Angela Wehrmann spricht mit uns am Telefon über die aktuelle Lage. Foto: Privat

Sie gehört zur Risikogruppe: Angela Wehrmann aus Rangendingen spricht mit uns über aktuelle Lage.

Rangendingen - Die Gefahr, die eine Infektion durch das sich aktuell ausbreitende Coronavirus besteht, ist für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem besonders hoch. Wir haben mit Angela Wehrmann, die im März des Jahres 2018 an akuter Leukämie erkrankte und eine Stammzelltransplantation erhielt, am Telefon über die aktuelle Situation gesprochen.

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Wie sieht aktuell dein Alltag aus?

Im Moment gehe ich nur noch nach draußen, wenn es unbedingt notwendig ist. Ich trage dabei einen speziellen Mundschutz, um die Gefahr einer Infektion zu vermindern, und habe Desinfektionsmittel dabei. Im Edeka hat mich neulich ein Mann ausgelacht. "Man kann es ja auch übertreiben", hat er gesagt und einige Leute haben mitgelacht.

Hast Du denn überhaupt noch Desinfektionsmittel?

Aktuell habe ich noch vier Flaschen. Eine Flasche reicht für mich eine ganze Zeit lang – ich benutze es ja nur, wenn ich nach draußen gehe. Daheim wasche ich mir die Hände mit Seife, das ist ausreichend.

Begegnen Dir die Leute seit der Ausbreitung des Virus oft anders als zuvor?

Viele Menschen haben Panik. Vor einigen Wochen habe ich in einem Fitnessstudio eine Ausbildung gemacht, mein chronischer Husten war gerade etwas besser. Eine der anderen Teilnehmerinnen hat sich hinterher beschwert, es sei unverantwortlich, jemanden wie mich teilnehmen zu lassen. Sie hatte Angst, sich anzustecken. Das fand ich wirklich unfair.

Was würde eine Infektion mit dem Coronavirus für Dich bedeuten?

Ich glaube nicht, dass meine Lunge das packen würde. Bei mir wurde eine chronische Lungenerkrankung diagnostiziert – vermutlich eine Folge der Chemotherapie. Diese Woche hatte ich einen Termin in der Klinik, bei dem getestet wurde, wie mein Immunsystem inzwischen arbeitet. Die letzten Male war es noch nicht so gut – ich hoffe, dass das Ergebnis, das ich nächste Woche bekomme, diesmal besser sein wird. Der Aufenthalt im Krankenhaus ist für mich auch schon gefährlich – ich muss dort einen Mundschutz und Handschuhe tragen und es nach der Blutentnahme so schnell wie möglich wieder verlassen, denn dort infiziert man sich am ehesten.

Hast Du Angst vor einer Corona-Infektion?

Alle Transplantierten haben total Angst, weil sie eben zu den sechs Prozent der Leute gehören, die im Falle einer Infektion wahrscheinlich beatmet werden müssen. Andererseits glaube ich, dass wir es fast alle irgendwann kriegen werden – wir müssen da wahrscheinlich alle durch. Mein Vater und ich haben sogar schon darüber nachgedacht, dass es für mich womöglich besser wäre, das Virus jetzt zu kriegen, solange die Krankenhäuser noch nicht überlastet sind – oder besser gar nicht.

Wie nimmst Du die Reaktionen der Menschen auf die aktuelle Situation wahr?

Natürlich bin auch ich nicht begeistert darüber, zu Hause bleiben zu müssen – aber ich muss schon manchmal darüber schmunzeln, wenn sich Gesunde darüber beschweren. Jeder Transplantierte weiß, wie es ist, wenn man nicht weiß, ob es einem jemals wieder gut gehen wird.

Wie verbringst Du mit Deinen Söhnen nun die Zeit?

Für mich ist es keine neue Situation, zu Hause zu bleiben. Ich war schon einmal sieben Monate lang isoliert – mit dem Unterschied, dass ich fast gar nichts machen konnte, weil ich krank und bettlägerig war. Damals wusste ich nicht, ob ich es überleben würde. Wir haben einen großen Garten, meine beiden Söhne können sich ablenken.

Was sagst Du zu Hamsterkäufen und sogenannten Coronapartys?

Ich finde es unmöglich, wie sich manche Leute verhalten. Den Menschen ist gar nicht bewusst, was eine Infektion für Leute wie mich bedeuten kann. Da wird in Krankenhäuser eingebrochen, um Desinfektionsmittel zu klauen, oder es werden Lebensmittel gehortet. Eigentlich brauchen die Menschen, die ein gesundes Immunsystem haben, nicht solch eine Panik zu haben. Andere treffen sich weiterhin auf Partys und verbreiten dadurch den Virus noch schneller – wo bleibt da die Menschlichkeit?

Glaubst Du, dass diese Krise die Menschen verändern wird?

Die aktuelle Situation fordert die Menschen dazu heraus, das alltägliche Leben wieder schätzen zu lernen und all die Freiheiten, die sie haben, nicht mehr als selbstverständlich wahrzunehmen. Und es wird deutlich, wie wichtig soziale Kontakte sind. Familien müssen enger zusammenrücken – für manche ist das ziemlich schwer, weil sie gar nicht miteinander können.

Was würdest Du Dir von den Menschen in dieser Zeit wünschen?

Die meisten Leute sind nun mit Existenzängsten beschäftigt. Es wäre schade, wenn die Bereitschaft zu Blutspenden dadurch sinken würde. Und für Leute, die nach einem Spender suchen, ist es eine besonders schwierige Zeit – die Registrierungsaktionen werden wahrscheinlich abnehmen, weil die Leute jetzt einfach andere Sachen im Kopf haben. Hoffentlich lassen sich möglichst viele weiterhin als mögliche Stammzellspender registrieren.