Doch diese Lebensräume, oft letzte Rückzugsorte für bedrohte Tiere und Pflanzen, sind zunehmend in Gefahr – sei es durch die moderne Landwirtschaft, genauso aber auch wegen der mangelnden Produktivität dieser oft schwer zu bearbeitenden oder zugänglichen Flächen. Viele private Grundstücke werden von den Eigentümern stillgelegt, vernachlässigt und sich selbst überlassen.

Viele Flächen sind inzwischen zugewachsen

Zu beobachten war dies in Rangendingen besonders deutlich an den einstigen Streuobstwiesen an der Vorderhalde unterhalb der Hochburg. "Vergleicht man Luftbilder aus der Mitte der 1990er Jahre mit dem heutigen Luftbild, so wird deutlich, dass in den vergangenen 30 Jahren große Teile der ehemals offenen und damit naturschutzfachlich bedeutsamen Flächen an der Vorderhalde zugewachsen sind", sagt David Wiesenberger vom Umweltamt des Zollernalbkreises. Mit den entsprechenden Folgen: Die schützenswerten Lebensräume für Pflanzen und Tiere gingen auf vielen Flächen verloren.

Diesem Verlust möchte der Naturschutz mit der Ausweisung von landschaftsübergreifenden Gebieten entgegenwirken. So sind die Gewanne "Vordere Halde" und "Wanne" Teil des Natura-2000-Gebiets "Rammert". In dessen Pflege- und Entwicklungsplan ist vorgesehen, dass die steilen Hangflächen von Sukzessionsgehölzen, wie Schwarzdorn, Hartriegel oder auch Zwetschgenschösslingen, aber auch von Waldbaumarten zu befreien sind. Durch diese Eingriffe soll der ehemals vorhandene Offenland-Charakter mit Streuobst- und Magerwiesen wieder hergestellt werden. Um Anreize für die Eigentümer zu schaffen, gibt es dafür Fördergelder vom Land Baden-Württemberg.

In Rangendingen wird dieser Maßnahmenplan bereits seit mehreren Jahren umgesetzt. Und der Erfolg ist sichtbar. Was also bei der Rodung einer von mit Hecken bewachsener Fläche auf mehreren hundert Quadratmetern nach einem barbarischen Eingriff aussieht, ist durchaus im Sinne des modernen Naturschutzes.

Durch die Entfernung der Gehölze sollen die Hangflächen wieder besser besonnt werden. Dadurch bekommen lichtliebende und teils seltene Kräuter der Magerwiesen, wie die Karthäuser-Nelke, der Berg-Klee und verschiedene Orchideenarten, wieder eine Chance. Auch Schmetterlinge, Heuschrecken und andere Tierarten profitieren von den Maßnahmen.

Weinbau wird befürwortet

Grundsätzlich, so heißt es seitens des Landratsamtes, wird mit diesen Eingriffen ein Mosaik unterschiedlicher Nutzungsformen angestrebt. Was heißt, dass auch so genannte Relikt-Nutzungen, wie der in Rangendingen früher praktizierte Weinbau, befürwortet wird. Streuobst- und größere Habitatbäume sollen wenn möglich erhalten bleiben. Auch kartierte Feldgehölze bleiben stehen und werden höchstens etwas ausgelichtet.

Größtenteils wurden die Flächen von engagierten Privateigentümern freigeschlagen, teilweise nahmen diese aber auch die Hilfe von Spezialfirmen in Anspruch, erklärt David Wiesenberger. Denn die Arbeit, die hinter diesen Freischneideaktionen steht, ist enorm.

Den Spaziergängern an der Hochburg dürften derzeit das in riesigen Häufen aufgeschichtete Schnittgut auffallen, das als Überbleibsel der Rodungen noch auf einer Wiesenfläche unterhalb des Hanges lagert. Die Stämme und Äste sind wertvoller Rohstoff und werden in den kommenden Monaten thermisch verwertet – als Hackschnitzeln oder Pellets.

Mit der Rodung der Flächen ist es für die Eigentümer allerdings noch längst nicht getan: Um einer offenen Wiesenfläche langfristig wieder eine Chance zu geben, sollten die Hänge zukünftig mit Schafen, Ziegen oder, wie bereits erfolgreich praktiziert, mit Alpakas beweidet werden, sagt Wiesenberger. Alternativ ist auch ein jährliches Abmähen der Steilhänge möglich.

Dass diese Maßnahmen Erfolg haben, ist jetzt mit dem beginnenden Frühling zu sehen: grünende Wiesenhänge unterhalb der Waldflächen auf der Hochburg, wie sie die vergangenen Jahrzehnte in weiten Teilen fast verschwunden waren.