Richard Schuster aus St. Georgen radelte 2018 mit seinem Mountain-Bike nach Slowenien, um die alte deutschsprachige Heimat seiner Ahnen mütterlicherseits kennenzulernen. Jetzt, fünf Jahre später, radelte er in die Heimat des Vaters.
Über die eigene Herkunft Bescheid zu wissen, ist vielen Menschen ein Anliegen. Richard Schuster, freier Mitarbeiter des Schwarzwälder Boten, hat seine Wurzeln gesucht.
Donauschwaben Die Schusters waren sogenannte „Donauschwaben“. Sie stammten aus dem heute serbischen Teil des Banats – mit der Stadt Vrsac (Werschetz) als Schwerpunkt. Alle Deutschen mussten Jugoslawien nach Kriegsende verlassen oder flohen.
Richard Schuster hat seine Reiseerlebnisse für uns aufgezeichnet. Hier sein Bericht:
Die Reise beginnt. 13. Juni, 6 Uhr früh. Mein Zug erreicht Wien. Von hier aus möchte ich auf dem Donau-Radweg durch Österreich, die Slowakei, Ungarn, Kroatien und Serbien bis zur rumänischen Grenze radeln. Von dort soll es nach Werschetz und weiter bis ins ungarische Szeged gehen, um dann per Zug nach Hause zurückzukehren.
Der Donau entlang Übernächtigt aber voller Vorfreude auf das mich erwartende Abenteuer, starte ich. Dieses Teilstück des Radwegs ist gut in Schuss, aber das wird nicht lange so bleiben – garantiert! Entlang der aufgestauten Donau erreiche ich schließlich Komàrno. Ich reise mit wenig Gepäck und suche mir meine Unterkunft stets spontan.
Ab Esztergom radle ich auf dem ungarischen Teil der Route, die oft auf ungemähten Hochwasserschutzdämmen, belebten Straßen oder Schotterpisten verläuft. Wo sind hier nur die gezahlten Fördermittel der Europäischen Union geblieben? Natürlich bleibt unterwegs auch Zeit für die eine oder andere Sehenswürdigkeit. Den Moloch Budapest umfahre ich und lege in Kalocsa einen Ruhetag ein.
Deutsche Spuren Auf meinem Weg entlang der Donau stoße ich immer wieder auf Spuren einstiger deutscher Besiedlung. Bei Gesprächen mit Einheimischen stellt sich oft heraus, dass diese auch deutsche Vorfahren hatten. Erfahren sie dann von meinen Plänen, ist Erstaunen und Neugier groß. Ich radle durch das Natur-Reservat Kopacki rit beim Zusammenfluss von Donau und Drau, ehe ich über die Grenze ins kroatische Vukovar fahre.
Wilde Hunde Die Stadt wurde im jugoslawischen Bürgerkrieg fast vollständig zerstört. Im Gespräch mit meinem Wirt erfahre ich viel über das Zusammenleben der einstigen Feinde. Eher kühl, rational sei das, und „die Serben wollen für sich bleiben“ – sagt der Kroate. In Belgrad quere ich den Strom und schon bin ich im bäuerlichen Banat – Natur pur! Allerdings: Vorsicht vor streunenden und im Rudel auftretenden Hunden! An der rumänischen Grenze ist die Donau mehrere Kilometer breit. Es ist beeindruckend, hier abends beim Fisch-Essen die Blicke schweifen zu lassen.
Emotionen Ich erreiche endlich Werschetz, die Stadt meiner väterlichen Linie. In Vorbereitung meiner Tour habe ich recherchiert, dass sich unsere Wurzeln dort bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Emotional wird es, als ich unter der alten Adresse tatsächlich unsere ehemaligen beiden Häuser vor mir sehe. Hier wurde mein Vater geboren. Ich besuche die Kathedrale, in der die Großeltern heirateten, sowie die ehemalige deutsche Volksschule. Tamas Fodor zeigt mir die deutsche Abteilung der Stadtbibliothek. Er gehört der ungarischen Minderheit an und hat auch deutsche Vorfahren. Fodor berichtet von einer diesbezüglich schwierigen Situation für seine Arbeit als Archivar der einige zehntausend Exemplare umfassenden deutschen und ungarischen Raritäten.
Häuser über Gebeinen Den alten deutschen Friedhof gibt es längst nicht mehr, er wurde zerstört und das Gelände überbaut. Eine deutsche Gruppe in der Stadt hat sich bereits vor Jahren aufgelöst. Es ist keine Frage, Vrsac (Werschetz) ist heute eine serbische, bestenfalls noch teilweise ungarisch geprägte Stadt, in der die deutschen Spuren bald vollständig verschwunden sein werden. Das stimmt mich traurig.
Hoffnung EU Unterwegs, bei Gesprächen mit Einheimischen, geht es immer wieder auch um das künftige Zusammenleben der verschiedenen Volksgruppen. Vor allem ethnische Serben interessiert zudem sehr, wie ihr Land und seine Politik in Deutschland gesehen werden. Man fühlt sich oft unverstanden und, obwohl gar nicht Mitglied der EU, von „Brüssel“ bevormundet. Und doch – das wird mir auf meiner knapp vierwöchigen Tour mit 1500 geradelten Kilometern so was von klar: Ich kann mir nur die eine realistische Möglichkeit vorstellen, dass wirklicher Friede von Dauer unter den Volksgruppen im ehemaligen Jugoslawien nur im Rahmen der EU geschaffen werden kann. Aber bis dahin ist es noch ein sehr langer, steiniger Weg.